Meine Damen und Herren von der SPD, Sie stellen auch nach unserer Debatte in der Aktuellen Stunde des letzten Plenums zum Thema „Justizvollzug in Niedersachsen - Fakten zur Kenntnis nehmen!“ die Sicherheit unseres Justizvollzugs erneut infrage. Damit verunsichern Sie die Öffentlichkeit und vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzugs. Dennoch will ich Ihnen heute die Peinlichkeit ersparen, die Erfolgsgeschichte des niedersächsischen Justizvollzugs erneut mit Zahlen, Daten und Fakten zu belegen. Sie alle stehen im Protokoll.
So viel aber muss an dieser Stelle doch noch einmal gesagt werden: Wir haben deutlich weniger Ausbrüche als zur Zeit Ihrer Regierungsverantwortung. Wir haben deutlich weniger Entweichungen. Wir haben deutlich weniger Missbräuche bei Vollzugslockerungen. Wir haben einen stetigen Rückgang bei den tätlichen Auseinandersetzungen unter den Gefangenen. Wir haben sogar weniger Suizide als in den Jahren zuvor, wobei ich bei diesem sensiblen Thema sehr vorsichtig sein und es nur mit großer Einschränkung in eine Leistungsbilanz hineinnehmen will.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin nicht nur stolz auf den niedersächsischen Justizvollzug, sondern ich stehe auch zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf diesem schwierigen Arbeitsfeld mit großem Engagement mit für die Sicherheit in unserem Lande sorgen. Ich werde es nicht zulassen, dass perfide Argumentationsketten aufgebaut werden, um damit die Öffentlichkeit zu verunsichern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzugs zu verunglimpfen.
Zu Frage 1: Die Landesregierung hat keine Stelleneinsparungen im Justizvollzug beschlossen und kann vor diesem Hintergrund auch keinen Zusammenhang zur Sicherheit herstellen.
Zu Frage 2: Der Personalbedarf im niedersächsischen Justizvollzug wird regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Grundlage hiefür sind die Ergebnisse der Personalbedarfskommission, die regelmäßig durch Organisationsuntersuchungen vor Ort den Bedarf im mittleren allgemeinen Vollzugsdienst und im Werkdienst prüft und bewertet. Dabei werden insbesondere die baulichen, sicherheitstechnischen und organisatorischen Bedingungen der jeweiligen Anstalt sowie ihrer einzelnen Abteilungen, Funktionsbereiche und Stationen berücksichtigt.
Die Ergebnisse der aktuellen Personalbedarfsberechnung werden über einen Stellenausgleich zwischen den Anstalten in den nächsten Jahren voraussichtlich bis zum Jahr 2012 umgesetzt. Dabei werden im Wesentlichen fünf Anstalten Stellen an andere Anstalten abgeben, und zwar die JVA Celle einschließlich der Abteilung Salinenmoor ca. 32 Stellen, die JVA Sehnde einschließlich Bad Gandersheim ca. 19 Stellen, die JVA Hannover einschließlich der Abteilung Langenhagen ca. 21 Stellen, die JVA Uelzen einschließlich der Abteilungen Lüneburg und Stade ca. 5 Stellen, die JVA Wolfenbüttel einschließlich der Abteilungen Königslutter und Goslar ca. 22 Stellen. In diesen Anstalten werden jeweils durch Altersabgänge oder Versetzungen frei werdende Stellen an andere Anstalten verlagert. Die vollständige Umsetzung kann voraussichtlich bis 2012 abgeschlossen werden.
Versetzungen oder Abordnungen ohne Einverständnis der Beschäftigten erfolgen nicht. Stellenzuweisungen werden die Jugendanstalt Hameln,
die Justizvollzugsanstalten Oldenburg, Rosdorf und Braunschweig sowie die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta erhalten.
Zu Frage 3: Als Sofortmaßnahme hat der Leiter der JVA Hannover eine intensivere Kontrolle des ausgehenden Warenverkehrs angeordnet. Hiernach werden insbesondere alle Kartonagen, Behältnisse und sonstige Waren, in denen sich ein Mensch verbergen kann, vor ihrer Abholung nach einem Vier-Augen-Prinzip überprüft. Bei betrieblichen Engpässen und Auftragsspitzen geht die Sicherheit der Anstalt selbstverständlich vor. Darüber hinaus sind Ermittlungen zum Kreis der Gefangenen veranlasst worden, die ihrem Mitgefangenen bei der Entweichung behilflich waren. Bisher konnten zwei Mitgefangene identifiziert werden. Bezüglich der beteiligten Gefangenen wurden die erforderlichen vollzuglichen Maßnahmen ergriffen. Diese Ermittlungen und die der Polizei sind noch nicht abgeschlossen.
Außerdem hat das Justizministerium unmittelbar nach der Entweichung ein Analyseteam eingesetzt, das den Auftrag hat, den genauen Hergang des Ausbruchs zu rekonstruieren, die Ursachen und die begünstigenden Faktoren zu analysieren sowie etwaige Handlungsbedarfe aufzuzeigen. Das Analyseteam nimmt vor allem die Kontrollstandards, die betriebliche Organisation, den Personaleinsatz und die räumlichen Verhältnisse in den Blick. Es wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Anstalt über Jahre hinweg den ganzen erheblichen Warenverkehr für die Betriebe durch rund 2 500 Fremdfahrzeuge im Jahr bisher erfolgreich abgewickelt hat.
Das Analyseteam wird sich auch mit der Überlegung befassen, ob neben den sonst üblichen Kontrollmaßnahmen der Einsatz eines sogenannten Röntgenprüfsystems für Palettenfracht zweckmäßig ist, mit dem besonders großvolumige Waren kontrolliert werden können. Im Übrigen sind für die Kontrolle der Postpakete, der Habe der Gefangenen sowie der von Besuchern mitgeführten Gegenstände die Einrichtungen des geschlossenen Justizvollzugs bereits seit Jahren mit den kleineren Röntgenprüfsystemen, den sogenannten Durchleuchtungsgeräten, ausgestattet.
Vielen Dank. - Zu einer ersten Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Weddige-Degenhard von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: Wenn uns allen unsere Sicherheit so wichtig ist - das stelle ich hier einmal voran - und Sie, Herr Busemann, hier sagen, dass auch Ihnen die Sicherheit der Justizvollzugsanstalten so am Herzen liegt, wie können Sie diese Sicherheit dann auch weiterhin sicherstellen, wenn im Ergebnis der sogenannten Schmidt-Kommission ein derartiger Personalabbau, wie Sie ihn eben geschildert haben, vorgenommen werden soll?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin, ich kann Ihnen meine eben vorgetragene Antwort nur noch einmal schriftlich geben. Sie bekommen sie ja auch noch in Schriftform. Es gibt keinen Personalabbau! Bei unseren Justizvollzugsanstalten arbeitet eine Kommission - 1985 erstmals eingerichtet und danach immer wieder, beispielsweise 2004 -, die genau überprüft, welche Bewegungen im Justizvollzug stattfinden. Wird es beispielsweise im Jugendvollzug mehr und im offenen Vollzug weniger? Wird es im geschlossenen Vollzug, welcher Sicherheitsstufe auch immer, mehr? - Auf dieser Grundlage muss der Personaleinsatz im ganzen Lande austariert werden.
Wir haben neue Vollzugsanstalten gebaut, z. B. in Rosdorf und Sehnde. Damit waren Umstrukturierungen im System verbunden. Möglicherweise kommt in den nächsten Jahren die Vollzugsanstalt Bremervörde im Rahmen eines ÖPP-Projekts hinzu. Auch dann werden wir ausgleichen müssen.
Es wird also standort- und bedarfsgerecht eine Verschiebung von Personal stattfinden, aber kein Personalabbau. Ich verwahre mich gegen die nochmalige Unterstellung, hier finde unter Inkaufnahme von Sicherheitsrisiken ein Personalabbau statt. Dem ist nicht so.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich frage Sie, ob angesichts des Vorfalls in der JVA Hannover Änderungen bei den technischen Sicherheitsvorkehrungen in den Justizvollzugsanstalten geplant sind.
