Mechthild Ross-Luttmann
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Limburg, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Hier in diesem Haus sind wir uns, denke ich, alle darin einig, dass wir gegen jede, aber auch wirklich gegen jede Form von Extremismus angehen müssen. Deswegen, meine Damen und Herren von der Linken, beantragen Sie auch etwas Selbstverständliches, was in unsere Verfassung aufgenommen werden soll.
Ich glaube, dass Sie bei der Einbringung Ihres Gesetzentwurfs völlig vergessen haben, dass unser Grundgesetz in vielen Punkten die schlimmen Erfahrungen in der Nazizeit mit massiver Missachtung von Menschenrechten, unermesslichem menschlichen Leid, Krieg, Völkermord und Massenvernichtung zur Grundlage hat. Als sich im September 1948 der Parlamentarische Rat zu seiner konstituierenden Sitzung traf, wollte er gerade für die Zukunft mithilfe einer neuen Verfassung Vorsorge treffen, dass niemals wieder wie 1933 ein Rechts- und Verfassungsstaat scheinbar legal zur Diktatur werden kann.
So ist insbesondere in Artikel 1 unseres Grundgesetzes der Schutz der Menschenwürde als das zentrale Grundrecht, und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugleich als die wichtigste Werteentscheidung des Grundgesetzes vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Nazizeit zu lesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Artikel 1 besagt:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schüt
zen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Anspruch umfasst den Anspruch auf prinzipielle Gleichheit aller Menschen. Jede Form rassistisch motivierter Diskriminierung verletzt die Menschenwürde. Die hohe Bedeutung dieses Grundrechts kann man darin ablesen, dass der Staatsgewalt eine Einflussnahme auf diesen Kern des Grundgesetzes verwehrt ist: Artikel 1 und Artikel 20 stehen unter der Ewigkeitsgarantie, und jeder Eingriff, jede Änderung ist unzulässig. Deshalb sehe ich für Ihren Gesetzentwurf grundsätzlich keinen Raum, zumal wir Verfassungsänderungen nur dann beschließen sollten, wenn sie auch zwingend geboten sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur noch die älteste Generation in Deutschland hat einen Krieg erlebt. Schon meine Generation kennt nur Frieden. Seit 1989, dem Fall der Berliner Mauer, leben auch alle Deutschen in Frieden und Freiheit. Ich bin froh und dankbar, dass auch unsere Jugend die DDR und die Berliner Mauer nur noch als Geschichte kennt. Deshalb scheint es mir viel wichtiger zu sein, gerade auch vor dem Hintergrund immer weniger lebender Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges, dass wir alles dafür tun, um auch 67 Jahre nach Kriegsende die Erinnerung an Sinnlosigkeit von Krieg wach zu halten und die Notwendigkeit der Abwehr totalitärer Gefahren weiter zu vermitteln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht nur eine Pflicht gegenüber den vielen Opfern, sondern zugleich auch eine Mahnung an die Lebenden, sich für Frieden und Freiheit der Völker einzusetzen. Wir stehen zu dieser Verantwortung. Frieden ist auch das Ergebnis eines von Erinnerung getragenen politischen Bemühens.
Ich möchte noch kurz auf ein ganz besonderes Erlebnis von Schülern in einem Gymnasium eingehen. Dort ist in den Geschichtsunterricht ein jüdischer Mitbürger eingeladen worden, um über seine Kriegserlebnisse zu berichten. Am Ende seiner sehr eindringlichen Schilderung hat er zu den Kindern gesagt: Ich mache euch nicht verantwortlich für die Gräueltaten der Nazis, weil ihr damals noch gar nicht geboren wart. Ich mache euch aber verantwortlich, wenn ihr vergesst. Liebe Kinder, seid euch dieser Verpflichtung, die Erinnerung an diese Zeit wach zu halten und zu bewahren, bewusst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss doch zwei Tage vor dem 9. November auch das Signal aus diesem Hause sein: die Erinnerung an diese Zeit zu bewahren und als Selbstverständlichkeit jedem Wiederaufleben nationalsozialistischen Gedankenguts entschlossen entgegenzuwirken.
Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf streben Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, eine Verfassungsänderung an, nämlich die Erwei
terung des Artikels 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung um das Merkmal der sexuellen Identität. Sie verfolgen damit das Ziel, Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität von Lesben, Schwulen, Transgendern und Bisexuellen in der Gesellschaft zu bekämpfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mit Ihnen durchaus der Meinung, dass Betroffene in der Vergangenheit schweres Leid erfahren haben und dass es heute leider immer noch Anfeindungen gegenüber Menschen gibt, deren Verhaltensweisen als Anderssein empfunden werden. Ich lege großen Wert auf die Feststellung, dass dies absolut nicht toleriert werden kann.
Die CDU-Fraktion tritt entschieden und unmissverständlich gegen jede Form von Diskriminierung und Benachteiligung ein. Herr Haase, selbstverständlich verdienen Homosexuelle, Lesben und Schwule, wie auch jeder andere Mensch Respekt und Wertschätzung. Ich glaube aber - da gehen unsere Meinungen auseinander -, dass dies keine Frage verfassungsrechtlicher Gesetzgebung, sondern vielmehr eine Frage der tatsächlichen Akzeptanz in der Gesellschaft ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Rechtssystem sichert jedem einzelnen Menschen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Dazu gehört selbstverständlich auch die sexuelle Ausrichtung eines jeden Einzelnen. Das beinhaltet das Recht, sein Leben entsprechend seiner eigenen, von ihm selbst empfundenen sexuellen Identität zu führen. Dies folgt sowohl aus dem aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht als auch aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes, welcher ebenfalls Bestandteil unserer Niedersächsischen Verfassung ist. Damit bietet die Niedersächsische Verfassung bereits einen wirksamen und umfassenden rechtlichen Schutz gegen Benachteiligung und Ungleichbehandlung.
