Hierzu liegen gleichlautende Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD vor. Sie lauten auf Berücksichtigung. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Zweite war die Mehrheit. Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Sie lautet auf Sach- und Rechtslage. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.
Erste Beratung: Besseres BAföG für viele anstatt ungerechtes Stipendienprogramm für eine Elite! - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2401
Ich gehe davon aus, dass Herr Perli den Antrag einbringen möchte. Ist das richtig? - Bitte schön, Herr Perli, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat vor acht Tagen eine Reform der Studienfinanzierung auf den Weg gebracht, der sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat noch zustimmen müssen. Wir begrüßen zunächst ausdrücklich, dass zusätzliches Geld zum Ausbau der staatlichen Studienfinanzierung zur Verfügung gestellt wird. Zum einen soll das BAföG leicht angehoben werden. Die Studentinnen und Studenten hätten demnach ab dem kommenden Wintersemester im Schnitt 13 Euro mehr in der Tasche. So weit, so moderat!
Zum anderen hat das Kabinett in Berlin aber entschieden, ein nationales Stipendienprogramm einzuführen, das nicht nach Bedarf, sondern nach Leistung fördert. Die besten 8 % der Studierenden sollen demnach 300 Euro pro Monat bekommen.
Es handelt sich bildungspolitisch um eine völlig falsche Weichenstellung. Finanziert werden soll das Programm zur einen Hälfte von Bund und Ländern und zur anderen Hälfte von spendenfreundlichen Unternehmen. Da Letztere ihre Aufwendungen von der Steuer absetzen können, zahlt der Staat in Wahrheit jedoch wesentlich mehr, gibt aber die Steuerungsmöglichkeiten weitgehend an die Wirtschaft ab - mit fatalen Folgen.
Die Bundesregierung rechnet anfangs mit 160 Millionen Euro an Mehrausgaben durch das Stipendienprogramm, am Ende mit 300 Millionen Euro. Schon mit den anfänglichen 160 Millionen Euro, meine Damen und Herren, könnten wir beim BAföG einen Quantensprung nach vorne machen. Auf Dauer ließe sich damit nach Aussage der GEW ein Ausbau und eine Erhöhung der BAföG-Sätze von deutlich über 10 Prozentpunkten finanzieren. Doch CDU und FDP wollen dieses Geld lieber in ein elitäres Stipendienprogramm investieren, das an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeigeht und bei den Studierenden, bei der Hochschule und bei der Wirtschaft auf deutliche Skepsis stößt.
Mit Blick auf ein Stipendienprogramm gehe ich nicht auf die Frage ein, was die Leistungsstärksten sind und wie man sie finden kann, sondern ich nenne nur die soziale Zusammensetzung der ge
genwärtigen Stipendiatinnen und Stipendiaten, die nach ebensolchen Leistungskriterien von den Begabtenförderungswerken ausgewählt wurden. 72 % dieser bereits heute geförderten Studentinnen und Studenten kommen aus einer mittleren oder hohen sozialen Schicht, lediglich 9 % aus armen Verhältnissen. Das Missverhältnis bei den Stipendiaten ist damit noch eklatanter, als es an den Hochschulen ohnehin gegeben ist; denn hier kommen bekanntlich 59 % der Studierenden aus besseren Verhältnissen und 15 % aus der untersten sozialen Kategorie.
Dies zeigt: Ein leistungsabhängiges Stipendienprogramm für die 8 % der vermeintlich Besten verschärft die soziale Ungleichheit an den Hochschulen.
Dieses Programm stellt eine klassische Klientelpolitik dar. Eine solche Umverteilung, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit.
Das zweite Problem ist die Art und Weise der Finanzierung: 150 Euro sollen monatlich pro Stipendium von der Wirtschaft gezahlt werden. Als Gegenleistung für ihre Zahlung sollen die privaten Mittelgeber aber darüber entscheiden dürfen, für welche Fachrichtung oder welchen Studiengang die Mittel zu verwenden sind. Die Konsequenz ist, dass die wirtschaftsnahen Studiengänge bessere Aussichten auf eine solche Förderung haben als die sogenannten Orchideenfächer, mit denen die Unternehmen weniger anfangen können und die dann die Verlierer sein werden.