(Zuruf von der CDU: Das hat er doch gerade gesagt! - Heinz Rolfes [CDU]: Er hat diese Frage zwar schon be- antwortet! Das kann er aber gerne noch einmal machen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Tonne, eine Entweichung oder einen Ausbruch will man natürlich nicht, und das soll auch nicht vorkommen. Also geht man einem solchen Vorgang sehr genau nach, um herauszufinden, welche Ursache es dafür eventuell gegeben hat und woran es gelegen hat, und Schlussfolgerungen zu ziehen.
In diesem Fall möchte ich vorweg sagen - noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen -: Hier liegt kein Problem des Gebäudezustandes, kein Problem der Personalausstattung - sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst als auch in der Werkstatt - und kein Problem der Sicherheitskonzeption, der eingesetzten Sicherheitstechnik usw. vor.
Es kann vielleicht einmal vorkommen - das sage ich mit allem Bedacht -, dass hier von Menschen einmal nicht aufgepasst worden ist.
Das muss auch möglich sein. Niemand ist in seinem Berufsleben perfekt. Daher bricht der Justizminister nicht über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug, die vielleicht einmal einen Fehler gemacht haben, den Stab. Das kann passieren, auch wenn wir das alle nicht wollen.
Dann wird analysiert, wie die Abläufe waren und ob es Komplizen gab, was hier wohl der Fall war. Anschließend muss geschaut werden, ob wir das eventuell miteinander abstellen können. Durch mehr Aufmerksamkeit der Bediensteten ist das allemal möglich. Ob bei Großkartonagen oder Paletten ein Beleuchtungsgerät noch zusätzliche
Sicherheit schaffen kann, würde ich einmal als offene Frage dahinstellen. Das kann durchaus sein. Hier gab es allerdings ein reines Aufmerksamkeitsproblem. Wenn die 100-prozentige Aufmerksamkeit gewährleistet ist, dann ist auch die entsprechende Sicherheit hergestellt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte für die SPD-Fraktion gleich zwei Fragen stellen, aber möchte vorweg Herrn Busemann auf das Protokoll über die Plenarsitzung im April 2008 verweisen. Damals haben wir den Bediensteten im Strafvollzug sehr wohl ein deutliches Lob ausgesprochen, weil wir genau wissen, unter welchen Rahmenbedingungen dort gearbeitet wird.
Daher weise ich diese Aussage auf das Entschiedenste zurück. Wir wissen, wie dort gearbeitet wird, und wissen das auch zu schätzen.
Die erste Frage der SPD lautet: Wie sieht die Personalausstattung in dem Bereich, in dem der Ausbruch passiert ist, im Soll aus? Und wie ist die Istsituation am Ausbruchstag gewesen?
Weil wir gerade wieder das Hohelied des Strafvollzugs in Niedersachsen hören durften, möchte ich gleich die zweite Frage hinterherschicken. Wie hat sich die Anzahl der Lockerungen im niedersächsischen Vollzug in den letzten fünf Jahren entwickelt? Dann kann man nämlich auch in Relation dazu setzen, warum die Anzahl der Ausgangsverweigerer deutlich zurückgegangen ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, einen Soll/Ist-Abgleich auf den Tag des Ausbruchs bezogen kann ich Ihnen nicht liefern.
- Herr Jüttner, ich kann Ihnen aber sagen, dass in dieser JVA in der vergangenen Woche 833 Häftlinge untergebracht waren und mit 564 Bediensteten ein fast schon sagenhafter, optimaler Wert vorhanden war.
Personalunterdeckung usw. ist dort nicht der Fall. Das können Sie mit dem Ausbruch auch nicht in Zusammenhang bringen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Frage beantworten! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Wir möchten die Frage beant- wortet haben! - Weitere Zurufe - Glo- cke des Präsidenten)
Die Antwort auf die Frage nach den Lockerungen muss ich Ihnen nach Auswertung der Statistik des Vollzugs der letzten Jahre nachliefern.