Ebenso wird das Merkmal der sexuellen Identität in weiteren europarechtlichen Regelungen geschützt, und zwar in Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, in Artikel 21 der Grundrechtecharta - Herr Haase, Sie haben es erwähnt - sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. So hat § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum Ziel, Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethni
schen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, aber auch der sexuellen Identität zu verhindern und zu beseitigen. Damit gibt es, meine Damen und Herren, bereits umfangreiche Schutzrechte auf allen Ebenen.
Trotz dieser Vielzahl gesetzlicher Regelungen existieren in der Gesellschaft nach wie vor Vorurteile. Wir alle kennen zumindest aus den Medien den jüngsten Vorgang um die geplante Einstellung eines homosexuellen Grundschulleiters im Kreis Vechta. Alle vor Ort Verantwortlichen, Schulvorstand wie auch Gemeinde, haben der Einstellung zugestimmt. Der nachfolgende Protest einiger weniger Bürger hat den Bewerber veranlasst, seine Bewerbung zurückzuziehen, obwohl ihn die örtlichen Verantwortlichen gebeten hatten, das Amt zu übernehmen.
Das hat mir deutlich gemacht: Erstens. Der gesetzlich geregelte Diskriminierungsschutz des AGG hat funktioniert. Einstimmige Beschlüsse zur Einstellung des Bewerbers wurden gefasst. Zweitens. In der Gesellschaft gibt es immer noch - das ist das eigentlich Traurige - Akzeptanzprobleme. Diesen gilt es wirksam entgegenzutreten.
Insofern glaube ich auch nach den Diskussionen im zuständigen Fachausschuss nicht, dass allein die vorgeschlagene Verfassungsänderung zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft beiträgt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Adler, nicht die Verfassung bedarf einer Änderung, sondern vielmehr muss sich das Denken der Menschen ändern, die aus welchen Gründen auch immer andere Menschen diskriminieren oder in ihrer Würde herabsetzen. Hiergegen müssen wir entschieden eintreten und eine Diskussion führen, die nicht das vermeintliche Anderssein hervorhebt, sondern die Vielfalt unseres Lebens als Chance für unsere Gesellschaft betont.
Wir alle sind gehalten, dieses Selbstverständnis auch im Alltag zu leben. Ich bin überzeugt davon, dass gesamtgesellschaftlich durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und breite Wissensvermittlung beispielsweise in unseren Schulen mehr erreicht werden kann und auch muss, damit Achtung, Respekt und Toleranz unsere Gesellschaft in allen Lebensbereichen prägen. Hierauf ist unsere Gesellschaft angewiesen.
Damit leisten wir nachhaltiger und wirksamer einen wertvollen und unschätzbaren Beitrag. So errei
chen wir mehr für ein solidarisches Miteinander in Niedersachsen, als eine Verfassungsänderung allein es vermag, vor allem wenn sie, wie hier, gesellschaftspolitisch einen gewissen symbolischen Wert entfaltet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Verfassung ist - darauf ist Herr Adler eingegangen - die rechtliche Grundordnung für unser Land Niedersachsen, die sich zu Recht auf das Wesentliche konzentriert. Hierauf sollte auch unsere Verfassung beschränkt bleiben. Sie sollte nur behutsam geändert werden. Sie sollte vor Wiederholungen geschützt werden wie der Aufnahme des bereits geschützten Rechts der sexuellen Identität. Gesellschaftspolitische Wünsche, auch wenn sie noch so wünschenswert erscheinen, sollten eben nicht in sie aufgenommen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, einer Verfassungsänderung bedarf es daher nicht, aber Wertschätzung für jeden einzelnen Menschen in seiner Einzigartigkeit. Deshalb sage ich für die Fraktion der CDU, dass wir den Gesetzentwurf aus den vorgenannten Gründen ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Haase, Sie haben es mit Ihrem letzen Wort gesagt: ein Symbol setzen. Ich möchte darüber hinausgehen. Mir geht es nicht darum, nur ein
Symbol zu setzen, sondern darum, dass wir eine gesellschaftliche Akzeptanz erreichen und dass es uns gelingt, möglichst schon bei den ganz kleinen Kindern zu erreichen, dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit und in seiner Vielfalt als ein Gewinn für unsere Gesellschaft angesehen wird.
Das erreichen wir nicht mit Symbolen, sondern nur durch tatsächliches Tun und Handeln. Und darum geht es mir.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund der Bedeutung der
Energiewende für den Energiestandort Niedersachsen würde mich interessieren, wie der weitere Fahrplan Niedersachsens in der Energiepolitik aussieht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zunächst dem Dank der Kollegen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums anschließen und auch unseren Minister, Herrn Busemann, für die umfassende Beantwortung der Fragen herzlich danken. Der Fragenkatalog ist sehr in die Tiefe gegangen, hat sich mit vielen Fragen der Betreuung befasst und hat zum Ergebnis, dass bereits vielfältige Angebote und gute Strukturen in Niedersachsen vorhanden sind.
Frau Staudte, Sie haben die Datenlage angesprochen. Sie wissen, dass Daten zurzeit bundeseinheitlich erhoben werden und dass Minister Busemann angekündigt hat, uns weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sich die Datenlage noch weiter verbessert.
