Protocol of the Session on March 16, 2010

Die bauliche Hülle ist mittlerweile verschlissen. In der Tat: Dieser Bau ist in die Jahre gekommen, seine Funktionalität kaum noch gewährleistet. Unser Antrag listet unter Nr. 1 die Mängel auf. Ein Nichtstun ist aus Sicht der SPD-Fraktion nicht länger verantwortbar.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich ergänze: Wir stünden im Übrigen besser da, wenn der Landtag der 15. Wahlperiode der Ausschreibung aus dem Jahr 2002 gefolgt wäre und das Konzept des damaligen Preisträgers umgesetzt hätte. 2002 wurde mit einer Bausumme von ungefähr 20 Millionen Euro kalkuliert. Fünf Jahre später bezifferte das Staatliche Baumanagement den Sanierungsbedarf bereits auf 35 Millionen Euro. Heute, 2010, hätten wir kein Verständnis, wenn Abgeordnete dieses Hauses in der Abstimmung diesen Handlungsbedarf verdrängen würden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sagen, was ist - so beginnt Politik. Fraktionsbeschlüsse können Realität bisher nicht außer Kraft setzen. Ich hoffe, das wird auch so bleiben.

Die SPD-Fraktion steht zu ihrer Verantwortung. Wir haben den Architektenwettbewerb konstruktiv begleitet, und uns ist in jeder Phase bedeutet worden, dass rechtliche Risiken nicht bestehen. Wir haben im Dezember 2009 gemeinsam mit CDU und FDP die haushaltstechnischen Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen. Umso erstaunter sind wir nun, meine Damen und Herren, dass der Ministerpräsident seiner Fraktion, insbesondere dem Landtagspräsidenten, derart in die Parade fährt.

(Beifall bei der SPD)

Sein Aufruf zur Bescheidenheit enthält unterschwellig den Vorwurf, der bisherige Prozess sei unbescheiden, ja anmaßend verlaufen. Wer jetzt aber den Wettbewerb abbrechen will, der spart nicht, meine Damen und Herren, sondern der chaotisiert! Ich sage das in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Die Ausgaben für die notwendige Grundsanierung und die Schadensersatzzahlungen aus dem abgebrochenen Wettbewerb würden die veranschlagten Kosten für Neu- und Umbau mit Sicherheit übersteigen. Das weiß auch Herr Wulff. Wenn er für Abbruch votiert, ist das nicht in der Sache begründet, sondern dient seiner persönlichen Profilierung auf Kosten dieses Parlaments, insbesondere auf Kosten dieses Parlamentspräsidenten. Das, was da abläuft, finde ich ungehörig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die SPD wird diese Tricks nicht mitmachen, sondern geschlossen für die Fortsetzung des Wettbewerbs votieren - nicht aus Anmaßung, sondern weil es sachgerecht ist. Es ist richtig: Jede Schule im Land gehört saniert, jede Straße repariert, jede soziale Notlage gelindert.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Jeder Eu- ro kann aber nur einmal ausgegeben werden!)

Richtig ist aber auch: Beim Landtag gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Wer sich in dieser Frage in Selbstverachtung übt, erweist einer selbstbewussten parlamentarischen Demokratie einen Bärendienst.

(Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich finde, das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit Selbstachtung.

Zusammengefasst: Die SPD-Fraktion stimmt in der ersten und in der zweiten Abstimmung geschlossen mit Ja. Anders aber in der dritten Abstimmung. Unsere Fraktion hat es ihren Mitgliedern freigestellt, sich für einen der Preisträger zu entscheiden - eine Praxis wie auch 1956. Wir empfehlen sie allen anderen Fraktionen ebenfalls.

Der erste Preis - ich zitiere das Preisgericht - besticht in der Konsequenz, da nunmehr unbelastet von der Geschichte der 1950er-Jahre ein mehr oder weniger kompromissloses Projekt entwickelt werden kann. Für den Vorsitzenden des Preisgerichts ist der Entwurf eine - ich zitiere - Kombination aus Kraft und Respekt. - Ein Teil unserer Abgeordneten wird für diesen Vorschlag stimmen. Dieter Möhrmann wird es begründen.

