Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war einen Monat vor der Bundestagswahl. Über diesen Antrag ist auch in der Woche vor der Bundestagswahl hier im Plenum diskutiert worden. Terminbedingt - so kann ich mich erinnern - war das damals
eine heftige und sehr emotionale Diskussion. Vor der Bundestagswahl ist das auch gar nicht anders zu erwarten gewesen.
Nach der Wahl sah das aber alles ganz anders aus. Im Ausschuss haben wir diesen Antrag nur einmal behandelt, und zwar am 1. März 2010. Es war klar erkennbar, dass die Motivation der Grünen in Bezug auf diesen Antrag jetzt nach der Wahl deutlich nachgelassen hat.
Damit Sie mich nicht wie so häufig falsch verstehen: Natürlich nimmt die CDU-Landtagsfraktion Radioaktivität ernst. Der Betrieb eines Kernkraftwerkes erfordert sicherlich andere Anforderungen an den Betreiber als der Betrieb eines Solarkraftwerkes. Deshalb stehen Kernkraftwerke auch unter einer ganz besonderen Kontrolle. Das heißt aber nicht, dass bei Kernkraftwerken bei jeder Störung immer gleich Radioaktivität freigesetzt wird.
An dieser Stelle rate ich gerade Ihnen von der linken Seite dieses Hauses zu einer ganz nüchternen Analyse, zu der Sie bei diesem Thema aber leider nie in der Lage sind.
Herr Wenzel, die von Ihnen getroffene Feststellung, dass das Kernkraftwerk Krümmel ganz in der Nähe von Niedersachsen liegt, muss man nicht kommentieren.
Wie nah uns Kernkraftwerke sein können, wissen wir seit Tschernobyl. Die Feststellung, die Sie getroffen haben, gilt damit im Grunde für alle Kernkraftwerke in Deutschland und ist überhaupt nicht Krümmel-spezifisch.
Nicht einverstanden bin ich mit Ihrer Behauptung, dass es im Kernkraftwerk Krümmel Störfälle gegeben hat. Das ist sprachlich und fachlich nicht korrekt. Das wissen Sie auch, Herr Wenzel.
Ich hätte Ihnen nach Ihrer langen Überzeugungstäterschaft gegen die Kernenergie wenigstens einen Rest an seriösem Fachwissen zugetraut, Herr Wenzel.
Seit dem Jahr 2000, also in den letzten zehn Jahren, hat es in Krümmel drei Ereignisse mit einer INES-1-Einstufung gegeben. INES steht für „International Nuclear Event Scale“, also auf Deutsch: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse. Die INES-Skala reicht von 1 bis 7. Ein Ereignis der Stufe 1 ist gekennzeichnet als eine Störung - ich betone: Störung - mit einer Abweichung von den zulässigen Bereichen für den sicheren Betrieb der Anlage - nicht mehr und nicht weniger. Das hat mit Radioaktivität nichts zu tun. Von Störfällen spricht man erst ab der INESStufe 2.
Im letzten Jahr - dies ist vorhin ausgeführt worden - ging es um den Brand eines Transformators. Einen solchen Transformatorbrand - ohne das verharmlosen zu wollen - kann es theoretisch bei jedem Kohle- oder Gaskraftwerk geben. Deshalb stehen diese Transformatoren nicht in der Anlage, sondern außerhalb für den Fall der Fälle.
Dass auch Fotovoltaikanlagen brennen können, haben wir jüngst lernen können. Das TrafoEreignis, meine sehr geehrten Damen und Herren, war weder eine Störung noch ein Störfall. Das Ereignis hatte keine sicherheitstechnische Bedeutung und wurde deshalb als INES-0-Ereignis gemeldet.
Die INES-Einstufung in Krümmel ist nach meiner Erkenntnis vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und auch vom damaligen Bundesumweltminister bestätigt worden. Damals war Sigmar Gabriel, SPD, Bundesumweltminister. Ob der Betreiber, die Firma Vattenfall, über die notwendige und im Atomgesetz geforderte Zuverlässigkeit verfügt, das wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht hier vom Landtag in Niedersachsen beurteilt, sondern von der Aufsichtsbehörde, die zuständig ist. Das ist in Kiel in Schleswig-Holstein das Justizministerium.
Dessen Experten haben zu beurteilen, ob Vattenfall zuverlässig ist oder nicht. Wenn Vattenfall zuverlässig ist, dann dürfen sie Krümmel betreiben. Wenn sie nicht zu verlässig sind, dann wird ihnen die Betriebserlaubnis entzogen. So einfach ist das. Dazu braucht es diesen Antrag nicht.