Für mich ist an dieser Stelle sehr wichtig - dies ist auch in Reden durchgeklungen -, dass wir immer aufpassen müssen, dass wir für Mitarbeiter, die Statistiken erstellen müssen, nicht eine zusätzliche Bürokratie auslösen mit der Folge, dass ihnen auf der anderen Seite dann Zeit für Beratung, Fortbildung und Information fehlt. Für uns alle hier im Landtag muss die Betreuung im Vordergrund stehen. Wir sagen: Der betroffene Mensch, der eine Betreuung benötigt, aber auch derjenige, der die Betreuung anbietet, stehen ganz klar im Vordergrund; denn beide - der zu Betreuende und der Betreuer - müssen gut informiert sein, damit sie weiterhin ihre Rechte wahrnehmen können.
Ich glaube, wir können dankbar sein, dass 1992 das alte Recht der Vormundschaften und Pflegschaften durch das Recht der Betreuung ersetzt worden ist; denn es ist häufig von Betroffenen als
entwürdigend empfunden worden, entmündigt zu sein und keine Rechte mehr zu haben. Das Rechtsinstitut der Betreuung ist unter Wahrung größtmöglicher Wünsche und unter Respektierung der Lebensstellung des jeweils Betroffenen angelegt.
Es ist auch gesagt worden, dass schon viele Menschen im mittleren und jungen Alter für viele Aufgabenbereiche eine Betreuung haben. Es wird aber zunehmend auch ältere Menschen treffen, weil wir alle aktiv älter werden und weil auch der Zeitraum der Gebrechlichkeit länger andauert.
Wenn der Fall eintritt, dass wir bestimmte Angelegenheiten nicht mehr alleinverantwortlich ordnen können, wenn wir nicht mehr allein entscheiden können, welche medizinischen Eingriffe notwendig sind und vollzogen werden sollen, und wenn wir nicht mehr allein über unser Vermögen entscheiden können, dann ist das ein tiefer Einschnitt in unsere Lebensstellung, und spätestens dann werden wir uns fragen, an wen wir uns eigentlich vertrauensvoll wenden können, wer die Betreuung übernimmt, wer fachlich qualifiziert ist und welche von unseren eigenen Wünschen noch respektiert werden.
Dann ist es wichtig, dass auf der anderen Seite ein Betreuer steht, der fachlich qualifiziert und fortgebildet ist; denn nur ein gut informierter Betreuer kann gegenüber dem Betreuten - Sie sprachen die Konflikte an, die entstehen können - so auftreten, dass das Verhältnis auch dann ein vertrauensvolles wird, wenn es sich nicht um eine tatsächliche Vertretung, sondern „nur“ um eine rechtliche Vertretung handelt. Ich denke, das Gespräch mit dem zu Betreuenden ist in jedem Fall extrem wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die hohe Anzahl von Betreuungen mit einer Steigerung um fast 40 000 Verfahren allein in den letzten zehn Jahren zeigt doch, wie wichtig dieses Rechtsinstitut der Betreuung schon ist und noch weiter werden wird. Ich habe selbst einige Veranstaltungen durchgeführt, in denen ich über Betreuung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung gesprochen habe.
Dabei habe ich zweierlei bemerkt: einerseits das unglaublich hohe Interesse und andererseits den unglaublich hohen Informationsbedarf. Wenn man die Zeitung aufschlägt, liest man immer wieder über die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung. Man könnte also meinen, dass die Leute informiert sind. Aber dem ist nicht so. Der Informationsbedarf ist nach wie vor
hoch, und viele haben auch den Wunsch, nicht erst dann, wenn sie selbst nicht mehr entscheiden können, darüber entscheiden zu lassen, wer eine Betreuung übernimmt, sondern möglichst schon im Vorfeld eigenverantwortlich und selbstbestimmt festzulegen, wer ihre Betreuer oder Betreuerin sein kann und welche Angelegenheiten beispielsweise über eine Patientenverfügung für sie entschieden werden sollen, wenn sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.
Deshalb ist es wichtig, dass die Betreuungsvereine und die Betreuungsbehörden regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen anbieten. Ich bin unserem Minister sehr dankbar für die Herausgabe von Broschüren insbesondere zur Vorsorgevollmacht, in denen man nachlesen kann, was man selbst tun kann, ohne dass gleich eine Betreuung eingerichtet wird, nämlich dass man durch eine Vorsorgevollmacht ohne Einschaltung des Gerichts regeln kann, wer gewisse Angelegenheiten übernimmt.
Dabei ist, wie ich glaube, der Vorrang des Ehrenamtes unglaublich wichtig. Es ist ein unschätzbarer Beitrag, den diejenigen leisten, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen, sei es als Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn oder sei es eine als für den oder die Betroffene völlig unbekannte Person.
Ich möchte zum Schluss noch einmal eindringlich an die Menschen appellieren, sich für ein Ehrenamt zur Verfügung zu stellen und sich bereitzuerklären, dieses wirklich wichtige Amt zu übernehmen, weil sie damit für den Zusammenhalt unserer Generationen - vor allem in 2012, im Europäischen Jahr des aktiven Alters - einen unschätzbaren Beitrag leisten.
Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ - so noch DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz.
Und doch wurde sie gebaut - nur knapp zwei Monate später. Sie veränderte den Alltag, das Leben der Menschen schlagartig. Fast drei Jahrzehnte teilte sie die Stadt Berlin und einige Bundesländer, bis sie 1989 durch eine friedliche Revolution, nämlich durch Demonstrationen, durch Protestaktionen, durch Montagsgebete und auch Hoffnungen auf beiden Seiten der Mauer, zu Fall gebracht wurde.
