Protocol of the Session on March 16, 2010

gumente. Die beiden Architekten wie auch der Drittplatzierte, Martin A. Müller aus Hannover, haben mit großem persönlichen Einsatz, zuletzt nochmals bei der Erörterung der Vorschläge vor genau einer Woche im Leibniz-Saal, für ihre Ideen geworben. Dafür gebührt ihnen wie allen Beteiligten des Wettbewerbs der besondere Dank des gesamten Hauses.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gleichwohl müssten wir uns dann an dieser Stelle für einen Vorschlag entscheiden. Alle Entwürfe erfordern eine erhebliche finanzielle Anstrengung. Das Staatliche Baumanagement schätzt beide Projekte in einer ersten Kostenprüfung auf rund 39 Millionen Euro.

Es gibt in meiner Fraktion ganz vereinzelt Abgeordnete, die Platz 2 favorisieren. Die sehr große Mehrheit der CDU-Abgeordneten ist bei einer Fortsetzung des Realisierungswettbewerbs dann konsequent für den erstplatzierten Entwurf. Sie argumentieren letztlich nach dem Prinzip: Wenn wir diese finanziellen Anstrengungen auf uns nehmen wollen, dann sollten wir keine halben Sachen machen.

Übrigens ist auch diese Debatte bei uns im Niedersächsischen Landtag nicht neu. Schon über den Wettbewerb in den 50er-Jahren berichtete der Spiegel in seiner Ausgabe Nr. 43 aus dem Jahre 1962:

„Oesterlen musste beim Schneidern der Parlaments-Prachtrobe alte Kleiderteile verwenden, von denen die hannoverschen Abgeordneten sich nicht trennen mochten: Statt einer Neuanfertigung bestanden sie auf Änderung und Reparatur des verfallenen Leineschlosses. CDU-Abgeordneter Rißling: ‚Das war schon das Malheur.’“

Meine Damen und Herren, beide Siegerentwürfe werden auch immer im Hinblick auf ihre möglichen Kosten verglichen. Es wäre Spekulation, heute und an dieser Stelle die genauen Kosten vorhersagen zu wollen. Gleichwohl weiß jeder Baufachmann: Ein kompletter Neubau ist in den Kosten wohl eher planbar. Der weitestgehende Umbau eines vorhandenen Gebäudes ist hingegen in der Entwicklung wesentlich schwerer zu kalkulieren. Deshalb gibt es Hinweise des Staatlichen Baumanage

ments, dass bei einem komplizierten Umbau des Oesterlen-Saals die Kosten deutlich steigen könnten. Wir nehmen diese Hinweise des Baumanagements sehr ernst.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, vielfach wird als Argument der Denkmalschutz angeführt und auch das Urheberrecht des Architekten Oesterlen genannt, das dessen Witwe wahrnimmt. Beides spreche angeblich für den zweitplatzierten Entwurf des Architekturbüros Gebhardt. Ich will eines deutlich betonen: Das Denkmalschutzargument ist ein ganz zentrales. Das überwiegende öffentliche Interesse für einen Eingriff in das Baudenkmal muss sehr sorgfältig dargelegt werden.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Tatsache ist allerdings auch: Frau Oesterlen hat dem Landtagspräsidenten durch ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom 9. März 2010 mitteilen lassen - ich zitiere -:

„Familie Oesterlen hat zum Wettbewerbsbeitrag von Herrn Gebhardt noch kein endgültiges Urteil. Jedoch scheint sein aktueller Entwurf weder mit den denkmalschutzrechtlichen noch den urheberrechtlichen Belangen in Einklang zu stehen.“

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Zitieren Sie doch den neuen Brief! Das ist ja unglaublich!)

Der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege, Herr Stefan Winghart, hat in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 16. Februar 2010 zum zweitplatzierten Entwurf erklärt - ich zitiere -:

„Als Denkmalschützer muss ich aber betonen: Es wäre kein Erhalt des Denkmals gewesen, weil eine ganze Menge abgebrochen worden wäre. Die Mauer zum Platz müsste weg, das Dach müsste weg, der Sockel würde durchlöchert, zum Fluss würden schmale Fenster eingeschnitten - so kann man mit einem Denkmal nicht umgehen.“

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagenah?

Nein, ich würde gerne am Stück vortragen. Herr Hagenah hat gleich die Gelegenheit, ausführlich Stellung zu nehmen.

Ich zitiere Herrn Winghart weiter:

„Nach diesem Umbau aber würde der Oesterlen-Bau keinen Denkmalschutz mehr genießen. Und wenn Jury und Auslober meinen, dass man dann besser ganz neu bauen sollte, dann kann man dem eine gewisse Konsequenz nicht absprechen.“

Ich will damit sagen: Sowohl der erstplatzierte als auch der zweitplatzierte Entwurf müssen einer denkmalschutzrechtlichen Prüfung standhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Abschließend möchte ich noch einen weiteren Aspekt erwähnen: Ein Neubau des Plenarsaals würde der Landeshauptstadt Hannover einen städtebaulichen Impuls am Platz der Göttinger Sieben direkt am Leineufer geben können. Das sieht der sozialdemokratische Oberbürgermeister offenkundig auch so: Herr Weil hat sich hochzufrieden mit dem erstplatzierten Entwurf gezeigt. Das konnten wir heute in den hannoverschen Tageszeitungen nochmals lesen. Er hat sich damit als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt klar für eine Realisierung des Entwurfs von Professor Yi ausgesprochen. Auch das sollte man berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir stehen heute vor einer nicht einfachen Entscheidung. Wie auch immer sie ausfällt, das Ergebnis wird für die nächsten Jahrzehnte Bestand haben und sichtbare Spuren in der Landeshauptstadt hinterlassen. Mit dem Architektenwettbewerb haben die Öffentlichkeit und der Bauherr die Möglichkeit erhalten, die Wettbewerbsergebnisse miteinander zu vergleichen und so die in jeder Hinsicht beste Lösung für das Vorhaben zu finden.

Viele Menschen - darauf hat Herr Landtagspräsident Dinkla hingewiesen - haben sich die Entwürfe in der Wandelhalle persönlich angeschaut. Viele haben ihre Meinung öffentlich und in den Medien kundgetan. Dieses Ringen nach einer Lösung, diese Diskussionen waren und sind richtig. Der Vorsitzende der Wettbewerbsjury, Professor Carl Fingerhuth, hat sie als - ich zitiere - „außerordentlich wichtig und sogar vorbildlich“ bezeichnet. Alle

Abgeordneten dieses Hauses haben die kritischen Hinweise vernommen. Jeder und jede hat für sich sorgfältig abgewogen, welche Entscheidungen sie bzw. er treffen möchte und vertreten kann. Neubauten werden immer kontrovers diskutiert, öffentliche Neubauten noch mehr und Parlamentsneubauten, die sehr selten sind, erst recht. Den richtigen Zeitpunkt dafür gibt es wohl nie, und es gibt wahrlich keine Patentlösung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Gerd Ludwig Will [SPD] und von Uwe Schwarz [SPD])

Die Abgeordneten der CDU-Fraktion und ihr Vorsitzender haben Respekt vor der Meinung der Bürgerinnen und Bürger und ebenso Respekt vor jeder Meinung jedes Abgeordneten dieses Hauses. Der Landtag wird heute mit Mehrheit eine wichtige Meinung im Vergabeverfahren kundtun. Als Demokraten werden wir die heutige Entscheidung akzeptieren. Lassen Sie uns eine wohlüberlegte Entscheidung treffen! Es ist eine Entscheidung für den Niedersächsischen Landtag. Dieser Landtag ist das zentrale Haus unserer Demokratie in Niedersachsen.

Herzlichen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zu- stimmung bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein Hinweis für die folgenden Redner: Vorne am Rednerpult ist die Technik ausgefallen. Die Uhren, die die Redezeit anzeigen, laufen nicht mit. Ich betone, dass ich das nicht extra zu dieser Debatte bestellt habe.

(Heiterkeit)

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass zwischen den Fraktionen die Übereinkunft besteht, dass während dieser Debatte Gespräche mit Besuchergruppen nicht stattfinden können und sollen. Ich halte das für richtig und angemessen.

Ich erteile jetzt dem Kollegen Hagenah zu einer Kurzintervention das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollten wir es verhindern, die Debatte mit Kurzinterventionen zu durchlöchern. Aber wenn Sie, Herr McAllister, hier falsche Be

hauptungen in den Raum stellen, die inzwischen auch deutlich widerlegt sind, dann muss sofort dagegen interveniert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben aus dem Brief von Frau Oesterlen von vor einigen Wochen zitiert, haben aber dem Parlament nicht offenbart, dass in der Sitzung vorigen Freitag beim Präsidenten, bei der auch Ihr Fraktionsgeschäftsführer anwesend war, der Anwalt von Frau Oesterlen und auch von Koch/Panse auf der Grundlage des Beschlussvorschlages 3 B eindeutig gesagt hat, dass sich damit die vorherigen Aussagen hinsichtlich des Denkmalschutzes und Urheberrechtsschutzes neu darstellen und er das als Entgegenkommen sieht.

(Aha! und Zustimmung bei den GRÜ- NEN)

Sie haben auch vergessen, das Parlament nach dem Zitat von Herrn Winghart darüber aufzuklären, dass Herr Winghart in der Baukommission in der vorigen Woche allen vertretenen Fraktionen und dem Staatlichen Baumanagement erklärt hat, dass ein Abriss dieses Plenarsaals denkmalrechtlich gar nicht mehr möglich ist, weil durch den Wettbewerb eindeutig nachgewiesen ist, dass mit dem 2. Preis für das Geld, das wir angesetzt haben, und nach dem Raumprogramm eine Alternative zur Verfügung steht.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Genau!)

Das sind die Aussagen von Herrn Winghart, die er übrigens auch in der öffentlichen Vorstellung der Siegerentwürfe am Vormittag des vorigen Dienstags zur Kenntnis gegeben hat. Insofern bitte ich Sie, das nicht zu wiederholen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Jüttner das Wort. Bitte schön!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Landtag in den 1950er-Jahren beschlossen hat, seinen Sitz im Zentrum Hannovers zu nehmen, standen vom Leineschloss nur noch Trümmer. Wir verdanken es Dieter Oesterlen, dass nicht nur der Landtag 1962 ein funktionsfähiges Gebäude er

hielt, sondern dass das Baudenkmal Leineschloss revitalisiert wurde. Zwei sich scheinbar ausschließende Lösungen - so Oesterlen - erhielten gemeinsam ihr Recht. Das Ziel war, das Historische zu bewahren und weiterzuentwickeln und der jungen Demokratie in ihrem wichtigsten Haus eine unverwechselbare Atmosphäre zu geben - weder die Nüchternheit eines Verwaltungsgebäudes noch theaterhafte Züge oder eine falsche Monumentalität. Er hat der jungen Demokratie Tagungsort und Denkmal gegeben.

Ich stelle fest: Dieses Haus, Leineschloss mit Plenarsaal, ist das einzige identitätsstiftende Haus der jungen Demokratie in unserem Bundesland. In diesem Gebäude wurde Geschichte geschrieben. Hier wurden zwischen 1967 und 1970 die ersten erfolgreichen parlamentarischen Auseinandersetzungen mit der neugegründeten NPD unter Adolf von Thadden geführt. Hier wurde 1976 - sehr zu unserem Schmerz - gegen alle öffentlichen Bekundungen in geheimer Abstimmung ein Regierungswechsel vollzogen. Hier wurde 1990 der spätere Bundeskanzler und heutige Ehrenbürger unserer Landeshauptstadt in eine erste tragfähige rotgrüne Koalition gewählt. Hier wurden 48 Jahre lang die rechtlichen Grundlagen für das Gelingen unseres Rechts- und Sozialstaats gelegt. - So viel zum Geist dieses Hauses, meine Damen und Herren!