Protocol of the Session on January 20, 2010

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Grascha für die FDP-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Diskussionen über die Frage, wie wir privates Kapital für öffentliche Aufgaben akquirieren können, wird immer wieder suggeriert: Ein Privater möchte oder muss sogar eine Rendite erzielen - was richtig ist -, und das ist per se etwas Schlechtes. - Da möchte ich für meine Fraktion ganz klar festhalten: Wir sagen bewusst Ja zu diesem Wettbewerb; denn durch höhere Produktivität kann auch eine gute Rendite erwirtschaftet werden. Insofern profitieren beide Seiten davon.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Funktionierender Wettbewerb auch in dieser Frage ist das Fundament unserer sozialen Marktwirtschaft. Die Ablehnung von ÖPP durch die Fraktion DIE LINKE bereitet dagegen dem Todfeind einer guten Marktwirtschaft den Boden, nämlich dem Monopol.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Eine ÖPP ist ein Monopol! Sie haben jahre- lang nur einen Partner!)

Erklärte Ziele der Linken sind die Verhinderung von ÖPP sowie die Rekommunalisierung - im Klartext: die Verstaatlichung. Das würde das Ringen um die beste Lösung verhindern. Halten wir erst einmal fest: Sie stehen für monopolistische Strukturen, wir Liberalen stehen für den Wettbewerb - Einfalt gegen Vielfalt.

An dieser Stelle möchte ich klar sagen - das hat auch der Kollege Hilbers hier deutlich gemacht -: ÖPP ist nicht das Ziel, sondern ein Weg zu unseren Zielen.

Was sind unsere Ziele? - Wir stehen vor der großen Herausforderung, einen riesigen Stau bei den öffentlichen Investitionen sukzessive abbauen zu müssen. Wir wollen klimafreundlich, wir wollen wirtschaftlich, wir wollen nachhaltig bauen.

Hier kann ÖPP eine Antwort sein, muss sie aber nicht. Wir wollen, dass in jedem Einzelfall geprüft wird, welche Lösung die wirtschaftlichste ist. Hier wollen wir Wettbewerb und eine Vergleichsmöglichkeit.

Herr Dr. Sohn, das, was Sie der Europäischen Union unterstellen, ist schlicht falsch. Im Kern will die EU eine Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Maßnahmen. Die EU und übrigens auch Niedersachsen wollen genau das: Wir wollen die Gleichbehandlung und keine Diskriminierung. Wir wollen nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich wirft die Wirtschafts- und Finanzkrise Fragen auf, gerade was die Folgen für ÖPP-Projekte angeht, beispielsweise bei der Frage der Kapitalbeschaffung, die gegebenenfalls schwieriger sein wird, oder bei der Frage, wie sich Zinsen bei schlechter werdender Bonität entwickeln.

Um die Bedeutung, die ÖPP aber schon heute hat, deutlich zu machen, möchte ich Ihnen einige Zahlen nennen. Seit 2003 sind in Deutschland 117 Hochbauprojekte mit einem Investitionsvolumen von 3,43 Milliarden Euro über ÖPP umgesetzt worden. Im Verkehrsbereich waren es sieben Projekte mit 1,7 Milliarden Euro. Auch im Jahre 2009, das bekanntermaßen ein sehr schwieriges Jahr war, wurde allein bis Ende Mai ein Investitionsvolumen von 800 Millionen Euro in Auftrag gegeben.

Schauen wir in die Zukunft: Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik sind von 2006 bis 2020 bundesweit Investitionen der Kommunen von 704 Milliarden Euro notwendig, große Summen davon allein im Straßenbau und bei den Schulen. Da müssen wir uns schon die Frage gefallen lassen, wie wir diese Megaaufgabe stemmen wollen.

Zusammenfassend will ich für meine Fraktion festhalten: Wir wollen den öffentlich-privaten Wettbewerb. Wir wollen ihn, weil er zur Innovation, Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit beiträgt. Sie wollen an der Stelle das Monopol für den Staat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Wilhelm Heidemann [CDU])

Meine Damen und Herren, Herr Bode hat sich zu Wort gemeldet. Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Einbringung des Antrags in der Aktuellen Stunde durch Herrn Dr. Sohn ist aufgefallen, dass man die Begriffe Privatisierung und ÖPP miteinander vermischt hat, was man in diesem Zusammenhang nicht tun sollte. Sinnvollerweise sollte man sich damit auseinandersetzen, was Thema der Aktuellen Stunde ist, nämlich mit der Mitteilung der Europäischen Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften. Deshalb möchte ich mich darauf konzentrieren.

Unabhängig davon ist ganz klar - ich bitte darum, mich da nicht falsch zu verstehen -, dass ich für Privatisierung bin, in den richtigen Bereichen und mit entsprechenden Wettbewerbsregeln hinterlegt. Aber um diese Frage geht es hier und heute eben nicht.