Wir alle, die wir das Glück hatten, auf dieser Seite der Mauer aufwachsen zu dürfen, haben allen Grund, jenen Menschen, den Frauen und den Männern, zu danken, die mutig und unerschrocken, trotz hohem persönlichen Risiko, für ihre eigene Freiheit, aber auch für die Freiheit anderer friedlich gekämpft und sich eingesetzt haben.
Ihnen ist es maßgeblich zu verdanken, dass wir heute wieder in einem vereinigten Deutschland leben dürfen und es die Mauer als ein Symbol der Unmenschlichkeit nicht mehr gibt.
Doch wie viel Leid hat sie nicht nur in der Zeit ihres Bestehens, sondern auch noch darüber hinaus wirkend - noch heute - über die Menschen gebracht! Familien, Freunde, Nachbarn wurden auseinandergerissen, gewachsene Strukturen zerstört, Orte geteilt, die Freizügigkeit der Menschen eingeschränkt, Meinungsfreiheit nicht mehr zugelassen.
Wie viele Menschen mussten ihren Fluchtversuch mit ihrem höchsten Gut, ihrem Leben, bezahlen! Und das alles, weil der Staat auf seine eigenen Bürger und Bürgerinnen schießen ließ. Welch elementare Menschenrechtsverletzung, welche Verletzung der Würde von Menschen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unserem Antrag möchten wir auf der einen Seite all den
Menschen, die sich für die Freiheit eingesetzt haben, für ihren Mut und ihre Entschlossenheit danken und sie würdigen, ihnen den Respekt und die Achtung erweisen, die sie verdienen.
Auf der anderen Seite ist mir ein weiterer Punkt sehr wichtig, nämlich dass die Erinnerung an die Mauer und an das Unrecht, das in der DDR geschah, lebendig bleibt, aber nicht, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen von der Linken, im Sinne Ihres Änderungsantrags.
Selbstverständlich gestehe ich jedem Menschen zu, dass er Geschichte ein Stück weit anders erlebt hat und würdigt. Aber Realitäten zu verkennen, nicht in der Realität angekommen zu sein, das finde ich unverantwortlich.
Meine Damen und Herren, Sie verkennen völlig die Bemühungen von Willy Brandt, Egon Bahr, HansDietrich Genscher, Helmut Kohl und Walter Scheel, die sich ganz unterschiedlich um die Annäherung beider Staaten bemüht haben. Ich erinnere hier nur an die Bemühungen von Willy Brandt um das Viermächteabkommen und will das an einem winzigen Punkt deutlich machen: Lesen Sie sich einmal mit Verstand Ihren Punkt 3 durch. Dort fordern Sie Bildungsveranstaltungen, die allein und ausschließlich das untrennbare Ziel eines demokratischen Sozialismus lehren sollen.
- Das weiß ich auch nicht so ganz genau.
Wer Arnold Schoenenburg auf dem Parteitag der Linken am 14. August 2011 wohl unwidersprochen sagen lässt - ich zitiere - „Die Entscheidung über den Mauerbau war 1961 für die Führungen der Sowjetunion und der DDR ohne vernünftige Alternative“,
der hat keinen Respekt vor den Menschen, die in der DDR gelebt und um ihre Freiheit gekämpft haben.
Vor dem Hintergrund, dass es die Mauer als Symbol für das Unrecht nicht mehr gibt, und auch der Tatsache, dass Zeitzeugen der verheerenden beiden Weltkriege immer weniger werden, ist es umso wichtiger, dass sich die Zeitzeugen erinnern, ihre Fassungslosigkeit, ihre Wut, ihre Trauer beschreiben, erlittenes Unrecht deutlich aussprechen und gerade die Jugend, die die Mauer gar nicht mehr erlebt hat, informieren. Denn Wissen aus Büchern, meine Damen und Herren, ist das eine - das Erleben der Geschichte eines Zeitzeugen das andere; denn ein Zeitzeuge gibt dem Geschehen ein Gesicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für meine Generation war das Entstehen der Mauer, die Entwicklung in der DDR ein Teil unserer Gegenwart, auch des Politikunterrichts.
Für unsere Kinder dagegen ist die Mauer Vergangenheit. Ich bitte Sie, dass wir gemeinsam dafür werben, unsere Geschichte lebendig zu halten und tatsächlich Geschehenes objektiv zu bewahren.
Ganz bewusst sind wir nach der umfassenden Anhörung mit Änderungsvorschlägen auf die Opposition zugegangen und haben ihren Wünschen weitestgehend, bis auf Punkt 6, entsprochen. Ich bedauere außerordentlich, dass sich die Opposition bisher nicht zu einer Zustimmung hat durchringen können. Gerade weil der Mauerbau vor 50 Jahren einen tiefen Einschnitt in das Leben vieler Menschen bedeutet hat, wäre eine breite Zustimmung zu dem Thema angemessen gewesen.
Wir sprechen in unserem Antrag sehr viele Aspekte an.
Dazu gehören auch die Vermögensfragen. Sie werden nach meiner Kenntnis durch das zweite Flächenerwerbsänderungsgesetz vom 21. März 2011 nicht berührt. Wir haben die Bitte an die Landesregierung bewusst vorsichtig gefasst. Nur dann werden wir den Menschen gerecht.
