Protocol of the Session on March 18, 2010

„Dass der Kläger die bereits genannten Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung bekämpft und sie beseitigen oder außer Geltung setzen

will, ist den von der Beklagten wiedergegebenen Äußerungen nicht zu entnehmen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Es heißt dann weiter:

„Die Bezugnahme auf eine marxistische Ordnung bedeutet nicht zwingend, dass damit die Kernelemente der grundgesetzlichen Werteordnung außer Kraft gesetzt werden sollen. Der Kläger bezeichnet die kapitalistischen Produktionsverhältnisse als die Ursache aller gesellschaftlichen Missstände. Seine Kritik bezieht sich insoweit insbesondere auf die Wirtschaftsordnung. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz eine bestimmte Wirtschaftsordnung gerade nicht vorschreibt, sondern dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum einräumt.“

Letztlich kommt es zu der Schlussfolgerung, dass die Klage des Jugendverbandes rechtmäßig gewesen ist, dass wir - genauso wie alle anderen Jugendverbände - Anspruch darauf haben, aus öffentlichen Mitteln unterstützt zu werden.

Herr Perli, es ist etwas problematisch, in einer Kurzintervention ein Urteil zu zitieren.

Insofern gibt es bereits Urteile, mit denen die Linke vor Gerichten gegen die Bundesrepublik Deutschland gewonnen hat. Sie wird bald auch gegen die Landesregierung Niedersachsen gewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Briese möchte antworten. Bitte!

Ich kann es kurz machen, Herr Präsident. - Herr Perli, angesichts dieses Urteils, das zeigt, dass Sie mit Ihrer Klage recht hatten, kann ich Sie nur ermuntern, in der Frage der Beobachtung der Linkspartei in Niedersachsen als Partei, Fraktion oder individuell aktiv zu werden, insbesondere wenn Sie

sich durch das Urteil, das sie erwirkt haben, da relativ sicher sind. Wir führen ständig eine Debatte darüber, ob die Beobachtung der Linkspartei in Gänze, also generell, rechtlich geboten oder rechtlich statthaft ist. Das wissen wir nicht. Darum ringen wir politisch. Die Oppositionsparteien haben da alle eine dezidiert eine andere Meinung als die Mehrheitsfraktion oder auch die Landesregierung. Rechtsklarheit bekommen wir in dieser Frage jedenfalls nur, wenn wir ein Gerichtsurteil bekommen.

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Oetjen für die FDP-Fraktion. Bitte!

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für meine Fraktion zunächst feststellen, dass wir Linksextremismus und Rechtsextremismus nicht gleichstellen, weil man sie auch nicht gleichstellen kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Rechtsextremismus wendet sich gegen andere Grundausrichtungen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Linksextremismus.

Zunächst zum Rechtsextremismus. Ich finde es gut, dass wir in diesem Hause die Tradition haben, dass aus der demokratischen Mitte dieses Parlaments Rechtsextremismus in aller Schärfe bekämpft wird. Das war in der Vergangenheit unter der SPD-geführten Landesregierung so, und das ist unter der CDU/FDP-geführten Landesregierung unvermindert fortgeführt worden. Ich sage hier sehr deutlich, weil von einzelnen Abgeordneten manchmal etwas anderes unterstellt wird: Diese Landesregierung aus CDU und FDP ist auf dem rechten Auge nicht blind, sondern wir bekämpfen Rechtsextremismus in aller Schärfe.

Beim Linksextremismus ist die Frage: Wo beginnt das, und wo hört es auf? Ich sage hier deutlich, dass Kapitalismuskritik nicht grundsätzlich verfassungsfeindlich ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wäre ja auch ein Ding! - Zuruf von Olaf Lies [SPD])

- Eben! Das sage ich ja, Kollege Lies. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Die Frage ist allerdings: Kritisiert man die Ausprägungen unserer heutigen Wirtschaftsformen, oder will man mehr? Es ist richtig, dass das Grundgesetz keine Wirtschaftsform vorgibt. Aber, meine Damen und Herren, das Grundgesetz garantiert beispielsweise das Privateigentum. Sehr verehrte Damen und Herren, das Privateigentum zu verteidigen, ist Aufgabe von demokratischen Parteien, die sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlen. CDU und FDP fühlen sich dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. Deswegen verteidigen wir das Privateigentum.

