Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl wir zu später Stunde diskutieren, geht es bei dem Ausbau der Massentierhaltung in Niedersachsen um ein immer mehr Bürgerinnen und Bürger bewegendes Thema. Nachdem eine große Koalition aus CDU, FDP und leider auch SPD die Genehmigungsvoraussetzungen für solche industriellen Agrarfabriken in den letzten Jahren deutlich abgeschwächt hat und gleichzeitig auch noch die
Exportsubventionen für Hähnchenfleisch gestiegen sind, erleben wir einen politisch geförderten Stallbauboom. Nach Auskunft der Landesregierung lagen in Niedersachsen allein im Januar 2010 Bauanträge für 305 Hühnerfabriken mit 13 Millionen Tieren vor.
Dabei hat Deutschland den Selbstversorgungsgrad mit Hähnchenfleisch schon erreicht oder sogar überschritten. Deshalb soll es nach Herrn Staatssekretär Ripke bei diesem Boom auch um die Erschließung von Exportmärkten gehen. Das wird nur mit erheblichen Subventionen, also mit Steuergeld, gehen. Wir reden immer wieder darüber, wo man kürzen könnte. Da fallen einem auch die Agrarsubventionen ein, die etwa die Lufthansa dafür bekommt, dass an Bord billiges Hähnchenfleisch verzehrt und damit außerhalb der EU exportiert wird. Sie wissen, Exportsubventionen sind ein perverses System, das die Märkte und die Eigenproduktion in den Entwicklungsländern zerstört und die Bauern dort zur Landflucht treibt. Deshalb lehnen auch alle kirchlichen Entwicklungsorganisationen diese Exportsubventionen als fatal ab.
Sie wissen um die Folgen dieses Booms. Es geht um genmanipuliertes Futter aus Südamerika, das dort extrem klimaschädlich produziert wird. Für unser billiges Fleisch werden dort Regenwälder abgebrannt und gigantische Moore trockengelegt. Auch das sind Folgen des von CDU und FDP politisch gewollten Ausbaus der Massentierhaltung.
Mit unserem Antrag wollen wir den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte gegen Agrarfabriken geben. Wir wollen etwa eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, die nicht erst bei 40 000 Masthühnern einsetzt, da die Kapazität der meisten Ställe knapp unter dieser Grenze liegt. Wir wollen eine frühere Umweltprüfung, und wir wollen nicht, dass - wie es die Landesregierung versucht hat - mit einem Erlass zur fiktiven Waldumwandlung sogar erlaubt wird, dass Ställe direkt an Wäldern gebaut werden, obwohl sie diese mit Ammoniak schwer schädigen können.
Bei der Anhörung im Agrarausschuss haben - ich glaube, zur Überraschung der rechten Seite des Hauses - auch die Kommunen Teile unserer Forderungen unterstützt. So hat auch der Städte- und Gemeindebund eine Einschränkung der Privilegie
rung industrieller Mastanlagen gefordert, um wieder Planungshoheit für das kommunale Gebiet zu gewinnen.
Es gibt ganz viele Beispiele in Niedersachsen, wo sich Bürgerinitiativen wehren, z. B. Bad Iburg. In Bad Münder wehrt sich ein ganzer Rat gegen solche Agrarfabriken. Dabei ist vielleicht interessant, dass der CDU-Chef von Bad Münder Herr Gert Hahne ist, der Pressesprecher von Frau Grotelüschen.
Deshalb möchte ich gerne zitieren, was in der Deister-Weser-Zeitung vom 8. Juni 2010 stand. Der CDU-Fraktionschef von Bad Münder regt sich über die Mastanlagen auf:
„‚Die erlaubten Flächen in einer Größe von einem Blatt Schreibpapier verhindern, dass sich die Hähnchen gesund entwickeln’ … Den Mast-Tieren sei das Sättigungsgefühl weggezüchtet worden, damit sie innerhalb von nur 35 Tagen mehr als das 35-Fache ihres Körpergewichtes zulegen. ‚Die Folge: Ein Viertel der Tiere kann am Ende der Mast kaum … laufen, … zwei bis fünf Prozent sterben qualvoll’“,
„Er fordert daher, die Turbo-Mast einzudämmen. … ‚Die Tiere sollen in kleinen Gruppen mit genügend Auslauf gehalten werden, wo sie Platz zum Scharren und zur Körperpflege haben.’“
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sollten mehr auf die Basis hören. Es gibt viele Beispiele. In Winsen sind zwei CDU-Ratsmitglieder wegen Ihrer Unterstützung des Riesenschlachthofs zu den Grünen gewechselt. In Polle sind wir, wie Sie wissen, stärkste Partei geworden. Wenn Sie diese „Hähnchen-Highways“ weiter so unterstützen, dann - das kann ich Ihnen versprechen - wird es zur Kommunalwahl in Niedersachsen einen heißen Herbst geben. Denn dann wird Ihnen die Bevölkerung die Quittung dafür geben, dass Sie
Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Oesterhelweg für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun war er wieder einmal unterwegs, dieser strahlende Ritter gegen die Massentierhaltung hier in Niedersachsen.