Deswegen können sowohl betroffene Menschen als auch ich nicht nachvollziehen, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen können. Ich bitte Sie,
Ihre Haltung zu überdenken und unserem Antrag zum Wohle der Menschen zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Kollegin Weddige-Degenhard, mir liegt nichts ferner, als den demokratischen Sozialismus zu diffamieren. Die These, die Sie vertreten, ist eine These der Sozialdemokratie. Mir geht es um etwas anderes. Mir ging es darum, dass für Bildungsveranstaltungen allein und ausschließlich auf diesen Part abgestellt werden soll. Ich finde es schon einen merkwürdigen Vorgang, wenn der Landtag dazu missbraucht wird, Bildungsveranstaltungen auf ein einziges Thema zu fokussieren. Demokratie ist wesentlich breiter. Meines Erachtens ist es nicht Aufgabe des Landtages, Bildungsveranstaltungen so einseitig aufzuziehen. Eine Diffamierung liegt mir fern. Wenn Sie es so aufgefasst haben, entschuldige ich mich dafür.
Sehr geehrter Herr Kollege Limburg, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, dass wir irgendwann an einen Zeitpunkt gelangen werden, an dem die Frage des Rechtsfriedens Vorrang vor Fragen von Eigentum hat; denn auch die Frage der Rechtssicherheit muss irgendwann abschließend gelöst werden.
Wir sind aber hier an einem Punkt, wo bei der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone nach meinem Kenntnisstand ohne Entschädigung enteignet worden ist. Wir sind an einem Punkt, wo der Bund, der die Vermögensfragen klären müsste, weil die DDR sozusagen in die BRD eingetreten ist, viele Gesetze erlassen hat, die ehemaligen Grundstückseigentümern die Möglichkeit entweder zur Rückübertragung von Grundstücken oder aber einer Entschädigung einräumt. Die Bereiche, die wir heute hier angesprochen haben, also nur die Bereiche, die sich noch heute in öffentlicher Hand befinden - es geht nicht um die Antastung der Bodenreform in Gänze, sondern nur um diesen Bereich -, sollen Alteigentümern zum bevorzugten Erwerb angeboten werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht auch um ein Stück Wiedergutmachung. Es geht auch darum, einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen auf der einen Seite und den Grundstücksinteressen auf der anderen Seite zu finden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzten Sonntag haben wir der Tausenden von Opfern der verheerenden Terroranschläge in den USA vor zehn Jahren gedacht. Wir alle haben noch die schrecklichen Bilder aus dem Fernsehen vor Augen.
Vor dem Hintergrund dieser Terroranschläge und weiterer Anschläge 2004 in London und Madrid wurden zum Schutz der Bürger vor terroristischen Angriffen weltweit Konsequenzen gezogen, so auch von der EU. Sie hat 2006 eine Richtlinie erlassen. Diese sieht die Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten vor, die Anbieter öffentlich zugängli
cher elektronischer Dienste zu verpflichten, Verkehrs- und Standortdaten zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu zwei Jahren zu speichern.
Das auf dieser Richtlinie von der Großen Koalition von SPD und CDU/CSU im Bund ausgestaltete Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung hat das Bundesverfassungsgericht im März 2010 wegen mangelnder Datensicherheit und zu niedriger Hürden beim Abruf gespeicherter Daten für verfassungswidrig erklärt. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die verdachtsunabhängige und anlasslose Vorratsdatenspeicherung in engen Grenzen für zulässig erklärt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit bleibt nach wie vor der Bundesgesetzgeber in der Pflicht, dies zu regeln, und zwar nicht nur, wenn er sich nicht einem Vertragsverletzungsverfahren der EU aussetzen will, sondern auch vor dem Hintergrund, dass dieses Thema immer wichtiger wird. Dass die Terrorgefahr in Deutschland nach wie vor hoch ist, hat nicht zuletzt die Festnahme zweier Terrorverdächtiger in Berlin vor einigen Tagen gezeigt.
Ich bin auch nach den Debatten im Landtag nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Speicherung und die Verwendung von Telekommunikationsdaten in engen Grenzen zur Verfolgung von schwerwiegenden Straftaten und der Organisierten Kriminalität sowie zur Verhinderung von terroristischen Anschlägen notwendig und für eine effektive Arbeit der Strafermittlungsbehörden unerlässlich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um eine sechsmonatige Speicherung von Daten, auf die bei schwerwiegenden Verbrechen zurückgegriffen werden kann, nachdem ein Richter geprüft hat, ob die Voraussetzungen vorliegen. Dies halte ich auch angesichts der Veränderungen der Kommunikationsmöglichkeiten und, damit einhergehend, des Kommunikationsverhaltens für zwingend geboten; denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, auch vor Straftaten im Internet geschützt zu werden. Das setzt eine effektive Ermittlungsarbeit voraus. Hierfür müssen die Strafverfolgungsbehörden die technischen Möglichkeiten nutzen können. Das, meine Damen und Herren, umfasst zwingend auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung.
Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass das Bundeskriminalamt zugeben muss, dass es aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten gewisse Straftaten nicht hat aufklären können. Ich möchte nochmals hervorheben, worum es bei der Vorratsdatenspeicherung eigentlich geht: Es sollen nicht die Inhalte von Telefonaten, E-Mails oder Internetseiten aufgezeichnet werden, sondern es geht um die Speicherung reiner Nutzungsdaten: Rufnummer, Zeit und Dauer der Verbindung, Art des genutzten Dienstes, Standorte und IP-Adressen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl sich die CDU für die verdachtsunabhängige und anlasslose Vorratsdatenspeicherung massiv und auf allen Ebenen einsetzt - Herr Tonne, Sie haben eben zu Recht die Bemühungen von Minister Busemann und Minister Schünemann erwähnt -, können wir Ihrem Entschließungsantrag aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen.