(Zustimmung von Frank Oesterhelweg [CDU])

Wenn wir uns anschauen, wie sich der Sozialismus entwickelt, dann stellen wir fest: Das eine ist das, was als Theorie aufgeschrieben steht, und das andere ist das, was in der Praxis gelebt wird. Ich will gar nicht nach Osteuropa, nach Russland schauen und schildern, welche schrecklichen Formen sozialistische Diktaturen im ehemaligen Ostblock angenommen haben, sondern ich möchte gerne nach Venezuela schauen. Ich weiß, dass viele aus der Linksfraktion gut finden, was in Venezuela passiert. In Venezuela sind Schlüsselindustrien verstaatlicht worden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Banken z. B.!)

Da geht es beispielsweise um die Erdölindustrie. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im ersten Schritt wird die Wirtschaft verstaatlicht. Im zweiten Schritt wird das Denken verstaatlicht.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Billig!)

Das zeigt sich beispielsweise dadurch, dass die Fernsehsender in Venezuela verstaatlicht wurden. Eine nicht mehr pluralistische Medienlandschaft ist eine Ausprägung, die sich unter dem Sozialismus in Venezuela herausbildet.

(Unruhe)

- Angesichts der vielen Gespräche in der SPDFraktion habe ich den Eindruck, dass Ihnen diese Debatte nicht so wichtig ist.

Meine Damen und Herren, Herr Oetjen hat recht. Sie sollten jetzt bitte zuhören; denn es geht um Ihren Antrag. - Danke.

Mir ist wichtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir Extremismus in allen Ausprägungen, ohne ihn gegeneinander aufzuwiegen oder ohne ihn gleichzusetzen, dass wir Rechtsextremismus genauso wie Linksextremismus und auch Extremismus aus Religion heraus in diesem Hause demokratisch bekämpfen. Das ist unsere Aufgabe als Abgeordnete, als Kämpfer für die Demokratie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, niemand sollte der anderen Seite des Hauses unterstellen, nicht gegen Extremismus kämpfen zu wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Perli hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Oetjen, ich muss Sie korrigieren. Sie haben gerade falsche Äußerungen über Venezuela gemacht.

Zum Ersten: Die staatliche Erdölgesellschaft war bereits vor dem Machtantritt durch Hugo Chávez - er ist ja demokratisch gewählt worden - in staatlichen Händen. Das Einzige, was Herr Chávez gemacht hat, ist, dass er die Profite nicht mehr einer kleinen Oligarchie hat zukommen lassen, sondern für Sozialprogramme eingesetzt hat, damit auch die große Mehrheit der Menschen dort, die in Armut lebt, davon profitiert, dass Venezuela Bodenschätze besitzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre zweite falsche Behauptung lautete, dort würde die Presse verstaatlicht. Ich muss darauf hinweisen, dass dort ein staatlicher Fernsehsender ungefähr zwölf privaten Fernsehsendern gegenübersteht und keine staatlichen Zeitungen existieren, wohl aber eine reichliche, private Presselandschaft. Passiert ist dort nach meiner Kenntnis, dass einzelnen Zeitungen die Lizenz entzogen wurde, weil sie dazu aufgerufen hatten, die verfassungsmäßige Ordnung Venezuelas auszuhebeln, um mit Gewalt die Regierung aus dem Amt zu stürzen.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Das sind die alten Methoden, Herr Kollege!)

Das ist wie mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: Wenn hier eine private Zeitung dazu aufrufen würde, gegen die FDGO vorzugehen, dann dürfte sie verboten werden. Das ist nämlich durch die Pressefreiheit nicht gedeckt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Oetjen möchte antworten. Bitte!

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde es entlarvend, dass das System, das in Venezuela herrscht, hier von Herrn Perli in Schutz genommen wird.

(Zustimmung bei der CDU - Wider- spruch bei der LINKEN)

Denn das ist ein System, in dem Hugo Chávez als Präsident versucht, sich mit den Ahmadinedschads und den Diktatoren dieser Welt zu verbrüdern.

(Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!)

Das ist ein System, in dem Millionen in Rüstungsgüter investiert werden.

(Zuruf von Victor Perli [LINKE])