Ich persönlich habe mich wie viele andere in meiner Fraktion für den zweiten Preisträger entschieden. Für mich ist der erste Preisträger respektlos im Umgang mit der demokratischen Geschichte unseres Landes. Er ist gesichtslos. Nichts verbindet ihn mit dem Leineschloss. Er könnte überall stehen. Und: Den Umgang mit dem Denkmalschutzrecht halte ich für nicht vertretbar. Dazu wird Silke Lesemann noch Ausführungen machen.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Der zweite Preisträger dagegen erfüllt die vom Landtag eingeforderte Funktionalität, ist geeignet, in Kooperation mit dem Preisträger von 2002 urheberrechtliche und vergaberechtliche Prozessrisiken zu minimieren. Er geht respektvoll mit der Geschichte des Landes um, und er erspart dem Landtag gesetzgeberische Legitimationsprobleme und den Denkmalschutzbehörden einen massiven Autoritätsverlust.

Unabhängig von ihrer Positionierung in der dritten Abstimmung sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion einvernehmlich der Meinung, dass die Entscheidung gelten muss unabhängig davon, ob mit einfacher oder mit absoluter Mehrheit getroffen. Vertagung und Nichtstun wären fatal, meine Damen und Herren, und außerdem viel zu teuer.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Ich erteile dem Kollegen Dürr von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie die überwiegende Mehrheit dieses Hauses sind auch meine Fraktion und ich selbst der Auffassung, dass das Plenarsaalgebäude erhebliche bauliche Mängel aufweist. Diese Mängel müssen vor allem auch aus wirtschaftlichen Gründen abgestellt werden. Wir haben in den vergangenen Jahren Steuergelder ausgegeben, ohne dass es an dieser Stelle zu einer qualitativen Verbesserung gekommen wäre. Die in dem Entschließungsantrag der Mitglieder des Ältestenrates aufgeführten Mängel sind daher nur durch einen erheblichen Eingriff in den Plenarsaalbereich dauerhaft abzustellen.

Vor allem auch aus der Verpflichtung einer verantwortungsvollen Verwendung von Steuergeldern wird meine Fraktion daher bei den Nrn. 1 und 2 des Entschließungsantrags mit Ja stimmen. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, dass die Neugestaltung des Plenarsaalbereichs ein beachtliches öffentliches Interesse hervorgerufen hat, das sich so mancher von uns auch für die jährlichen Beratungen zum Landeshaushalt wünschen würde.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Das macht aber auch deutlich, dass es um mehr geht. Es geht natürlich, wie von meinen Vorrednern bereits erwähnt, um ein Symbol. Die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, betrifft keine parteipolitische Frage. Wir merken, dass sich Politik schwertut, wenn sie Entscheidungen zu fällen hat, die eigentlich keine politischen sind. Dann wird die Entscheidung selbst sehr schnell zum Politikum. Umso wichtiger, meine Damen und Herren, ist daher die Art und Weise der Entscheidung. Ich halte es für richtig, dass heute nicht etwa die Mehrheiten in den Fraktionen darüber entscheiden, wie das Abstimmungsverhalten im Landtag ist, sondern die Mitglieder dieses Hauses als Ganzes.

Die Entscheidung über den Plenarsaalbereich des Landtages ist keine Frage des Gewissens. Es ist eine Frage der Meinung eines jeden Abgeordneten. Wie wir sehen, kann man mit jeweils guten Gründen unterschiedlicher Meinung sein. Die un

terschiedlichen Meinungen sind in dem uns vorliegenden Entschließungsantrag abgebildet, und am Ende der heutigen Abstimmungen wird eine Mehrheit stehen. Unter Umständen wird diese Mehrheit knapp sein. Dafür gibt es bekanntermaßen historische Vorbilder. Die Entscheidung über den Sitz von Bundestag und Bundesregierung ist damals im Deutschen Bundestag knapp und quer durch alle Fraktionen gefallen, aber am Ende stand eine Entscheidung des Parlaments. Diese Entscheidung ist von Befürwortern wie Gegnern akzeptiert worden, und nach der Entscheidung ist man den weiteren Weg gemeinsam gegangen. Gleiches, meine Damen und Herren, wünsche ich mir unabhängig vom Ergebnis auch für die Entscheidung des heutigen Tages.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD)

Wir sind eine parlamentarische Demokratie. Man kann sich in Hinterzimmern abstimmen, aber am Ende stehen immer die öffentliche Debatte und die Abstimmung im Parlament. Ich meine, es ist richtig, dass das auch für die heutige Entscheidung gilt.