Worum geht es überhaupt? - Der Europäischen Kommission geht es in dem Papier insbesondere um die Bedeutung von öffentlicher und privater Partnerschaft aus der Sicht der Europäischen Kommission, um den bisherigen Beitrag, den die Kommission selber bisher dazu bei konkreten Vorhaben geleistet hat, und darum, wie die Europäische Kommission dies weiterentwickeln möchte, um noch mehr vorhandene Potenziale zu heben. Daher hat sie auch Ad-hoc-Maßnahmen für das Jahr 2010 benannt.

Meine Damen und Herren, ich werde mich bei der Bewertung auf zwei Bereiche konzentrieren. Lassen Sie mich aber zunächst etwas zur Einschätzung von öffentlich-privater Partnerschaft in Niedersachsen sagen. Wir haben in diesem Themenbereich eine lange Geschichte. Bereits in den 80er-Jahren hat Birgit Breuel mit den Betreibermodellen in der Abwasserbeseitigung dieses Neuland in Niedersachsen betreten und Pilotprojekte angeschoben, die gut gestartet sind und erfolgreich waren. Nachdem das Thema ÖPP in den 90erJahren etwas geruht hat, wurde es 2004 von der Landesregierung wieder aufgegriffen. Ein Kompetenznetzwerk PPP wurde eröffnet. ÖPP wurde wiederbelebt. Wir wollten hier Potenziale für Niedersachsen heben.

Deshalb stellt sich die Frage: Warum wollen wir diese Beschaffungsvariante in den Vordergrund stellen? - Weil die ÖPP-Projekte, die das Land und insbesondere die kommunale Ebene durchgeführt haben, zeigen, dass wir fristgerechte Realisierungen haben, haushaltskonforme Umsetzungen

stattgefunden haben und sich diese Partnerschaftsstrukturen in der Praxis grundsätzlich bewährt haben. Diese Projekte haben die Rentabilität der Infrastruktur verbessert, weil wir diese Projekte nämlich nur dann gemacht haben, wenn wirtschaftliche Vorteile nachgewiesen worden sind. Die Prämisse muss immer sein, dass es unabhängig von der Trägerschaft, also der Frage, wer etwas durchführt, immer die wirtschaftlichste Ausführungsart sein muss.

(Zustimmung von Wilhelm Heidemann [CDU])

Dann ergeben sich nämlich Haushaltsvorteile und eine Haushaltsentlastung. Bei der Betrachtung eines Gesamtsystems und des Gesamtlebenszyklus eines Produktes oder eines Projektes kommt man dann zu anderen Ergebnissen, als wenn man nur kameralistisch nach einzelnen Haushaltsjahren an Dinge herangeht. Auch das ist nachhaltige Finanzierung und Umsetzung für den Bürger.

Meine Damen und Herren, man muss ebenfalls auch einmal über Risiken reden. Bei öffentlichprivater Partnerschaft werden diese Projektrisiken zwischen dem öffentlichen und dem privaten Teil verteilt. Deshalb begrüße ich auch die Ad-HocMaßnahmen der EU für 2010. Das ist zunächst die Aufstockung der für ÖPP zur Verfügung stehenden Mittel. Da ergibt sich natürlich immer die Frage, was man in etwas hineininterpretiert. Herr Dr. Sohn versucht, in die Mitteilung der Europäischen Kommission etwas hineinzudichten, was dort tatsächlich gar nicht steht. Es geht im Gegenteil nicht um eine Diskriminierung anderer Trägerschaften, sondern darum, dass es beide Möglichkeiten gibt und man diskriminierungsfrei entweder über den ÖPPWeg oder über den klassischen konservativen Weg geht.

Meine Damen und Herren, diese Diskriminierung muss man vermeiden. Die Wirtschaftlichkeit eines Projektes muss immer klar im Vordergrund stehen. Für die Wirtschaftlichkeit ist immer auch die Frage des Zeitpunktes der Realisierung eine wichtige Größenordnung. Durch ÖPP kann man natürlich auch Realisierungszeitpunkte nach vorne ziehen und somit Wirtschaftlichkeit verbessern.

Deshalb sind wir in Niedersachsen der festen Überzeugung, dass die Europäische Kommission mit ihrem Papier einen guten Beitrag liefert und es für die Inhalte sehr gute Gründe gibt. Wir in Niedersachsen sind ebenfalls optimistisch, weil wir eine sichere Grundlage haben. Aus der Erfahrung der Vergangenheit wissen wir, dass wir nach unse

ren Vorgaben immer nur die wirtschaftlichen Projekte und die wirtschaftlichen Vorteile heben. Das werden wir weiterhin so tun. Deshalb ist das, was Sie in der Überschrift geschrieben haben, schlicht falsch. Öffentlich-private Partnerschaften führen natürlich nicht in die Krise, egal welche Ideologie Sie hier verbreiten.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Wilhelm Heidemann [CDU])

Meine Damen und Herren, nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Dr. Sohn, Sie haben anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bode, ich will gar nicht um das richtige Zitieren streiten. Lesen Sie sich einfach den zweiten Spiegelstrich auf Seite 16 der EU-Drucksache noch einmal durch. Da geht es um Umschichtung und zusätzliche Mittel für ÖPP.