Das war wieder eine beeindruckende Sache. Das muss ich wirklich sagen. Hut ab! Wir haben uns wieder köstlich amüsiert. Nur ist es mit dem strahlenden Ritter leider nicht so weit her.
Stellen Sie sich einen kalten Winterabend vor! Es ist Donnerstag, der 18. Februar. Nach einer anstrengenden Plenarsitzung sitzen einige Kollegen in der „Klickmühle“ hier um die Ecke, um sich ein bisschen von den anstrengenden Beratungen zu erholen. Wir saßen dort, und nebenan nahmen einige Kollegen der Grünen Platz: Herr Meyer, Herr Briese und Herr Limburg; Frau Polat war, glaube ich, auch dabei. Was mich wirklich beeindruckt hat und was mir im Gedächtnis geblieben ist: Herr Meyer unternahm - das finde ich toll - einen Selbstversuch. Er aß keinen Salat, er aß nichts Ökologisches, er aß einen ordentlichen Kanzlerteller: Currywurst mit Pommes.
Meine Damen und Herren, man sollte wirklich nicht glauben, mit was für einer Scheinheiligkeit sich bestimmte Leute in dieses Parlament stellen, um Stimmung zu machen in diesem Lande.
Oder war es vielleicht wirklich nur ein Selbstversuch? Denn als er sah, dass wir ihn gesehen hatten, war er noch blasser als sonst. - Ich weiß es nicht. Vielleicht kriegen wir darauf eine kurze Antwort.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das waren aber richtig gute Argumente!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oesterhelweg, wenn man Sie hier im Plenum erlebt, überrascht es eigentlich nicht, dass Sie es schaffen, um 18.37 Uhr einen Tiefpunkt der Debatte zu erreichen und bisherige Tiefpunkte zu unterbieten.
Wir haben hier eine Debatte über die Frage, wie wir uns Fleischproduktion, Hähnchenhaltung und andere Sachen in Niedersachsen vorstellen.
Da haben Sie nichts Besseres zu tun, als aus dem privaten Bereich Ihrer Abgeordnetenkollegen zu berichten.
Sie haben recht: Wir essen gelegentlich Fleisch. Sie werden in keinem unserer Anträge finden, dass wir den Niedersächsischen Landtag auffordern, kein Fleisch mehr zu essen. Herr Kollege Oesterhelweg, das würde vielen Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion sehr schwer fallen. Sie würden in einem solchen Fall in echte Überlebensprobleme kommen.
Es geht vielmehr darum, dass wir in Niedersachsen Politik machen, die strukturell verhindert, dass Fleisch aus Massenproduktion kommt. Das, meine Damen und Herren, ist die politische Forderung.
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD - Clemens Große Macke [CDU] und Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Was ist denn Massenproduktion?)
Herr Kollege Oesterhelweg, die Bundesregierung, die auch von Ihrer Partei getragen wird, hat gerade beschlossen, eine Flugverkehrsabgabe einzuführen, die u. a. eine ökologische Lenkungswirkung haben und die Anzahl der Flüge reduzieren soll. Ich frage Sie, Herr Oesterhelweg, ob Sie ernsthaft der Auffassung sind, dass als Konsequenz daraus alle Mitglieder der Bundesregierung sämtliche Flüge einstellen sollten? - Das Niveau, auf dem Sie diskutieren, ist doch Unsinn.
Wir als politische Entscheidungsträger sollten uns über politische Rahmenbedingungen Gedanken machen und nicht darüber, wie wir hier einzelne Kollegen mit Klein-Klein aus dem Privatbereich diffamieren können.
Ein Letztes noch, Herr Kollege Oesterhelweg: Von jemandem, der wie Sie permanent das Auto benutzt, der permanent Fleisch und andere Dinge in Massen konsumiert, muss ich, der ich einen ökologischen Fußabdruck habe, der - - -
Danke schön, Herr Limburg. Den Schluss Ihres Satzes konnte ich nicht mehr verstehen, weil ich das Mikrofon abgeschaltet hatte. Ich hoffe, Sie haben nichts Ordnungsrufverdächtiges gesagt.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wehe, wenn wir dich beim Hähnchenessen erwi- schen! Dann gibt es aber Zoff!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon bemerkenswert, wenn der Vorsitzende des Agrarausschusses sich hier zu solchen Aussagen versteigt. Das war überflüssig, inhaltlich unterirdisch und absolut daneben.