Ich möchte Ihnen noch etwas zum Thema Leukämie sagen. Das Thema Leukämie ist ein sehr emotionales Thema. Jeder Mensch, der Blutkrebs hat, ist einer zu viel. Jedes Kind, das Leukämie hat, ist eines zu viel. Dies sage ich Ihnen ganz deutlich, auch als Vater von vier Kindern. Aber auch hier bitte ich um Sachlichkeit. In der sogenannten Euroclus-Studie sind Leukämieerkrankungen an Kindern in 17 europäischen Staaten untersucht worden. Dabei sind 240 Leukämiecluster festgestellt worden. Aber nur 4 befanden sich an Standorten von Kernkraftwerken. Ein direkter Zusammenhang zwischen einem Kernkraftwerk und einer Leukämieerkrankung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist damit nicht zu beweisen.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die KinderkrebsStudie unter der Leitung von Professorin Maria Blettner.
Wenn Sie etwas kritisieren wollen, dann ist es die Kommunikationsstrategie der Firma Vattenfall. Diese war in der Tat schlecht. Dafür durfte eine ganze Reihe von Mitarbeitern die Firma verlassen. Akzeptanz für Kernenergie ist nur mit Offenheit und Transparenz zu erreichen. Offenheit und Transparenz war das, was sich die Firma Vattenfall hier geleistet hat, überhaupt nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Ihr Antrag ist sprachlich und fachlich nicht korrekt. Die Atomaufsicht für das Kernkraftwerk Krümmel obliegt dem Justizministerium in Kiel. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte!
angesprochen. Sie haben behauptet, alle Leukämiecluster, die es gibt, müssten etwas mit Atomkraftwerken zu tun haben. Dem ist natürlich nicht so. Es gibt das Cluster in Sittensen. Dort wurde herausgefunden, dass ein kaputtes Röntgengerät die Ursache war. Es gibt aber die KiKK-Studie. Sie belegt eindeutig, dass die Kinderkrebsrate im Umkreis von 5 km um 120 % steigt.
Die Situation in Krümmel ist noch besonders verschärft. Dort haben wir das Leukämiecluster. Inzwischen sind 17 Kinder an Krebs erkrankt und zum Teil verstorben. Wir sagen nicht, dass Krümmel allein dafür verantwortlich ist. Wir sagen aber, dass Krümmel diese Gefahrensituation extrem verschärft und dass es deswegen abgeschaltet werden muss.
Ich selbst wohne ungefähr 13 bis 14 km von Krümmel entfernt in einem kleinen Dorf mit 3 200 Einwohnern. Auch bei uns ist die Krebsrate noch erhöht. Zwei Kinder unter sieben Jahren sind im letzten Jahr an Krebs erkrankt. Der beste Freund meines siebenjährigen Sohnes ist in Eppendorf in der Uniklinik. Wissen Sie, was die Mutter mir erzählt hat? - Sie sagte: Weißt du, wir sind nicht die Einzigen hier. - Es gibt eben noch mehr Fälle aus Scharnebeck.
Ich habe gestern Abend einmal gerechnet. Vom Gefühl hier ist das ja ziemlich viel: zwei Kinder in einem Dorf mit 3 200 Einwohnern. Statistisch gesehen ist das eine Erhöhung des Risikos um das 22-Fache. Ich finde, das ist etwas, was hier im Landtag in Hannover nicht ignoriert werden darf. Sie müssen wirklich einmal die Interessen der Bevölkerung im Nordosten Niedersachsens ernst nehmen!
Weil Frau Staudte insbesondere die regionale Betroffenheit angesprochen hat, möchte ich die kurze Zeit nutzen, dazu als derjenige, der im Landtagswahlkreis, zu dem auch die Samtgemeinde Elbmarsch gehört, von der Bevölkerung direkt gewählt wurde, drei Anmerkungen zu machen.
Erstens glaube ich, Frau Staudte, tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir bei dem Thema Leukämie, gerade Kinderleukämie, eine zugespitzte - man könnte schon fast sagen: polemische - Diskussion führen.
(Zustimmung bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Wie bitte? Das ist nicht Polemik, das ist Statistik!)
Jeder, der Familien kennt, deren Kinder an Leukämie erkrankt sind, findet es eine Katastrophe, was sich dort abspielt und was sich dort ergibt.
Auf der anderen Seite müssen Sie, wenn Sie Zahlen benennen und von der Samtgemeinde Scharnebeck sprechen, auch dazusagen, dass wir in der Samtgemeinde Elbmarsch in den 80er-Jahren und Anfang der 90er-Jahre exorbitant hohe Werte hatten und dass wir in der Samtgemeinde Elbmarsch im Zeitrahmen von 1999 bis 2008 zwei Erkrankungsfälle hatten, nämlich 2001 und 2003. Wenn man diesen Zeitrahmen nimmt und ihn auf den entsprechenden Index bezieht, stellt man fest, dass dort eine Auffälligkeit nicht mehr gegeben ist.
Damit verniedliche ich in keiner Art und Weise das Leid, das dort vorhanden ist. Aber ich finde, wenn wir abgewogen mit den Interessen der Menschen vor Ort umgehen wollen,
dann müssen wir mit den Zahlen, die sowohl Ihnen als auch unseren Kollegen im Fachausschuss vorgestellt worden sind, - - -