Protocol of the Session on February 16, 2010

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wulff & Co. waren das!)

- Das war u. a. auch der Abgeordnete Wulff.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das gibt es ja nicht!)

Die andere Möglichkeit ist, dass man auf diese Ermittlungen verzichtet, weil der Verstoß schon zugegeben worden ist. Das wäre hier der Fall. Dann mag der Staatsgerichtshof das noch einmal bewerten und verdeutlichen, wie rechtswidrig das ist.

Das ist von dem Verfahren nach Artikel 40 der Niedersächsischen Verfassung zu unterscheiden, weil da nämlich die Hürde höher ist. Die Ministeranklage bedarf einer Zweidrittelmehrheit. Nach unserem Gesetzentwurf wäre es eine einfache Mehrheit. Ich frage die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, ob nicht auch sie zu einer solchen Feststellung bereit sein müssten, wenn der Verstoß immerhin schon zugegeben worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Professor Dr. Zielke, möchten Sie antworten? - Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich jetzt für die Landesregierung Herrn Minister Busemann auf. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Zurufe von der SPD)

- Ich habe Gott sei Dank nicht gehört, wer das gesagt hat. Auch das werte ich aber als eine Beleidigung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haase, man muss die Sachverhalte so beurteilen, wie sie sind. Sie sind nicht immer gleich. Mit 96 kommen Sie in der Sache nicht weiter.

Auf dem Tisch liegt ein Entwurf zur Änderung des Ministergesetzes. Das macht zwangsläufig erforderlich, dass wir uns damit verfassungsrechtlich auseinandersetzen. Tagespolitische Pirouetten zu drehen, um dann doch zu dem Ergebnis zu kommen, das geht so eigentlich gar nicht, führt uns nicht weiter. Es geht um Verfassungsanwendung.

Wenn ich das zur Debatte über das Hochschulrecht nachschieben darf: Da ist mir schon eine merkwürdige Einstellung zu unserer Verfassung offenbar geworden.

Ich will Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, nachweisen, dass Sie auch mit diesem

Gesetzentwurf nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Entweder kennen Sie die Verfassung nicht, oder Sie wollen sie ignorieren. Denn der Gesetzentwurf der Linken, meine Damen und Herren, will durch eine Änderung des Ministergesetzes die Ministeranklage auch für fahrlässig begangene Gesetzesverstöße einführen und darüber hinaus zu ihrer Erhebung eine einfache Landtagsmehrheit genügen lassen. Das steht aber nicht im Einklang mit Artikel 40 der Niedersächsischen Verfassung. Dort ist die Justiziabilität von Rechtsverstößen durch Regierungsmitglieder klar geregelt. In Artikel 40 ist abschließend festgelegt, unter welchen Umständen eine Ministeranklage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof erfolgen kann: Nur vorsätzliche Gesetzesverstöße können angeklagt werden. In Artikel 17 unserer Verfassung, auf den Artikel 40 verweist, ist als Mindestquorum für eine Beschlussfassung zudem eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Landtages verankert.

Die Ministeranklage ist - auch das muss deutlich sein - kein strafrechtliches Verfahren, sondern ein spezielles verfassungsrechtliches Verfahren, das dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung dient. Dementsprechend findet sich auch in § 23 Abs. 2 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof ein Verweis auf das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben können als höherrangiges Recht durch ein einfaches Gesetz, welches das Ministergesetz ist, nicht ausgehebelt oder verändert werden.

Denkbar wäre zwar, dass Sie dann sagen: Dann muss man eben die Gesetze ändern. - Dagegen sprechen jedoch auch sachliche Gründe. Eine Ministeranklage ist das schwerste aller parlamentarischen Mittel. Es wäre unverhältnismäßig, diese auf allen möglichen - auch fahrlässig oder rechtsirrtümlich begangene - Gesetzesverstöße und sogar Bagatellen auszudehnen. Auf Bundesebene - auch das ist interessant - hatte sich seinerzeit der Parlamentarische Rat bewusst für die Abschaffung der Anklage von Regierungsmitgliedern entschieden. Bis heute gibt es sie auf Bundesebene nicht.

Hinzu kommt Folgendes: Der Gesetzentwurf der Fraktion der Linken ist in sich nicht schlüssig. Einerseits heißt es in der Begründung:

„Speziell die unzulässige Annahme von Geschenken in Bezug auf das Amt“

- mithin ein Fall der Korruption -

„sollte in einem ordentlichen Verfahren durch die unabhängige Justiz auch dann geprüft werden können, wenn die strafrechtliche Schwelle noch nicht überschritten ist.“

Andererseits sollen nach dem Gesetzentwurf die §§ 73 bis 73 e des Strafgesetzbuches sowie die Bestimmungen der Strafprozessordnung entsprechend gelten. Genau darin liegt aber ein Widerspruch. Das Strafgesetzbuch gilt für Taten, die mit Kriminalstrafe - eine solche ist der Verlust des Amtes im Sinne von Artikel 40 der Landesverfassung gerade nicht - bedroht sind.

Nach der Strafprozessordnung erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, wenn hinreichender Tatverdacht besteht; das weiß jeder. Solcher wiederum ist anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich ein bestimmter Sachverhalt ereignet hat, dieser mit Sicherheit strafbar und zudem mit den vorhandenen zulässigen Beweismitteln nachweisbar ist. Das bedeutet aber zwingend, dass die Tatbestandsmerkmale bei einer Ex-nuncBetrachtung als erfüllt anzusehen sind. Dann aber ist die strafrechtliche Schwelle gerade nicht unterschritten. Der Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft ist eröffnet und für eine entsprechende Anwendung von Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung gar kein Raum.

Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen hingegen nicht gegeben sind, ist das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus guten Gründen einzustellen. Das darf aber nicht dadurch unterlaufen werden, dass dann das Parlament eigene Befugnisse zu Ermittlungen und einer Anklageerhebung nach Maßgabe des Strafgesetzbuches und der Strafgesetzordnung erhält. Ich sage es noch einmal: Die Anklage im Sinne von Artikel 40 unserer Niedersächsischen Verfassung als verfassungsrechtliches Instrument wird nicht auf der strafrechtlichen Klaviatur gespielt. Denn derartige Folgen - solche sieht der Gesetzentwurf aber vor - würden eine Durchbrechung der verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilung bedeuten. Es sollen danach nämlich, wie gezeigt, dem Landtag und damit der Legislative faktisch Befugnisse übertragen werden, die der Exekutive, zu der die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde gehört, der im Übrigen anerkanntermaßen das Anklagemonopol zusteht, zu

geordnet sind. Aufgaben der Exekutive hat die Legislative aber nicht wahrzunehmen.

Sagen wir es einmal ganz offen: Hier ist das Parlament, hier ist die Legislative mit allen Rechten und Pflichten. Ich glaube, Sie würden sich dagegen verwahren, wenn es hieße: Macht da und dort auch ein bisschen Exekutive! Spielt ein bisschen Staatsanwaltschaft! Wenn es genehm ist, macht auch noch ein bisschen Legislative oder bewirkt irgendwelche Urteile! - Das ist eine Vermischung innerhalb des Gewaltenteilungsprinzips. Sie haben offenbar - ich habe das im letzten Monat in Bezug auf die Exekutive und die Staatsanwaltschaft vernommen - ein gebrochenes Verhältnis zur Gewaltenteilung. Das müssen Sie wirklich miteinander klären.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Spontane Schnellschüsse erweisen sich in der Regel als Rohrkrepierer. Eigentlich müsste die Fraktion der Linken es nach dieser Debatte gemerkt haben. Der Gesetzentwurf jedenfalls ist unzulässig, untauglich und auch sachlich nicht gerechtfertigt. Ich denke, das Parlament wäre gut beraten, ihn abzulehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Die SPD-Fraktion verfügt noch über eine Restredezeit von mehr als zwei Minuten. Herr Jüttner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin tief beeindruckt. Jetzt haben wir hier über Monate erlebt, dass jedweder Antrag und jedweder Gesetzentwurf der Linken von den Mehrheitsfraktionen und der Landesregierung ignoriert worden sind, weil sie angeblich das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Das haben wir auch vorhin scharf kritisiert, weil es so nicht geht.

Jetzt kommt der Justizminister hierher und hat eine, wie ich finde, sorgfältige verfassungsrechtliche Begründung dafür abgeliefert, dass es so mit diesem Gesetzentwurf nicht geht. Ich glaube, dass der Justizminister recht hat. Was mich aber wundert, ist die Sorgfalt,

(Heiterkeit bei der SPD)

mit der die Landesregierung erstmalig auf einen Gesetzentwurf der Linken eingeht. Das macht mich nachdenklich, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Vorhin in der Debatte um das Thema Frieden war es Ihnen nicht so wichtig. Aber bei dem Thema „Rettung des Kopfes des Ministerpräsidenten“ sind bei Ihnen wirklich die Lichter aufgegangen, meine Damen und Herren. Denken Sie einmal über sich nach! Das war wirklich nichts.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile der Fraktion DIE LINKE zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung. Herr Adler, Sie erhalten zwei Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem Beitrag des Justizministers wäre man natürlich geneigt, jetzt in eine große verfassungsrechtliche Debatte einzutreten. Aber ich denke, dass die besser im Ausschuss geführt wird. Deshalb will ich darauf im Einzelnen nicht eingehen.

Nur das: Sie haben schlankweg behauptet, Artikel 40 der Niedersächsischen Verfassung würde sozusagen eine ausschließliche Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs für derartige Verfahren bestimmen. Das ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Ich habe diesen Artikel in der Begründung zitiert und darauf hingewiesen, dass weitere Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs durch ein Gesetz bestimmt werden können. Aber, wie gesagt, die Einzelheiten können wir gerne diskutieren.

Ich wäre Ihnen aber für jeden Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf dankbar, der das eine Problem löst: Wir möchten einen Verstoß eines Ministerpräsidenten gegen Gesetze in ähnlicher Form ahnden wie im Disziplinarrecht. Die strafrechtliche Schwelle ist höher; das ist klar. Aber es sollte wenigstens eine Ahndung wie im Disziplinarrecht geben, damit nicht die Situation entstehen kann, dass ein Beamter ein Geschenk entgegennimmt und sich dafür in einem Disziplinarverfahren verantworten muss, während gegen den Ministerpräsidenten gar kein Verfahren eingeleitet wird. Das ist das Problem. Wenn Sie eine andere Idee

haben, wie man das Problem lösen kann, so sind wir dafür offen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Mit diesem Gesetzentwurf soll sich der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen beschäftigen. Höre ich andere Stimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Herzlichen Dank.

Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 13 und 14 zusammen auf: