Protocol of the Session on February 18, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist die Bitte der Länder aufgegriffen worden, die Pflegeausbildung zu reformieren. Dazu soll eine Bund-LänderArbeitsgruppe im März ihre Arbeit aufnehmen. Ich denke, dass das Konzept des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, welches die Möglichkeit der grundständigen akademischen Ausbildung und die Verortung im regulären berufsbildenden System einschließt, hierfür eine gute Grundlage ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Wer heute in sie investiert, wird in der Zukunft auf gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen können.

Ich will Ihnen jetzt noch einiges zum Pflegepaket, zu dem umfangreichen Maßnahmenbündel sagen; denn es ist mir wichtig, dass wir auf der einen Sei

te Berufsanfängerinnen und -anfänger bei ihren Ausbildungskosten entlasten; auf der anderen Seite wollen wir das Bemühen von Pflegeeinrichtungen um die Ausbildung anerkennen. Es liegen auch bereits Anträge vor, und zwar mit Stand von gestern 249 Anträge für insgesamt 643 Ausbildungsverhältnisse und 12 Anträge von Altenpflegeschulen für insgesamt 515 Schülerinnen und Schüler. Sie sehen also, dass wir mit dieser „Unterstützung“ genau den richtigen Weg beschritten haben, weil wir dann genau das erreichen können. Wir können dann auf der einen Seite den jungen Schülern sagen „wir brauchen euch, wir wollen euch, und deswegen helfen wir“, und wir können auf der anderen Seite den Ausbildungsstätten, die mit hoher Motivation junge Menschen ausbilden, ein Stück weit Entlastung zukommen lassen und mit diesem Beitrag ihre schwierige Arbeit in der Ausbildung anerkennen.

(Beifall bei der CDU)

Mir ist es auch wichtig, Berufsrückkehrerinnen in der Pflege zu unterstützen. Schon heute fördern wir diese Maßnahmen u. a. mit Geldern des Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Programms „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt“. Wenn der Altenpflegeberuf künftig positiver gesehen werden muss, und wenn wir wollen, dass sich noch mehr junge Leute für diesen Berufszweig interessieren, dann ist es wichtig, dass es eine professionelle und überregional angelegte Imagekampagne gibt, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern.

Meine Damen und Herren, nicht jeder alte Mensch gilt im Sinne des Gesetzes als pflegebedürftig, bedarf aber trotzdem intensiver Betreuung und Beaufsichtigung. Diese Versorgung rund um die Uhr sicherzustellen, ist für pflegende Angehörige oft eine große Belastung. Es gibt deshalb niedrigschwellige Betreuungsangebote. Ich bin sehr stolz und sehr froh, dass wir inzwischen 128 Standorte in Niedersachsen haben, die den pflegenden Angehörigen diese Fürsorge zumindest zeitweise abnehmen und sie in ihrem pflegerischen Engagement ein Stück weit entlasten. Diese niedrigschwelligen Angebote sind für Menschen mit demenzieller Erkrankung, psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung vorgesehen, wenn aufgrund ihrer Erkrankung ein erhöhter Bedarf an Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, Niedersachsen ist im Bereich der Pflege gut aufgestellt - heute und auch morgen noch. Von einem Pflege

notstand kann keine Rede sein. Aber wir müssen heute die Maßnahmen ergreifen, damit wir morgen die Pflegekräfte haben, die Menschen, die pflegebedürftig sind, benötigen.

Frau Helmhold, ich bin Ihnen besonders dankbar, dass Sie die Debatte über das Thema Pflegekammer sehr sachlich geführt haben. Über diese Forderung ist schon häufiger diskutiert worden. Das Für und Wider ist abgewogen worden. Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken auf der einen Seite, es gibt die Frage, ob es die Pflegefachkräfte tatsächlich wollen und wie es mit ihrem Engagement für eine Pflegekammer aussieht, auf der anderen Seite. Nach einer Umfrage unter den Bundesländern haben wir festgestellt, dass noch kein Bundesland eine Pflegekammer eingerichtet hat, dass in den beiden Ländern, die Sie angesprochen haben, aber durchaus Gespräche geführt werden. Ich meine, wir sollten das Für und Wider einer Pflegekammer vor allen Dingen unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts und unter dem Blickwinkel, ob die Pflegefachkräfte es tatsächlich wollen, sehr sachorientiert und frei von Emotionen erörtern.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Herr Schwarz zu Wort gemeldet. Sie haben noch eine Redezeit von 6:35 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Mundlos, Sie haben darauf hingewiesen, dass der Landespflegebericht in diesem Jahr fortgeschrieben wird, und haben davor bemerkt, dass man das Thema sehr ernst nehmen muss. Darüber besteht kein Dissens. Aber nun frage ich Sie einmal Folgendes: 2005 ist der Landespflegebericht vorgelegt worden. Seit 2003 sind Sie hier an der Regierung. Sie haben diesen Landespflegebericht bis heute zu 100 % negiert. Was wollen Sie denn mit einer Fortschreibung, wenn Sie die aktuelle Vorlage schon nicht bearbeiten, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wir haben doch hier eine ganz einfache Situation. Wir haben zwischenzeitlich die Situation, dass Ausbildung in Pflegeberufen ein Wettbewerbs

nachteil für ausbildende Betriebe geworden ist, und wir haben die Situation, dass Tarifflucht ein Wettbewerbsvorteil für die Betriebe geworden ist. Anbieter, die sich tariftreu verhalten, fliegen vom Markt. Das ist doch eine unsägliche Situation! Wir müssen doch ein Interesse daran haben, dass beides unverzüglich beendet wird.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Frau Ross-Luttmann, Sie sagen, die Debatte „Niedersachsen - Schlusslicht“ sollten wir in den Kreistagen führen. Tatsache ist: Niedersachsen liegt mit seiner Bezahlung 17 % unter dem Schnitt der anderen Bundesländer. Tatsache ist auch, dass Sie sowohl die Rechtsaufsicht als auch die Fachaufsicht haben. Sie können sich nicht mit schlankem Fuß davonmachen. Es ist Ihre Zuständigkeit, dafür zu sorgen, dass in Niedersachsen anständige Pflegesätze vereinbart werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Norbert Böhlke [CDU]: Sagen Sie doch mal wie! Nur mal den Weg beschreiben!)

Herr Schwarz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Matthiesen?

Nein, ich trage jetzt zusammenhängend vor.

(Zurufe von der CDU: Ha, ha, ha!)

Meine Damen und Herren, die Ministerin sagt: Wir müssen den Pflegenden Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. - Sie haben hier eben ergänzt: Wir müssen dafür sorgen, dass sie gut bezahlt werden. - Das ist ja in Ordnung. Aber wie sieht denn Ihre Handlungsweise in Niedersachsen ganz konkret in der Praxis aus? - Als sich die Große Koalition darauf verständigt hat, im Entsendegesetz die Pflege mit aufzunehmen, hat diese Landesregierung das im Februar vergangenen Jahres im Bundesrat abgelehnt. Sie haben gegen die anständige Bezahlung von Pflegekräften gestimmt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wenn ich mir angucke, was in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene zur Weiterentwicklung der Pflege steht, dann wird mir angst und bange.

Da steht im Wesentlichen die Privatisierung von Pflege als persönliches Risiko drin. Außerdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass zwischenzeitlich sogar Pflegekräfte schon SGB-II-Aufstocker geworden sind. Was ist das eigentlich für eine Ausgangslage? Wenn Sie sich dann auch noch mit Ihren Kombilohnvorstellungen durchsetzen, dann sind das doch nur noch unterbezahlte Berufe. Wie wollen Sie denn da die Attraktivität steigern? Sie machen doch zurzeit mit Ihrer Politik genau das Gegenteil.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen jetzt etwas zur Ausbildungssituation. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir jetzt wieder 5 000 Auszubildende hätten. Das ist gut. Die Zahlen sind von 2009 bis 2010 auch wieder gestiegen. Das ist wichtig. Aber Sie verschweigen immer, dass wir im Jahre 2003 schon 6 000 Auszubildende hatten. Die Zahl hat sich kontinuierlich nach unten entwickelt und befindet sich jetzt in einer Sohle. Angesichts der demografischen Entwicklung brauchten wir deutlich mehr. Ihr Landespflegebericht sagt aus: Wir brauchen über 3 000 zusätzliche Kräfte. Davon sind Sie meilenweit entfernt. Ich komme zurück: Was wollen Sie mit einer Fortschreibung, wenn Sie die jetzigen Inhalte schon alle negieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wir haben hier einen Entschließungsantrag der Koalition zu verabschieden, der etwas zur Frage Hauptschüler in Pflegeberufe sagt. Frau Mundlos, wir haben sehr einvernehmlich darüber gestritten, dass es absolut wichtig ist, auch diesem Personenkreis die Öffnung zu ermöglichen. Ich sage Ihnen aber: Als die Öffnung der Pflegeausbildung für Hauptschüler im vorvergangenen Jahr auf Vorschlag von Herrn Scholz im Bundesrat zur Abstimmung anstand, hat diese Landesregierung wiederum dagegen gestimmt. Es ist doch nicht glaubwürdig, wie Sie hier bei diesen Themen argumentieren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie haben etwas zu Ihrem Pflegepaket gesagt. Ich will auf zwei Punkte eingehen. Erstens. Sie subventionieren zurzeit das Schulgeld. Sie sagen, dass es 50 Euro für jede Schülerin und jeden Schüler gibt, weil wir eine Situation haben, in der bei privaten Institutionen im Schnitt 160 Euro

Schulgeld von den Schülerinnen und Schülern kassiert wird. Jetzt zahlen die im Schnitt 110 bis 120 Euro. Damit wird der Beruf für junge Leute auch nicht attraktiver. Wenn Sie mehr junge Leute gewinnen wollen, müssen wir Schulgeldfreiheit einführen; denn sonst haben wir keine Chance mehr. Soll der, der diesen Beruf ergreifen will, auch noch die Kohle mitbringen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ein zweiter Punkt aus Ihrem Pflegepaket ärgert mich wirklich. Sie subventionieren die Pflegebetriebe, indem Sie ihnen einen bestimmten Betrag zwischen 50 und 85 Euro zur tariflichen Ausbildungsvergütung zuzahlen, wenn diese Betriebe mindestens 80 % der tariflichen Ausbildungsvergütung bezahlen. Das heißt im Klartext: Sie subventionieren die untertarifliche Ausbildungsvergütung. Sie beschleunigen auch noch die Spirale und sorgen dafür, dass dieser Beruf schlechter bezahlt wird. Das, was Sie hier machen, kann doch nicht in Ordnung sein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Angesichts dieser Ausgangslage kann ich nur wiederholen: Die Betroffenen - die Pflegebedürftigen und die Pflegenden - brauchen keinen warmen Händedruck der Ministerin mehr. Sie brauchen auch Ihre Sonntagsreden nicht mehr. Sie wollen Ihr konkretes Handeln, und sie wollen vor allen Dingen sich selbst helfen, damit Pflege in diesem Land auf eine anständige Grundlage gestellt werden kann. Deshalb kämpfen wir mit denen Seite an Seite für die Einrichtung der Pflegekammer. Ich hoffe, auch Sie machen das endlich!

(Starker Beifall bei der SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Ministerin RossLuttmann. Bitte!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir nehmen die Entschuldigung an!)

Das, was Sie gesagt haben, wird auch nicht dadurch richtiger, dass Sie es eben noch einmal betont haben.

Erstens. In Niedersachsen haben wir noch nie so viele Altenpflegeschüler gehabt wie gegenwärtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das zeigt mir eines ganz deutlich: Unsere Bemühungen der letzten Zeit, für diesen Beruf ein größeres Interesse zu generieren, zeigen inzwischen Erfolge. Außerdem zeigt mir das, dass wir mit dem Pflegepaket auf dem richtigen Weg sind; denn sonst hätten wir nicht so viele Anträge vorliegen.

Zweitens. Natürlich haben wir die Rechtsaufsicht über die landesunmittelbaren Krankenkassen. Im vorliegenden Fall ist dies die AOK. Über die bundesunmittelbaren Kassen hingegen haben wir keine Aufsicht. Die Aufsicht über diese Kassen ist beim Bundesversicherungsamt angesiedelt. Die Heimaufsicht wird von den Kommunen wahrgenommen. Wir haben diese Aufgaben nämlich auf die Kommunen delegiert. Gerade bei der Heimaufsicht geht es um die Frage: Wie betreibt das Heim seine Einrichtungen? Gibt es Mängel, oder kann man sagen, dass die Pflege dort hervorragend durchgeführt wird? - Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nach wie vor eine gute Heimaufsicht brauchen; denn die Heimaufsicht des MDK und der Landkreise hat in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass die Heime in mehr als 95 % der Fälle hervorragend geführt werden.

Es ist einfach falsch, wenn Sie hier verkünden, dass wir Einfluss auf die Höhe der Pflegesätze nehmen könnten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Norbert Böhlke [CDU]: So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kann ich feststellen, dass wir am Ende der Beratungen angelangt sind.

Damit kommen wir jetzt zunächst zur Ausschussüberweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Tagesordnungspunkt 30.