Zum einen sind wir seit 2003 erfolgreich in einer Koalition unterwegs. Wir - FDP und CDU - haben vereinbart, dass wir uns erst einigen, bevor wir Entschlüsse fassen. Es ist hinlänglich bekannt, dass es zwischen FDP und CDU eine Einigung auf diesem Gebiet - ich sage hier auch an die Adresse der FDP gerichtet: leider - nicht gibt. Wir sind für eine anlasslose Speicherung in den engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht formuliert hat. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, dass diese anlasslose Speicherung im Bund Gesetzeskraft erhält.
Meine Damen und Herren, warum ist das so schwierig? - Auch das haben Sie teilweise ausgeführt. Es geht darum, einen Ausgleich zwischen den Rechten der Menschen auf Wahrung ihrer Privatsphäre auf der einen Seite und den Möglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden, effektiv arbeiten zu können, auf der anderen Seite zu finden. Wenn ich mit jemandem telefoniere, so ist das grundsätzlich privat, meine eigene Angelegenheit. Erst wenn ich ein Verbrechen begehe, ist das Interesse der Strafverfolgungsbehörden geweckt, und erst dann müssen auch die Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Dieser Ausgleich ist eben nicht ganz einfach.
Zum anderen können wir Ihrem Antrag auch inhaltlich nicht zustimmen. Sie haben in Ihrem Entschließungsantrag z. B. eine Speicherung der Kommunikationsdaten für maximal sieben Tage gefordert. Das sieht die EU-Richtlinie eben nicht vor.
Die EU-Richtlinie sieht eine Speicherung von sechs Monaten bis zu zwei Jahren vor. Nach meinem Kenntnisstand halten sich alle Staaten der EU, die inzwischen eine Regelung getroffen haben, an diese Vorgabe. Da Ihr Vorschlag nicht mit der EU-Vorgabe vereinbar ist, können wir Ihrem Antrag auch inhaltlich nicht zustimmen. Deshalb müssen wir ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Limburg, Sie haben mich ganz bewusst angesprochen. Ich will nur eines noch einmal deutlich machen.
Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in engen Grenzen ausdrücklich für zulässig erklärt.
Zweitens. Es geht nicht darum, dass wir zu einem Überwachungsstaat werden, sondern lediglich darum, zu speichern, wer wann mit wem und wo telefoniert hat.
Es geht um die Nutzungsdaten, nicht um die Inhalte, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Noch etwas: Ich möchte Sie wirklich bitten, mit der Gewerkschaft der Polizei zu sprechen, mit Polizeibeamten und dem Bundeskriminalamt. Dann werden Sie von ihnen hören, dass gewisse Straftaten - das betrifft auch Pornografiehändler - nicht aufgeklärt werden können, weil sie eben die Nutzungsdaten nicht haben.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Mir geht es um Opferschutz und nicht um Täterschutz. Aus diesem Grund bin ich dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung so gestaltet wird.
Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Limburg, ich möchte eines gern noch einmal ganz deutlich sagen: Mir geht es nicht um eine Vorratsdatenspeicherung nach Belieben, nach Gutsherrenart oder wie immer Sie das eben gemeint haben, sondern mir ist wichtig - das habe ich bei der ersten Beratung des Antrages hier im Plenum deutlich gesagt -, dass genau bei den Personen, für die es wichtig ist, dass Daten nicht weitergegeben werden können, ein absolutes Übermittlungsverbot besteht. Das sind u. a. auch genau die Bereiche, die Sie eben angesprochen haben.
Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hat mit wem wie lange telefoniert? Wer hat an wen eine SMS oder eine Mail verschickt? Wer hat wann und wie oft welche Seiten im Internet aufgerufen? - Dieses Verhalten, meine Damen und Herren, ist erst einmal grundsätzlich privat und geht eigentlich niemanden etwas an.
Wenn aber über das Internet Verbrechen geplant und sogar ausgeführt, wenn über das Internet Botschaften islamistischer Terroristen verbreitet werden, wenn Pädophile Seiten mit kinderpornografischen Inhalten ins Netz stellen oder sich solche Seiten ansehen, um nur einiges Wenige zu benennen, dann geht das die Strafermittlungsbehörden sehr wohl etwas an.
Dann müssen die Behörden auch die Möglichkeit haben, die zur Aufklärung dringend benötigten Daten in engen Grenzen nutzen zu können. Wir befinden uns dann in dem Spannungsfeld zwischen den schützenswerten Rechten Einzelner auf informationelle Selbstbestimmung und Achtung der Privatsphäre einerseits und den berechtigten Interessen der Opfer und der Strafverfolgungsbehörden an der Aufklärung von Verbrechen andererseits.
Nein. - Meines Erachtens liegt es doch auch im Interesse aller redlich handelnden Menschen, vor strafrechtlichem Verhalten Dritter auch im Internet geschützt zu werden.
So, wie es heute selbstverständlich ist, dass in einem Ermittlungsverfahren Akten unter ganz bestimmten Voraussetzungen beschlagnahmt werden dürfen, so muss es doch vor dem Hintergrund rasant ansteigender Internetkriminalität genauso möglich sein, innerhalb bestimmter, genau definierter Grenzen und Voraussetzungen auf erforderliche Telekommunikationsdaten zurückgreifen zu können. Bevor aber Daten überhaupt verwertet werden können, müssen sie erst einmal vorhanden sein, d. h. gespeichert sein. Ohne Speicherung keine Daten, und ohne Daten keine Zugriffsmöglichkeiten.
In Deutschland werden seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2010 keine Telekommunikationsverkehrsdaten mehr gespeichert mit der Folge, dass den Strafverfolgungsbehörden wegen dieser Regelungslücke in vielen Fällen die Arbeit nicht nur erschwert, sondern in Teilen sogar unmöglich gemacht wird. Meine Damen und Herren, das ist meines Erachtens nicht mehr länger hinzunehmen. Deshalb ist vom Bund gesetzlich festzulegen, wann, wie und in welchem Umfang der Staat auf Telefon- oder Internetdaten zurückgreifen darf.
Mit Ihrem Antrag zur Vorratsdatenspeicherung zeigen Sie selber ein Dilemma auf, in dem Sie sich befinden. Auf der einen Seite fordern Sie unter Nr. 2 die Landesregierung auf, beim Bund initiativ
zu werden, um die EU-Richtlinie zu ändern, auf der anderen Seite fordern Sie unter Nr. 1 von der Landesregierung eine Bundesratsinitiative, eine Neuregelung der Datenspeicherung auf Basis eben dieser EU-Richtlinie zu erreichen. Denn es ist letztendlich die EU - das muss man wissen -, die ihre Mitgliedstaaten verpflichtet hat, einen Großdatenspeicher anzulegen.
Der Bund hatte die Richtlinie der EU von 2006 bereits umgesetzt. Die von der Großen Koalition von CDU und SPD ausgestaltete Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht aber im März 2010 für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt.
Allgemein!
Damit ist der Bund gefordert, wenn er sich nicht einem Vertragsverletzungsverfahren aussetzen will, die Speicherung und die Nutzung von Telekommunikationsdaten nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts neu zu regeln. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Ich hoffe, dass sich die Bundesregierung hier auf eine gemeinsame Linie verständigt.
Wenn man die bisherige Diskussion - auch die Diskussion hier im Parlament - verfolgt, dann sieht man, wie sensibel dieser Bereich ist. In einer guten Koalition ist es durchaus möglich, dass die beiden Koalitionäre unterschiedliche Auffassungen zu einem Punkt haben.
Und dann machen wir das, was wir immer machen: Wir reden darüber und versuchen, uns auf einen Weg zu verständigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in engen Grenzen für zulässig erklärt, hat aber deutlich gemacht, dass die Speicherung von Daten praktisch von jedem Bürger und jeder Bürgerin die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile ermöglicht. Gerade deshalb ist ein sorgfältiges Abwägen zwischen der Wahrung der Persönlichkeitsinteressen und der Privatsphäre des Einzelnen und den Interessen der Sicherheitsbehörden an der erfolgreichen Verbrechensbekämpfung besonders wichtig.
Selbstverständlich begrüße ich den Vorstoß unserer Minister Busemann und Schünemann. Sie haben nämlich die Dringlichkeit einer gesetzlichen Neuregelung auf Bundesebene deutlich gemacht. Die bisher vorliegenden Vorschläge befassen sich natürlich damit, wie man gespeicherte Daten im Bereich schwerster Kriminalität verwenden kann, wie es bei der Datensicherheit, der Zugriffsermächtigung und der Speicherdauer zugeht und wie wir uns zum Richtervorbehalt verhalten.
Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, haben sich in Ihrem Antrag sehr stark an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Ich denke, wenn wir im Ausschuss diesen Antrag beraten, dann sollten wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein bisschen näher unter die Lupe nehmen und genauer heranziehen und genau diese Bereiche abwägen: Wahrung der Interessen des Einzelnen auf der einen Seite und Sicherheitsaspekte auf der anderen Seite. Ich meine, dass wir nur dann zu einer guten, verfassungskonformen Regelung kommen, wenn alles im Blick behalten wird und wenn die Dinge, die für die Opfer von Belang sind, mit im Vordergrund stehen.
Schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund Ihrer klaren Positionierung zur elektronischen Fußfessel und vor dem Hintergrund Ihrer deutlichen Aussage zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern frage ich Sie: Wie soll mit sogenannten Altfällen umgegangen werden, und welche Maßnahmen sind konkret geplant?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Gesetzentwurf möchten Sie erreichen, dass Mitglieder der Landesregierung nicht mehr zeitgleich ihr Mandat als Landtagsabgeordnete wahrnehmen dürfen. Stattdessen soll für die Dauer der Ausübung des Regierungsamtes das Landtagsmandat ruhen und ein Nachrücker über die Liste der jeweiligen Partei zum Zuge kommen.
Im Wesentlichen berufen Sie sich hierfür auf die Verfassungen der beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die die Trennung von Mandat und Regierungsamt vorsehen, ohne dass Sie aber die Historie und die Besonderheiten der Parlamente dieser Stadtstaaten berücksichtigt haben.
Ihre Überlegungen zur Vermeidung von Ämtervereinigungen werden nicht zum ersten Mal in parlamentarischen Debatten von Ihnen aufgeworfen oder unter Verfassungsrechtlern diskutiert. Grundsätzlich, denke ich, dürften beide Varianten - die Vereinbarkeit wie die Unvereinbarkeit von Amt und Abgeordnetentätigkeit - verfassungskonform sein.
Für beide Standpunkte gibt es gute Argumente. Für Ihre Position spricht zum einen sicherlich die Gewaltenteilung, nämlich Legislative - Parlament - und Exekutive - Regierung - strikt voneinander zu trennen. Schließlich schreiben unser Grundgesetz und die Landesverfassung die Gewaltenteilung fest.