Wir mussten lernen, dass das Vergaberecht nicht unbedingt mit der Willensbildung eines Parlaments vereinbar ist. Ich meine aber, dass die Volksvertretung um ein Votum wie heute nicht herumkommt. Die durchaus komplizierten rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, die die Politik in den vergangenen Jahrzehnten ja selbst gesetzt hat, waren in dieser Form von unseren Vorgängern, die 1956 vor einer ähnlichen Entscheidung standen, nicht zu beachten. Dass den Parlamentariern die Entscheidung dennoch schwerfiel, zeigt die auch damals strittige Debatte über den Oesterlen-Bau in der Öffentlichkeit wie im Landtag.

Gleichwohl gibt es einen Unterschied von damals zu heute: Damals blieben nicht wenige Abgeordnete der Debatte und der Abstimmung fern, heute nicht. Das zeigt vielleicht auch, dass die Demokratie auf deutschem Boden ein Stück weit erwachsener geworden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung von Heiner Bart- ling [SPD])

Wir müssen hier den Spagat hinbekommen, dass sich Politik nicht hinter einem Vergabeverfahren verstecken kann. Gleichzeitig müssen wir aber den rechtlichen Rahmen beachten, den wir selbst ge

setzt haben. Ich meine, das kann durch das Verfahren gelingen, auf das sich alle Fraktionen des Hauses verständigt haben.

Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch noch etwas zum Thema Denkmalschutz sagen. Für viele von uns, auch für mich, stellt sich die Frage, ob man einen Unterschied machen darf zwischen einem Anbau aus den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und dem historischen Leineschloss. Einige von Ihnen werden sich noch an die Diskussionen um den Ersatz der maroden Fenster im Kammerflügel erinnern. Es stand die Frage im Raum, ob man im Sinne Oesterlens erneut sprossenlose Fenster einsetzt oder ob man in Anlehnung an den historischen Laves-Bau Fenster mit Sprossen wählt. Die Entscheidung ist bekannt, und sie macht deutlich, dass auch Denkmalschutz widersprüchlich sein kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich geht es - da dürfen wir ehrlich sein - auch um den Geschmack eines jeden Einzelnen, über den sich bekanntlich streiten lässt. Aus meiner Fraktion werden hier noch andere Kollegen dazu sprechen.

Mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben vor allen Dingen wirtschaftliche Beweggründe dazu bewogen, mich für einen Neubau des Plenarbereichs auszusprechen. Ich will mich hinter der Entscheidung von Professor Fingerhuth und seinem Preisgericht nicht verstecken. Deswegen werde ich heute bei Nr. 3 für die Variante A stimmen. Die Entscheidung dieses mit hochkarätigen Experten besetzten Gremiums ist für mich nach wie vor nachvollziehbar und bemerkenswert. Ich schließe mich dieser Meinung daher an.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD)

Ich erteile der Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was entscheiden wir heute? Erleben wir eine Sternstunde des Parlaments, aber in der Konsequenz ohne wirkliche Relevanz? - Wir haben einen Architektenwettbewerb mit einem Ergebnis, aber die rechtliche Situation um dieses Bauvorha

ben herum ist in den letzten Wochen immer verworrener geworden. Nach und nach tauchen immer mehr Probleme und ungeklärte Fragen auf. Lassen Sie mich nur einige davon nennen: Steht dem ersten Preisträger eine Entschädigung zu, wenn sich dieses Haus heute für einen anderen entscheidet? Ist der Wettbewerb von 2002 tatsächlich abgeschlossen, oder sind von den damaligen Siegern ebenfalls Regressforderungen zu erwarten? Am Anfang wurde uns gesagt, nein, der Wettbewerb von 2002 sei kein Problem. Jetzt heißt es, es existierten unterschiedliche Rechtsauffassungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir zumindest hilft das nicht wirklich weiter. Oder könnte die Witwe Oesterlens das gesamte Verfahren durch eine Klage zu Fall bringen - also einmal „zurück auf Los“? - Alle diese Fragen hätten geklärt werden müssen, bevor das Verfahren überhaupt in Gang gesetzt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage mich, was dazu geführt hat, dass diese Fragen nicht gestellt wurden. Einfach schlechte Vorbereitung, oder sollten bestimmte Fragen nicht diskutiert werden, damit die Entscheidung in eine bestimmte Richtung gedrängt wird?

Eines scheint mir klar: Gleichgültig, was wir heute beschließen, die niedersächsischen Steuerzahler können wahrscheinlich froh sein, wenn keine Millionenkosten entstehen, bevor überhaupt der erste Stein bewegt wird.