Ähnliche Sorgen haben die Hochschulen in strukturschwachen Regionen. Sie werden es nicht nur wesentlich schwerer haben, finanzstarke Sponsoren zu finden, sie werden auch viel weniger Stipendien verteilen können. Aus Brandenburg sollten Ihnen, Frau Wanka, entsprechende Warnungen bekannt sein. Auch in Niedersachsen gibt es solche Disparitäten. Es gilt hier also ebenfalls: Wer bereits jetzt an den Fleischtöpfen sitzt, wird zusätzlich bevorzugt. Das ist eine Feudalisierung der Studienfinanzierung, meine Damen und Herren.
Das dritte Argument verbindet die beiden vorgenannten Punkte: Wer sind die stärksten 8 %, und wie kommt man an das Geld der Wirtschaft? - Sowohl die Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten als auch die Akquise bei der Wirtschaft wird dann an den Hochschulen hängen bleiben. Die Zeit und das Geld, das dann die Hochschulen
dafür investieren müssen - allein in Niedersachsen über 2 Millionen Euro pro Jahr -, können sie für Forschung und Lehre wesentlich besser gebrauchen. Deshalb, Frau Wanka, lassen Sie das nationale Stipendiensystem sein, sorgen Sie dafür, dass die veranschlagten öffentlichen Mittel, dieselben Mittel in das BAföG fließen!
Dadurch kann es gelingen, einerseits zukünftig weit mehr junge Menschen zu erreichen und andererseits die Effektivität um ein Vielfaches zu steigern, weil eine stärkere Unabhängigkeit von anderen Finanzierungsmöglichkeiten erreicht wird. Derzeit erhalten 29 % der Studierenden in Deutschland BAföG in Höhe von durchschnittlich ungefähr 430 Euro im Monat. 81 % von ihnen sagen, dass sie ohne diese Förderung nicht studieren könnten. Hinzu kommt: Je schlechter sich der finanzielle Hintergrund der Studierenden darstellt, desto größer ist die Abhängigkeit von BAföG. Doch selbst für die Studierenden aus der sogenannten sozial niedrigen Herkunftsgruppe macht die BAföGUnterstützung nur ein Drittel des monatlichen Einkommens aus. Das zeigt, dass selbst die Ärmsten unter den Studierenden den Großteil ihres Geldes woanders herholen müssen, und zwar durch das Jobben. Vergessen wir nicht, dass außerdem 77 % der studierfähigen jungen Menschen, die von einem Studium Abstand nehmen, sagen, dass sie das machen, weil sie vor der finanziellen Herausforderung eines Studiums Angst haben! Eine spürbare Steigerung des BAföG - damit meine ich mehr als die versprochenen 13 Euro - führt gleichermaßen zu einer größeren Bereitschaft, ein Studium aufzunehmen, und zu einer Abnahme des Zwangs zu einer Erwerbstätigkeit während des Studiums.
Damit können sich die Studierenden wieder auf das konzentrieren, was eigentlich ihre Kernaufgabe ist, nämlich das Studium. Deshalb, meine Damen und Herren, stärken Sie das Erfolgsmodell BAföG, und lassen Sie die Finger von der Eliteförderung! Setzen Sie sich gegenüber Ihren Länderkolleginnen und -kollegen und gegenüber dem Bund für mehr BAföG ein! Dann kann das traditionelle Stipendienprogramm wieder in die Tonne.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder junge Mensch sollte sich darauf verlassen können, dass eine gute Bildung nicht an finanziellen Hürden scheitert.
Die Realität - das wissen wir - ist leider eine andere. Nicht Talent, nicht Begabung entscheiden in unserer Gesellschaft über Bildungschancen, sondern der Zufall der Geburt. Hat man Glück, in eine Akademikerfamilie hineingeboren zu werden, kann auf dem Weg zur Hochschule nicht viel schiefgehen. Gymnasium, Abitur, Studium - das ist der vorgezeichnete Weg. Anders dagegen der Bildungsweg von Kindern aus Arbeiter- oder Migrantenfamilien. Ihr Weg von der Kita bis zur Uni ist steinig. Überall lauern Bildungshürden, die den Weg verstellen. Schafft es ein Kind trotzdem an die Hochschule, dann steht es wieder vor einer neuen Hürde, den Studiengebühren.
Es muss doch auch Sie, meine Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, nachdenklich stimmen, wenn mehr als ein Drittel der Kinder aus Arbeiterfamilien, die das Abitur trotz Hindernissen geschafft haben, anschließend auf ein Studium verzichten.
In der neuen Sozialerhebung steht es schwarz auf weiß: Studiengebühren belasten vor allem Studierende aus der niedrigen sozialen Herkunftsgruppe. In den einkommensstarken Haushalten zahlen die Eltern die Studiengebühren. Wenn CDU und FDP also behaupten, Studiengebühren schreckten nicht ab, dann stimmt das - allerdings nur für diejenigen, die es sich leisten können.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, was ist mit den anderen, deren Eltern die Gebühren nicht zahlen können? - Generös verweisen Sie dann auf die Kredite der NBank, als ob die Aussicht auf Schuldenberge junge Menschen aus hochschulfernen ärmeren Verhältnissen zum Studium ermutigen könnte. Das Gegenteil ist der Fall, und deshalb gehören Studiengebühren abgeschafft!
Wir setzen hier auf Sie, Frau Ministerin Wanka. Heute Morgen mussten wir das erniedrigende Schauspiel mit ansehen, wie Ihre Kollegin Frau Özkan hier im Parlament zum Kotau gezwungen wurde. Ich hoffe, dass Ihnen der Kniefall erspart bleibt.
Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, wir erwarten nicht nur Ihr Nein zu den Studiengebühren, wir erwarten auch Ihr Nein zum geplanten Stipendiengesetz von Frau Schavan und Herrn Pinkwart.
Das nationale Stipendienprogramm wird nicht einen zusätzlichen jungen Menschen für ein Studium gewinnen, und nichts wird sich an der sozialen Schieflage in unserem Bildungssystem ändern. Im Gegenteil: Herr Perli hat auf die Untersuchung der HIS hingewiesen, was die soziale Herkunft von Stipendiaten betrifft. Um eins klarzustellen: Die SPD hat grundsätzlich nichts gegen Stipendien. Stipendien, welche einen Beitrag zur sozialen Öffnung unserer Hochschulen leisten, werden von uns ausdrücklich begrüßt und sind hochwillkommen. So fordern wir schon lange Stipendien, die Kindern aus Migrationsfamilien die Hochschule öffnen. Herr Wulff, Sie haben uns gestern erzählt, dass Sie mehr für die Integration tun wollen. Hier hätten Sie Gelegenheit, Ihren wohlfeilen Worten Taten folgen zu lassen. Ich fürchte aber, selbst für diese kleine Tat wird es wieder nicht reichen.
Meine Damen und Herren, statt Stipendien als hübsches zusätzliches Taschengeld für die Studierenden zu geben, die bereits abgesichert sind, wollen wir die 300 Millionen Euro in den Ausbau des BAföG investieren. Davon können Studierende profitieren, die die Unterstützung wirklich brauchen. Trotz der letzten BAföG-Erhöhung vor zwei Jahren stagniert die Quote der Geförderten noch immer auf dem Niveau von 2006. Es gibt etwas mehr BAföG, aber leider nicht für mehr Studierende. Die jetzt beschlossene bescheidene BAföGErhöhung wird daran nicht viel ändern. Was wir brauchen, sind also deutlich höhere Freibeträge, damit mehr Studierende gefördert werden können. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
Doch wir brauchen nicht nur ein besseres Studierenden-BAföG. Wir brauchen vor allem ein starkes Schüler-BAföG; denn wir wissen: Selektivität findet nicht erst vor den Toren der Hochschulen, sondern in ganz entscheidendem Umfang bereits innerhalb des gegliederten Schulsystems statt, insbesondere beim Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe I, aber auch - erneut - an der Schwelle zur Sekundarstufe II. Mit einem Schüler-BAföG für Schüler der Sek II könnten gerade Schüler aus einkommensschwächeren Familien ermutigt werden, den Weg zum Abitur zu gehen. Und darum muss es uns gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine Damen und Herren, leider hat Niedersachsen das nationale Stipendienprogramm schon durchgewunken. CDU und FDP - das sehen Sie - geht es nicht um mehr Chancengleichheit. CDU und FDP geht es wieder einmal nur um Klientelpolitik: erst die Subvention für Hotelbetten, jetzt Stipendien für Kinder reicher Eltern. Das sind die Klientelgeschenke von CDU und FDP. - Ohne uns, meine Damen und Herren!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das glaubt doch gar keiner mehr!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Heinen-Kljajić. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die größte Herausforderung in der Hochschulpolitik - darin sind wohl wir alle uns einig - ist die Steigerung der Akademikerquote ist. Da aber bereits 71 % aller Kinder aus Akademikerfamilien ein Studium aufnehmen, jedoch nur 24 % der Kinder aus hochschulfernen Schichten kommen, ist doch klar, wo hier das größte Potenzial brachliegt.