Dem Anliegen, der bäuerlichen Landwirtschaft zu helfen, und dem Anliegen, dem Tierschutz zu helfen, erweisen Sie, Herr Meyer, mit Ihrer polemischen Art einen Bärendienst. Darüber sollten Sie einmal nachdenken!
Herr Kollege Meyer hat sich zu einer persönlichen Bemerkung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Bitte schön, Herr Meyer!
Moment, bitte! Ich bitte darum, die anderen Dialoge einzustellen. - Bitte schön, jetzt haben Sie die Gelegenheit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte nur den Angriff von Herrn Hogrefe zurückweisen. Ich habe weder Polemik benutzt noch habe ich hier etwas Falsches behauptet. Ich habe nur festgestellt, dass der erste Satz des Antrages wortwörtlich so in der Begründung des Antrages der Kreistagsfraktion der Union in Verden auftaucht. Ich weiß nicht, warum das hier von Ihnen kritisiert wird. Ich stelle nur fest, dass das der Wahrheit entspricht. Ich verstehe nicht, wieso Sie mich hier irgendwelcher Falschbehauptungen bezichtigen wollen.
Zuständig sein soll der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand? - Damit ist so beschlossen worden.
Erste Beratung: Angemessene Würdigung des 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2068
Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE wird diesen Antrag einbringen. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Dr. Sohn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, weil wir durch das außerordentlich zügige Abarbeiten der Tagesordnung Zeit gewonnen haben, die Einbringung dieses Antrags mit der Empfehlung zweier Ausstellungen verbinden.
Die eine Empfehlung hat Ihnen Herr Dinkla schon zu Beginn dieses Plenums gegeben. Dabei geht es um die Ausstellung „Der Soldat Tolkatchev an den Toren zur Hölle“, die Sie hier im Foyer anschauen können. Wahrscheinlich steht diese Ausstellung nicht zufällig in einem Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung am nächsten Dienstag, in der Frau Bischöfin Käßmann anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee referieren wird. Dabei ist anzumerken, dass Herr Tolkatchev, von dem die Ausstellung im hiesigen Foyer handelt, Soldat dieser Roten Armee war, die bekanntlich die Hauptlast des Krieges gegen die Deutsche Wehrmacht trug und den größten Beitrag aller alliierten Armeen zur Befreiung Deutschlands leistete.
Zweitens möchte ich Ihnen die mithilfe des Niedersächsischen Kultusministeriums durchgeführte Ausstellung empfehlen „Was damals Recht war - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“, die zeitgleich gegenwärtig im Historischen
In beiden Ausstellungen wird eines deutlich: Diese zwölf Jahre von 1933 bis 1945 waren tatsächlich, wie es im hiesigen Foyer heißt, das Tor zur Hölle, das dann 1939 bis 1945 über Deutschlands Grenzen hinaus geöffnet wurde. Die Massaker dieser sechs Jahre sind das Verbrecherischste, was je auf europäischem Boden geschehen ist. Diese Tatsache ist eben auch der Schlüssel zum Verständnis des 8. Mai. Am 8. Mai war nämlich dieser Spuk vorbei. Damit ist der 8. Mai unwiderruflich das herausragende Datum der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Sicher ist: Der 65. Jahrestag dieses zentralen Befreiungstages der europäischen Geschichte wird in Moskau, Paris, London, aber auch vielen anderen Orten Europas würdig begangen werden. Das wird mit der Frage verbunden werden, ob Deutschlands kollektives Gedächtnis mit dem Zeitablauf verblasst oder ob die Mahnung dieses Tages weiterwirkt.
Wir wollen mit unserem Antrag helfen, dass diese Mahnung weiterwirkt. Das zu tun, haben wir in Niedersachsen gute Voraussetzungen. Ich will nur zwei benennen: Wir haben in Niedersachsen, soweit ich das beurteilen kann, auch im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern, ein bemerkenswertes Geflecht bürgerschaftlichen Engagements, das das Gedenken an die Hitlerdiktatur und seine Lehren daraus aufrechterhält. Ich will stellvertretend für viele andere nur die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten - VVN/BdA - nennen. Und wir haben unsere Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, deren Arbeit wir von unserer Fraktion aus hoch schätzen. Ich will hinzufügen: Wir schätzen auch die Arbeit von Frau Heister-Neumann als Vorsitzende des Stiftungsrates dieser Stiftung hoch.
Insofern haben wir in diesem Land gute Voraussetzungen, um unserer Verantwortung für den 8. Mai gerecht zu werden - nach außen und nach innen gerichtet. Zu dem Bereich der nach außen gerichteten Wahrnehmung der Verantwortung aus dem 8. Mai möchte ich Sie auf eine im letzten Jahr vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. herausgegebene kleine Broschüre verweisen, die Herr Rolf Wernstedt mit dem Titel „Deutsche Erinnerungskulturen seit 1945“ verfasst hat.
„In Niedersachsen liegen in Hoersten, Wietzendorf, Oerbke und Sandbostel etwa 100 000 im Lager verhungerte, an Fleckfieber erkrankte und erfrorene sowjetische Soldaten. Sie krepierten manchmal vor den Augen der deutschen Bevölkerung im Winter 1941/42 (wie zum Beispiel in Fallingbostel- Oerbke). …
Ihre Namen, die die Wehrmacht akribisch verzeichnet hatte und die über die Westalliierten an die Sowjetregierung übergeben worden waren, werden erst seit 1991 den Angehörigen mitgeteilt, sofern dies noch möglich ist.“
Nach dem Kriegsgräbergesetz besteht die Pflicht, der im Ausland begrabenen Soldaten mit ihrem Namen zu gedenken, sofern das möglich ist. Vielleicht wäre der 8. Mai ein gutes Datum, dies auch für Niedersachsen als zukünftige Verpflichtung hinsichtlich der mit russischen Namen in Niedersachsen begrabenen Sowjets zu beginnen.
Nach innen regen wir mit unserem Antrag an, schulisch, aber auch außerschulisch u. a. zwei Dinge zu thematisieren:
Erstens. Weder der 30. Januar 1933, als Hindenburg Hitler zum Reichskanzler machte, noch der 1. September 1939, als um 4.45 Uhr das Feuer auf Polen eröffnet wurde, keines dieser beiden Daten fiel vom Himmel. Beide Daten hatten geschichtliche Ursachen und Täter. Wir als Linke meinen, treibende Kraft war nicht nur ein Verrückter, Triebkraft war auch der Expansionsdrang großer Industrieller in Deutschland. Wir wissen, diese Ursachenbeschreibung ist kontrovers, aber wir hoffen, dass wir gemeinsam der Auffassung sind oder werden können, dass man auch die Täterfrage in diesem Zusammenhang stellen muss und den Zweiten Weltkrieg nicht auf ein unterschiedsloses Kollektiv von Opfern reduzieren darf.
Zweitens. Wir sollten unseres Erachtens stärker thematisieren, dass es Widerstand gegen dieses beispiellose geschichtliche Verbrechen jener Zeit gab. Die Ausstellung über die Wehrmachtsjustiz hat eben auch thematisiert, dass es auch in der Wehrmacht eine ganz erhebliche Anzahl gab, die sich diesem Wahnsinn entgegenstellten. Viele
Die Rolle des Widerstands ist auch deshalb so wichtig, weil das in Artikel 20 unseres Grundgesetzes und insbesondere Artikel 20 Abs. 4 - Sie kennen ihn alle: wir haben das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist - festgeschriebene Recht zum Widerstand in unserer Verfassung nur verständlich ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen vor dem 8. Mai 1945, also der Würdigung des christlichen, liberalen, sozialdemokratischen, kommunistischen Widerstands und des Widerstands des Grafen von Stauffenberg und anderer.
Völlig klar ist, meine Damen und Herren: Der 8. Mai 2010, der 65. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, wird europaweit gewürdigt werden. Niedersachsen sollte sich daran angemessen beteiligen. Das anzustoßen, ist Ziel unseres Antrages.
Frau Korter ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Korter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt sicher niemanden in diesem Hause, der die Bedeutung des 8. Mai 1945 geringschätzen würde. Dass der 8. Mai als Tag der Beendigung der Nazidiktatur und als Ende des Zweiten Weltkrieges ein ganz besonders wichtiger Tag in unserer Geschichte ist, darüber sind wir uns doch alle einig. Er ist als Gedenktag für das Selbstverständnis der Republik nicht mehr wegzudenken. Dazu braucht es keinen Änderungs- oder Entschließungsantrag der Linken. Wir Demokraten, die wir auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sollten diesen wichtigen Tag nicht zum Gegenstand parteipolitischer Profilierung im Landtag machen.
Würde die Linke den Titel ihres Antrages „Angemessene Würdigung des 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung in Niedersachsen“ wirklich ernst neh
Meine Damen und Herren, ich stelle dies bewusst voran, weil ich Ihnen auch sagen muss: Ich finde dieses Prozedere hier im Landtag allmählich problematisch. Vor Kurzem haben wir über den Antrag von CDU und FDP diskutiert, mit dem den Schülerinnen und Schülern vorgeschrieben werden sollte, wie sie die DDR-Geschichte zu bewerten haben. Heute kommt der Antrag der Linken zum 8. Mai 1945 gewissermaßen als politische Retourkutsche.
Meine Damen und Herren von der Linken, wenn Sie sich mit Ihrem Antrag auf die Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes berufen, dann sollten Sie das auch in der Differenziertheit tun, die diese Rede so bedeutsam macht. Ich will eine Passage daraus zitieren:
„Wir brauchen und wir haben die Kraft, der Wahrheit so gut wir können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit. Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück.“
Meine Damen und Herren, ich habe das vor wenigen Wochen zum CDU/FDP-Antrag zur DDRGeschichte bereits einmal betont und sage es jetzt noch einmal für meine Fraktion: Die Schule hat den Auftrag, Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, sich eigenständig mit Geschichte auseinanderzusetzen, sich auf der Grundlage fundierten Wissens eine eigene Meinung zu bilden.
Genau dazu hat Richard von Weizsäcker aufgerufen, als er schon 1985 auf die Zwiespältigkeit der Bedeutung dieses Tages hingewiesen hat.
Gerade wenn wir unsere Lehren aus der Geschichte und aus der Katastrophe des Faschismus ziehen wollen, muss die Mündigkeit das oberste Ziel für die Arbeit in der Schule sein. Das aber verbietet es vollkommen, sie als Instrument missbrauchen und unsere eigene Geschichtsinterpretation den Schülerinnen und Schülern aufdrängen zu wollen.
Es gibt eine große Zahl von wissenschaftlichen Untersuchungen über die Ursachen des deutschen Faschismus. Sicher, auch der große Sozialphilosoph Max Horkheimer hat gesagt: „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, der sollte vom Faschismus schweigen.“ Trotzdem: Den Expansionsdrang führender Kräfte des deutschen Kapitals als Hauptursache des Faschismus zu benennen, wie es im Antrag der Linken zu lesen ist, wäre vielleicht in einem Schulungskurs der damaligen DKP in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts aktuell und denkbar gewesen. Aber eine so schlichte und monokausale Erklärung können und dürfen wir unseren Schulen heute nicht vorschreiben, und wir als Grüne wollen das bestimmt nicht.