Protocol of the Session on February 17, 2010

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention rufe ich Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock von der CDU-Fraktion auf. Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.

Herr Kollege, ich möchte zu Ihrem Redebeitrag zweierlei feststellen. Erstens. Zu der DDR-Vergangenheit, die ja aufgearbeitet werden soll, haben Sie im Grunde nichts gesagt. Zweitens. Sie haben zitiert - so ist es in der Studie, auf die Sie sich bezogen haben, gesagt worden; das hat mir gut gefallen -, Demokratie und Diktatur seien keine gefestigten Begriffe. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Vervollständigung dessen, was ich nur anreißen konnte, vielleicht einmal geschildert hätten, was Diktatur im täglichen Leben bedeutet. Gerade aus Ihrem Munde hätte uns das sehr interessiert.

Sie sagen, dass Sie die Vergangenheit der BRD aufarbeiten möchten. Wenn Sie auf den Nationalsozialismus rekurrieren, so ist das ein Stück deutscher Vergangenheit. Ich kann Sie auch beruhigen: Es gibt genügend Lehrer, die sich hier engagieren. Ich zähle mich dazu. Schon 1980 war ich mit meinen Schülern in Buchenwald. Damals hat noch niemand ahnen können, dass es die DDR einmal nicht mehr geben wird. Dieser Prozess findet in unseren Schulen also statt. Wie alles, was in Schule stattfindet, ist das aber natürlich individuell durch die Schüler und Lehrer gefärbt.

In Ihrer Rede hat also eine Menge gefehlt. Ich glaube, dass das nicht von ungefähr so war.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Bei Ihnen hat aber auch eine Menge gefehlt!)

Herr Adler möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

(Ulf Thiele [CDU]: Sie sind für die Vollständigkeit zuständig!)

Ich kann erst einmal nur allgemein darauf antworten. Natürlich haben wir überhaupt kein Problem damit, das Unrecht, das es in der DDR gegeben hat, auch als solches zu bezeichnen und es zu verurteilen. Das ist schon in der ersten Rede geschehen, die ich seinerzeit bei der Einbringung gehalten habe.

Ehrlich gesagt, war Ihr Beitrag aber ein bisschen merkwürdig, Frau Bertholdes-Sandrock; denn es ging dann nur noch um einen Systemvergleich, was schließlich darin gipfelte, dass Sie sich über die Höhe der Kaffeepreise in der DDR geäußert haben und diese wiederum ins Verhältnis zu den Preisen der Grundnahrungsmittel gesetzt haben. Wenn auf einem derartigen Niveau diskutiert wird, kann man in der kurzen hier zur Verfügung stehenden Zeit gar nicht adäquat antworten. Deshalb habe ich mich nur dazu geäußert, wie man überhaupt an die Frage herangeht, und gesagt, dass man bei der Aufarbeitung der Vergangenheit bitte beide deutsche Staaten im Blick haben soll, die miteinander im Kalten Krieg standen.

(Beifall bei der LINKEN - Ulf Thiele [CDU]: Nein, Sie haben relativiert!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Korter. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte ist zweifelsohne von großer Wichtigkeit; denn nur sie vervollständigt das Bild Deutschlands im 20. Jahrhundert, an dessen Ende die Wiedervereinigung steht. Darin sind sich alle Fraktionen hier im Hause wohl einig.

Auch in Bezug auf die Schlussfolgerungen aus den beiden vorliegenden Anträgen findet sich in nahezu allen Punkten ein Konsens. Eine strittige Debatte gibt es allerdings um die jeweilige Bewertung der historischen Zusammenhänge, wie sie in Einleitung und Begründung der Anträge zum Ausdruck kommen.

Für die jeweilige Sichtweise gibt es sicherlich Gründe. Es kann jedoch nicht sein, dass subjektive Bewertungen aus der einen oder anderen Richtung den Schulen als historische Wahrheit vorgegeben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe bereits in meiner Rede am 30. Oktober 2009 hier im Landtag deutlich gemacht, dass Geschichtsunterricht kein geschlossenes Weltbild mit abschließender Bewertung vermitteln soll. Davor müssen wir uns hüten. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, der Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze ließe sich gegen das KPDVerbot oder die Berufsverbote oder die fehlende Aufarbeitung des Faschismus in der Nachkriegszeit aufwiegen. Weder in der Debatte noch in irgendwelchen Anträgen darf ein solcher Eindruck entstehen.

(Victor Perli [LINKE]: Das geschieht auch nirgends!)

Ob die DDR nun ausschließlich als Unrechtsstaat zu sehen ist oder die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich als Musterbeispiel für totale Demokratie - diese Bewertung vorzunehmen, ist nicht Aufgabe des Geschichtsunterrichts. Er muss die Grundlagen dafür schaffen, dass die Schülerinnen und Schüler sich selbst ein Urteil bilden können und selbst zu einer kritischen, fundierten Beurteilung in der Lage sind, weil sie gelernt haben, nach Kategorien wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatprinzip, nach Herrschaftsverhältnissen und ihren ideologischen Rechtfertigungen, nach der Einhaltung der Menschenrechte, nach Freiheit und nach

sozialer Verantwortung zu fragen. Das ist zutiefst die Aufgabe der Schule: Demokratieerziehung und Mündigkeit zur eigenen Entscheidung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es bleibt allerdings die berechtigte Frage, inwieweit diese Landesregierung dafür sorgt und den Schulen noch Raum lässt, dass Zeitzeugen in den Unterricht kommen können und Fahrten zu Gedenkstätten auch wirklich stattfinden können.

Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, warum müssen Sie eigentlich Ihre eigene Kultusministerin erst per Antrag zum Handeln auffordern, wenn Ihnen das Ganze so wichtig ist? Damit haben Sie selbst eingeräumt, dass Ihre Landesregierung für die von Ihnen beklagte angeblich mangelnde politische Bildung herzlich wenig tut, nachdem sie selbst sogar die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wenn Sie mit ernsthaften Vorschlägen zu allen diesen Fragen kommen und so an das Ganze herangehen, werden wir gerne daran mitarbeiten. Die historisch-politische Bildung ist uns Grünen außerordentlich wichtig.

Die beiden hier vorgelegten Anträge aber haben die Antragsteller - das hat meine Kollegin Dörthe Weddige-Degenhard bereits ausgeführt - offensichtlich selbst für so nachrangig erachtet, dass alle Antragsteller auf eine Diskussion dazu im Ausschuss verzichtet haben. Dieser Einschätzung schließen wir uns an. Deshalb werden wir beide Anträge ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Korter. - Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin WeddigeDegenhard, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Ich fand auch, dass Sie Ihren Redebeitrag vernünftig begonnen haben. Dass Sie unseren Antrag aber anschließend als Showantrag bezeichnet haben, enttäuscht mich. Das passt auch nicht zu der ganzen Geschichte; denn meiner Meinung nach haben wir uns in der ersten Beratung sehr

intensiv mit den Fakten auseinandergesetzt. Bei der heutigen zweiten Beratung hatte ich eigentlich eine etwas andere Diskussion erwartet. Ich will Ihnen aber auch sagen: Ich war der festen Überzeugung, dass Einmütigkeit darin besteht, dass wir in den Schulen dringend Aufklärung über die jüngere Vergangenheit auf dem DDR-Gebiet benötigen.

Gestatten Sie mir drei Bemerkungen.

Erstens. Bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte müssen wir deutlich unterscheiden zwischen denen, die dort aufgewachsen sind und unter dem installierten Unrechtssystem, auf welche Art und Weise auch immer, gelitten haben, und denen, die den Unrechtsstaat geformt und gestützt sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit verhindert haben, die also den Menschen ihre Freiheit genommen haben. Wir wollen, dass so etwas in unserem Land nie mehr geschieht. Deshalb müssen wir unsere jungen Menschen u. a. über unsere Schulen informieren und sie dort aufklären.

Zweitens. Eine Aufklärung ist zwingend erforderlich. Das möchte ich einmal an einem ganz einfachen Beispiel darstellen. Lassen Sie mich dafür aus dem Stenografischen Bericht der 50. Plenarsitzung zitieren. Damals sagte ich:

„Beispielsweise wurde am 10. Oktober 1989 die Enkeltochter meines Patenonkels von der Demonstration weggeholt und in ein Gefängnis eingesperrt. Sie musste sich bis auf die Haut ausziehen und musste dort bleiben, bis die Demonstration vorbei war.“

Die Antwort eines jungen Menschen, nämlich des Kollegen Perli, in unserem Landtag lautete:

„Beim G8-Gipfel und beim Castortransport ist man auch für Tage weggesperrt worden, ohne etwas getan zu haben!“

(Heinz Rolfes [CDU]: Unglaublich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu kann ich nur Folgendes sagen: Dieser junge Mensch ist nicht bereit, sich den Realitäten zu stellen. Er hat nichts verstanden, oder er will es nicht verstehen.

(Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

Damit dies nicht eine verbreitete Meinung in unserer heranwachsenden Generation wird, müssen wir

über die Unrechtsverhältnisse sprechen. Wir müssen sie diskutieren und in den Schulen aufarbeiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Drittens. Ich würde sehr gerne etwas zu Herrn Dr. Sohn sagen. Da er aber nicht da ist, will ich das lassen.

Es gibt heute Schulen, die sich bei Besuchen in Landschulheimen intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und regelmäßig Fahrten nach Berlin durchführen. Ich wünschte mir für unsere Schulen, dass ein Besuch in der Gedenkstätte BerlinHohenschönhausen zum Pflichtprogramm gemacht würde; denn dort kann man Unrecht ganz persönlich erleben und erfahren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das sind die wichtigen und wesentlichen Dinge, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe sehr bedauert, dass im Kultusausschuss keine Diskussion stattgefunden hat. Aber die Opposition hätte ja sagen können, dass darüber diskutiert werden soll. Wenn ich mich recht erinnere, war es sogar so, dass Sie die zweite Beratung gewünscht haben. Insofern wäre das gut gewesen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss. - Ich denke, wir sollten es dabei belassen. Wir sollten uns dem Thema widmen, dass da heißt: Aufklärung in den Schulen. Dahinter sollten wir stehen. Dies sollte in geordneter Art und Weise erfolgen; da stimme ich Ihnen zu, Frau Korter. Wenn es sachgerecht ist, dann bringt uns alle das ein Stück weiter.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Schwarz. - Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE hat für anderthalb Minuten das Wort zu einer Kurzintervention.