Deshalb abschließend noch einmal: Da der Bundesregierung nun eine konkrete Anfrage der US-Regierung zur Aufnahme einiger Personen vorliegt, ist der Zeitpunkt für eine verantwortungsvolle Entscheidung im Sinne der Menschenrechte und der Bündnispartnerschaft gekommen. Die solidarische Prüfung der Bundesregierung zur Aufnahme von als nicht gefährlich eingestuften Personen aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen auf der Grundlage des § 22 des Aufenthaltsgesetzes würden wir daher begrüßen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, hat von seiner Vorgängerregierung als Erbe das Gefangenenlager Guantanamo übernehmen müssen, ein Erbe, das das Ansehen der USA natürlich belastet hat. Präsident Obama hat am 22. Januar 2009 angeordnet, alle Insassen des Gefängnisses von Guantanamo überprüfen zu lassen, um eine zeitnahe Schließung zu erreichen. Die Errichtung des Lagers ist nach dem ungeheuren Terroranschlag auf das World Trade Center, wie wir es zuvor noch nie erlebt hatten, eine Angelegenheit der USA gewesen, wohl allerdings eine Verirrung der Regierung Bush, wie man aus rechtsstaatlicher Sicht sagen muss.
Daher ist die Abwicklung des Lagers ebenfalls grundsätzlich Angelegenheit der USA. Die USA sind derart groß, und die Möglichkeiten sind derartig vielfältig, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass die USA diese Probleme weitgehend im eigenen Land lösen können. Wenn man dem Gedanken der Aufnahme einiger weniger Häftlinge nähertreten will, ist allerdings ein Verfahren einzuhalten. In § 22 des Aufenthaltsgesetzes steht, dass
der Bundesinnenminister die Situation in Bezug auf die Einzelnen, die aufgenommen werden sollen, sehr konkret zu prüfen hat. Er wird dies dann sicherlich auch mit den Landesinnenministern abstimmen. Unserem Innenminister bin ich daher sehr dankbar, dass er gegenüber dem Focus auf diesen Umstand unmissverständlich hingewiesen hat.
Es ist auch gut, dass das so im Gesetz steht; denn die Länder müssen für die Sicherheit der Bürger einstehen. Sie müssen die Gefährlichkeit desjenigen, der hineingelassen werden soll, prognostizieren, eine Bewertung vornehmen und die Verantwortung übernehmen.
Nun zu der Gefahr, die von diesen Menschen ausgehen kann, wenn man die nicht mehr tatverdächtigen Gefangenen aufnimmt: „Nicht mehr tatverdächtig“ klingt so, als seien die Ermittlungen über die Tat abgeschlossen, und es habe sich herausgestellt, dass die Person mit der Tat zu Unrecht in Verbindung gebracht worden ist. So liegt der Fall vielfach aber leider nicht. Im Einzelfall werden die Innenminister eine Gefahrenprognose abgeben müssen.
Aus dem Gefangenenlager in Guantanamo wurden bereits Häftlinge entlassen. Wie waren die Erfahrungen mit den aus Guantanamo entlassenen Häftlingen? Amerikanische Sicherheitsbehörden meldeten im letzten Jahr, dass von den entlassenen Häftlingen mindestens 18, vielleicht sogar bis zu 61 in das Lager von El Kaida zurückgekehrt sind und den Kampf gegen die USA und andere wieder aufgenommen haben.
Daher hat auch der Berliner Innensenator Körting, der bekanntlich Mitglied der SPD ist, wörtlich erklärt: Ich habe jedenfalls keine Lust, von diesen Leuten auch nur einen einzigen nach Deutschland zu holen.
Er begründet das auch, und zwar damit, dass er sagt: Guantanamo-Häftlinge sind keine TrekkingTouristen, die irgendwo aufgegriffen und widerrechtlich in ein Gefangenenlager transportiert wurden.
Ich will das gar nicht so pauschal sagen, wie er das hier abgelehnt hat. Wir haben in Niedersachsen aber Probleme mit Gefährdern, die in Deutsch
land leben; mit Deutschen, die in Lager gegangen sind, um sich dort ausbilden zu lassen, und jetzt bekanntermaßen wieder in Deutschland leben. Die Gefährder, die wir als solche erkannt haben, müssen praktisch rund um die Uhr beobachtet werden.
Daher bin ich dem Innenministerium auch dankbar für die deutlichen Aussagen im Verfassungsschutzbericht und in dem Bericht zu den politisch motivierten Straftaten. Nehmen Sie die in diesen Berichten dargestellte deutliche Gefahr, die von islamistischem Terrorismus ausgeht, bitte ernst.
Deswegen sind wir nicht gut beraten, die Zahl der Gefährder in Deutschland mutwillig zu erhöhen. Die Sicherheit der Menschen hier im Lande hat Vorrang. Nur wenn zweifelsfrei feststeht, dass von einem Betroffenen keine Gefahr ausgeht, und es Gründe für seine Aufnahme in Deutschland gibt, kann man natürlich ganz konkret darüber sprechen.
Dies setzt voraus, dass ein ganz konkretes Aufnahmeersuchen der USA vorliegt und dass der Einzelfall geprüft ist. Die Sicherheit der Menschen hier im Lande hat absoluten Vorrang.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde zum Thema Guantanamo gibt mir die Gelegenheit, unsere Position, die sich durch die aktuelle Diskussion und übrigens auch in der Oppositionsrolle nicht verändert hat, noch einmal deutlich zu machen, aber vor allem der interessierten Öffentlichkeit noch einmal vor Augen zu führen, wie leichtsinnig und unprofessionell sich in einer so hoch sensiblen Frage der niedersächsische Innenminister Herr Schünemann verhält,
während der Ministerpräsident Herr Wulff wieder einmal schweigt, das Problem aussitzt und das Ganze einfach laufen lässt.
Um die Öffentlichkeit in dieser Frage nicht weiter zu verunsichern, wäre es höchste Zeit, den Innenminister Herrn Schünemann in seine Schranken zu weisen.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Reinhold Coenen [CDU]: Was? - Kreszentia Flauger [LINKE]: Oder auszuwechseln! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass wir uns in diesem Haus in der grundsätzlichen Haltung darüber einig sind, dass das Gefangenenlager in Guantanamo geschlossen werden muss. Das System Guantanamo war und ist falsch. Es stand und steht im Widerspruch zu den einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Zu dem Lager in Guantanamo selbst könnte ich noch vieles ausführen. Das haben meine Vorredner aber, wie ich finde, sehr treffend getan. Sie alle kennen die internationale Kritik an dem Lager. Von Menschenrechtsgruppen wird es häufig auch als juristisches schwarzes Loch bezeichnet. Das Gefangenenlager ist zum Synonym für den Exzess im Kampf gegen den internationalen Terrorismus geworden.
Meine Damen und Herren, jahrelang haben auch wir, haben Politikerinnen und Politiker aller Couleur lauthals die Auflösung des Lagers gefordert.
Die SPD ist von Anfang an energisch für die Schließung dieses Gefangenenlagers eingetreten. Wir haben immer betont, dass auch durch den Kampf gegen den internationalen Terrorismus demokratische Werte, rechtsstaatliche Errungenschaften und das Völkerrecht nicht ausgehöhlt werden dürfen.
Frau Kollegin, bitte unterbrechen Sie kurz. Die Unruhe ist zu stark - allerdings auch in Ihrer eigenen Fraktion; jedenfalls bis eben.
Dabei ist völlig unstrittig, dass die politische und rechtliche Verantwortung für die Gefangenen zunächst einmal bei den USA liegt. Dennoch muss Deutschland, wie es auch die Bundeskanzlerin
Die Schließung des Gefangenenlagers war eines der zentralen Wahlversprechen des USPräsidenten und ist von der Weltöffentlichkeit mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen worden. Wie wir heute wissen, wirft die Schließung allerdings eine Vielzahl komplizierter Fragen auf - insbesondere, wie die Gefangenen im Zuge der Schließung aus der Haft entlassen werden. In einigen Fällen können diese Häftlinge weder in den USA bleiben noch in ihre Heimatstaaten zurückkehren, weil ihnen dort Verfolgung oder Folter droht. Insofern begrüßen wir die Bereitschaft der Bundesregierung, in Kontinuität zur vorherigen Regierung grundsätzlich und unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu helfen.
Meine Damen und Herren, wir müssen konstruktiv prüfen dürfen, ob und wie wir den Amerikanern im internationalen und europäischen Rahmen entgegenkommen können. Die Schließung des Lagers darf dabei nicht an der Frage der Aufnahme entlassener Lagerinsassen in Drittstaaten scheitern. Länder wie Italien, Spanien und Portugal sind bereits genannt worden. Ich will noch ausdrücklich hinzufügen: Die Bermudas und Palau haben bereits Häftlinge aufgenommen oder sind bereit dazu.
Meine Damen und Herren, was wir zurzeit in der CDU erleben, ist aber mehr als beschämend. Und immer vorneweg der niedersächsische Innenminister!
Wie es aus dem Bundesinnenministerium heißt, werden zurzeit Einzelfälle geprüft; die Gespräche seien zwischen dem Bundesinnenministerium, dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt abgestimmt. Bei den infrage kommenden Häftlingen soll es sich nach Zeitungsberichten um einen Palästinenser, einen Jordanier und einen Syrer handeln, also um drei konkrete Fälle.
Diese sorgfältige, aber auch wohlwollende Prüfung, einige wenige Häftlinge in Deutschland aufzunehmen, sollten wir zunächst einmal abwarten - auch Sie, Herr Innenminister Schünemann. Klar ist: Die Aufnahme der Häftlinge muss verantwortbar sein; da bin ich bei Ihnen, Herr Rolfes. Bei jedem Einzelnen müssen alle Sicherheitsbedenken geprüft und ausgeräumt werden.
Sie aber, Herr Innenminister, erweisen nicht nur Ihren Parteifreunden in Berlin, sondern auch der Sache insgesamt einen Bärendienst, wenn Sie schon weit im Vorfeld die Aufnahme kategorisch ablehnen.
Anstatt in einem so hoch sensiblen Thema die Füße vielleicht ein bisschen stillzuhalten, versuchen Sie sich auch in dieser Frage durch öffentliche Äußerungen zu profilieren und nehmen dabei die Verunsicherung der Bevölkerung in Kauf.
Wie scheinheilig die von Ihnen in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken sind, lässt sich wunderbar an dem Fall Murat Kurnaz verdeutlichen. Sie erinnern sich vielleicht: Damals waren Sie von der Union es, die der SPD vorgeworfen haben, wir hätten den Mann dort viel zu lange im Stich gelassen und sitzen lassen.
Selbstverständlich. - Lassen Sie diese Spielchen also bitte sein. Wenn es bei solchen hoch sensiblen Vorgängen mangelnde Abstimmung und null Informationen gibt, dann sollten Sie das intern klären. Aber gestehen Sie aus humanitären wie auch aus menschenrechtlichen Gründen einer ernsthaften Prüfung die erforderliche Zeit zu, und verschließen Sie sich einer Aufnahme der Häftlinge nicht kategorisch.