Zum anderen dürfte auch die Tatsache, dass jeder Minister oder jede Ministerin als Teil des Kollegialorgans Kabinett der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten unterliegt, in Einzelfällen durchaus ein Spannungsverhältnis des Ministers zur Ausübung seines Mandates zur Folge haben.
Aber auch für die Beibehaltung des jetzigen Systems gibt es gewichtige Gründe. Weil es heute um die erste Beratung geht, möchte ich hier im Wesentlichen drei Punkte aufgreifen.
Erstens. Schon 1977 hat der Hessische Staatsgerichtshof ausgeführt, dass der Sinn des Gewaltenteilungsprinzips - hierauf kommt es ja an - nicht die scharfe Trennung der Funktion der Staatsgewalt, sondern ihre Begrenzung und gegenseitige Kontrolle ist. Gewisse Grenzüberschreitungen seien rechtlich zulässig, solange nicht eine Gewalt gestaltend in die andere hineingreift. Die gleichzeitige Ausübung von Mandat und Regierungsamt ermögliche den Mehrheitsfraktionen aber nach wie vor besondere Einflussnahme, Kontrolle und Kritik der Regierung.
Zweitens. Bisher waren die Regierungsmitglieder in Niedersachsen regelmäßig mehrheitlich auch Landtagsabgeordnete. Es handelt sich erkennbar um historisch gewachsenes Verfassungsgewohnheitsrecht, das seinen Ursprung in der Weimarer Zeit hat und Element der modernen parlamentarischen Demokratie westeuropäischer Prägung ist. Unser Parlamentssystem setzt gewohnheitsrechtlich die Ämtervereinigung als Selbstverständlichkeit voraus. Das hat sich bewährt, und, sehr geehrter Herr Limburg, es funktioniert auch.
Drittens. Die Ämtervereinigung steigert die Intensität der Verantwortlichkeit gegenüber den Mehrheitsfraktionen. Sie stärkt den Kontakt zwischen den Regierungsmitgliedern und den sie tragenden Mehrheitsfraktionen.
Nun komme ich zum zweiten Punkt Ihres Gesetzesvorhabens. Weiter schlagen Sie die Einführung des ruhenden Mandats durch die Änderung des Landeswahlgesetzes vor. Das sehe ich verfassungsrechtlich als durchaus problematisch an. De facto bedeutet Ihr Vorschlag, dass ein Regierungsmitglied bei Ausscheiden aus der Regierung unter Verdrängung des inzwischen nachgerückten Listenbewerbers wieder in sein Landtagsmandat eintreten kann. Meines Erachtens kann man auf sein Landtagsmandat nur ganz, aber nicht zeitweilig verzichten.
Stellen Sie sich das Ruhen eines Mandats in der Praxis vor. Das Mandat ruht, ein Listenbewerber rückt nach, der sein Mandat allerdings sofort wieder verliert, sobald derjenige, für den er nachgerückt ist, sein Mandat wieder aufleben lässt. Nach unserer Verfassung ist sein Status geschützt,
wenn ein Bewerber - das ist das Entscheidende - es direkt oder über die Liste errungen hat.
Für die Dauer der Wahlperiode kann er sein Mandat ausüben und hat die ihn von der Wählerschaft übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Begrenzt wird diese Aufgabenwahrnehmung nur durch den Ablauf der Wahlperiode, die Selbstauflösung des Parlaments oder durch die Mandatsfreiheit.
Sie aber, liebe Kollegen von den Grünen, wollen das Landeswahlgesetz ändern und dadurch den möglichen Verlust des Abgeordnetenmandats des Nachrückers im Prinzip in die Beliebigkeit der Erklärung des Ausgeschiedenen stellen; denn es ist nach seinem Ausscheiden aus dem Regierungsamt in seine Entscheidung gelegt, wieder in das Parlament einzutreten. Sie selbst schreiben nichts dazu, aber derjenige, der aus einem Ministeramt ausgeschieden ist, müsste ja erklären, ob er das ruhende Mandat wieder aufleben lassen möchte.
Überspitzt formuliert - bei allem Respekt vor Ihrer Position -: Wollen wir ernsthaft unser Wahlrecht so vergewaltigen, dass es nicht mehr den Wählern, sondern den Gewählten überlassen bleibt, wie sich das Parlament künftig zusammensetzt? - Diese Regelung könnte sowohl gegen die Unmittelbarkeit als auch gegen die Gleichheit der Wahl als auch gegen die Freiheit des Mandats des Abgeordneten verstoßen. Der Hessische Staatsgerichtshof hat bereits die Verfassungswidrigkeit einer ähnlichen Regelung in Hessen festgestellt.
So viel zur rechtlichen Komponente.
Wir sollten aber auch die menschliche Seite nicht vergessen. Für den Nachgerückten ist diese Situation, diese Form des Nachrückens doch ein untragbarer Zustand. Anders als in Hamburg oder zukünftig in Bremen üben wir unser Mandat hauptberuflich aus. Sie erwarten von dem Nachrücker, der das Mandat angenommen hat, im Prinzip die Einnahme einer Platzhalterposition.
Ich bin der Meinung, dass wir mit Verfassungsänderungen sehr behutsam umgehen müssen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es in allen Flächenländern aus gutem Grund keine Unvereinbarkeit von Mandat und Regierungsamt. Wir sollten die Verfassung möglichst nur dann ändern, wenn auch Veranlassung hierzu besteht.
Sich aufdrängenden Handlungsbedarf bei einer Frage von so grundsätzlicher Bedeutung kann ich - ohne der Debatte in den Ausschüssen vorgreifen zu wollen - gegenwärtig aber nicht erkennen.