Was die guten Erfahrungen anbelangt, die Sie angesprochen haben, möchte ich Sie nur auf Ihre eigene Seite, auf die des Wirtschaftsministeriums, aufmerksam machen. Wir haben sie am Montag abgerufen. Ich hoffe, sie hat sich inzwischen nicht verändert. Da werden die niedersächsischen PPPProjekte gefeiert. Dann kann man das Kleingedruckte lesen, wo verfolgt werden kann, wie der Sachstand dieser PPP-Projekte sei. Ich will Ihnen das wegen der Zeit nicht vortragen. Ostfriesland, Goslar, Georgsmarienhütte - bei allen PPP-Projekten wird vermerkt, dass man sich doch anders entschieden habe, weil die Wirtschaftlichkeitsberechnungen daneben gehen, übrigens auch deshalb, weil die örtlichen Handwerker nicht vernünftig einbezogen werden konnten. Das vielleicht an die Adresse der FDP.

(Christian Grascha [FDP]: Das sind Einzelfälle!)

Ich will nur einen letzten Hinweis darauf bringen, wie dramatisch die Fehlentscheidung ist und wie wenig manche wirtschaftlichen Folgen einkalkuliert werden. Sie kennen das, weil das sozusagen in Ihrem Territorium passiert ist: Das Kreuz an der A 1 zwischen Hamburg und Bremen ist mit PPPMitteln gebaut worden. Dafür hat die A 1 mobil GmbH für die nächsten Jahre einen Teil der LkwMaut kassiert; sie ist vertraglich dazu berechtigt.

(Glocke des Präsidenten)

Nun gibt es da Stau und haben die Lkw dort mehrere Unfälle verursacht. Aber anstatt dann für die Lkw andere Wege zu finden, hat die GmbH gesagt: Das geht nicht, dann sind wir pleite. Wir haben ein Recht auf diese Lkw-Maut! - Jetzt macht das niedersächsische Straßenbauamt alle möglichen Sachen - - -

Herr Dr. Sohn, ein letzter Satz, bitte!

- - - die wir bezahlen, damit die Lkw-Maut weiter fließt und andere Maßnahmen getroffen werden können, um diese Unfallträchtigkeit, die schon fünf Todesopfer gefordert hat, einzustellen. Das sind die konkreten Ergebnisse Ihres ÖPP-Ideologiewahns, Herr Bode!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bode möchte antworten. Bitte schön, Herr Minister!

Meine Damen und Herren! So, wie Herr Dr. Sohn es gesagt hat, kann man das natürlich nicht stehen lassen. Auf der Seite des Wirtschaftsministeriums, die Sie ansprechen, haben wir genau dargestellt, dass wir mit Modellprojekten prüfen wollten, wie wir PPP sicher und besser machen, den kommunalen Interessenten Hinweise geben, worauf man achten muss, und auch feststellen können, wo PPP geht und wo nicht.

Deshalb ist es völlig richtig, dass man in einigen Bereichen feststellt: Da lasst uns das lieber nicht machen. - Das haben wir dann auch dargestellt, damit alle wissen, da sollte man den Weg nicht weiter-, sondern zurückgehen. In anderen Bereichen hingegen eignet sich PPP. Da bringt es wirtschaftliche Vorteile; da sollte man es machen. Auf unserer Homepage sind beide Situationen dargestellt, damit sich jeder - auch Interessenten von der kommunalen Seite - informieren kann.

Zu dem, was Sie gerade zur A 1 dargestellt haben: Wenn Sie sich etwas besser informiert hätten, dann hätten Sie gesehen, dass es gerade bei der A 1 kein niedersächsisches PPP-Projekt ist. Viel

mehr ist das ein Projekt, das der Bund direkt mit dem Betreiberkonsortium gemacht hat.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das weiß ich wohl! Das macht die Sache aber nicht besser, Herr Bode!)

Wir sind jetzt bei der Ausführung mit dabei und werden natürlich dafür Sorge tragen, dass die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfluss auf der A 1 gewährleistet werden. Das Betreiberkonsortium wird selbstverständlich bei der Baumaßnahme nachbessern. Auf dem Bau - das wissen wir - wird etwas, was nicht 100-prozentig funktioniert, ausgebessert, und die Bürger haben keinen Nachteil.

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Punkt 10 e liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf: