Protocol of the Session on January 20, 2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ÖPP ist eines von verschiedenen Finanzierungsinstrumenten, um öffentliche Dienstleistungen einzukaufen. Es ist eine Alternative dazu, dass die öffentliche Hand alles selbst tut. Ich kann mir das, was hier bislang vorgetragen worden ist, nur mit Ideologie erklären. Das gilt insbesondere für das, was Sie vorgetragen haben, Herr Dr. Sohn. Sie sind grundsätzlich gegen ÖPP-Projekte. Ansonsten könnte man die Mitteilung der EU nicht so uminterpretieren, wie Sie es getan haben. Man sollte sich die Regelungen der EU einmal im Detail anschauen.

Ich will vorweg sagen, dass Niedersachsen mit PPP-Projekten durchaus positive Erfahrungen gemacht hat, weil in Niedersachsen diese Projekte

nur dann durchgeführt werden, wenn man nach einer dezidierten Wirtschaftlichkeitsprüfung, die in der Regel auf den Lebenszyklus eines Projektes abzielt, am Ende zu der wirtschaftlichsten Lösung kommt. Wenn die wirtschaftlichste Lösung die Voraussetzung für die Durchführung eines PPPProjektes ist, kann man davon ausgehen, dass all die Projekte, die wir durchgeführt haben, in strenger Orientierung an der Wirtschaftlichkeit durchgesetzt worden sind. Auf diese Weise machen wir uns die Vorteile von PPP-Projekten zunutze. Wir entscheiden dann in jedem Einzelfall neu.

Wir können über einzelne Maßnahmen ja diskutieren. Ihre Kritik daran, dass wir es hier mit einem wirksamen Instrument zu tun haben, um Wirtschaftlichkeit und Effizienz in unser Handeln hineinzubringen, ist falsch.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns einmal die Ziele an, die wir vor Augen haben. Wir haben es mit einer enormen Herausforderung, was den Klimaschutz angeht, zu tun. Die Kommunen schließen unter dem Aspekt des Klimaschutzes Contracting-Verträge in Bezug auf den Wärmebereich für ihre großen kommunalen Gebäude ab, wodurch in Heizungsanlagen investiert werden kann, wofür ihnen selbst das Geld fehlt, wobei sie anschließend nicht mehr Geld bezahlen, als sie auch jetzt bezahlen, weil sie Heizkosten sparen. Damit wird etwas für den Klimaschutz getan. Das sind doch PPP-Projekte, die Sinn machen. Diese Projekte sollten wir nicht unterbinden. Man sollte sie im Gegenteil fördern und unterstützen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Schauen wir uns einmal an, was die EU möchte. Die EU sieht ÖPP-Projekte als durchaus bedeutende und effizienzsteigernde Form der Erledigung öffentlicher Aufgaben an. Dagegen spricht, wie ich denke, grundsätzlich nichts. Die EU spricht in ihrer Mitteilung für 2010 von Maßnahmen. Es heißt in der Mitteilung:

„Die Kommission richtet eine ÖPPGruppe ein, in der alle einschlägigen Interessengruppen ihre Anliegen und Ideen im Zusammenhang mit ÖPPs erörtern können. Falls erforderlich, gibt sie Leitlinien heraus, um den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, den Verwaltungsaufwand und Verzögerungen bei der Umsetzung von ÖPPs zu verringern: In diesem Zusammen

hang prüft sie Möglichkeiten, Baugenehmigungen für ÖPPs zu erleichtern und zu beschleunigen.“

(Zustimmung bei der CDU)

Dagegen kann man doch nichts haben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann hat die EU-Kommission in dieses Papier geschrieben:

„Die Kommission überprüft die einschlägigen Vorschriften und Verfahren, um zu gewährleisten, dass es in Fällen, in denen Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt fließen, bei der Zuweisung öffentlicher Mittel keine Diskriminierung zwischen der privaten oder öffentlichen Verwaltung des Projekts gibt.“

Auch das ist doch ausgesprochen vernünftig, dass wir bei der Vergabe von Fördermitteln darauf achten, dass keine unwirtschaftlichen Entscheidungen getroffen werden.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Des Weiteren schlägt die Kommission einen effizienteren Rahmen für Innovationen vor, wozu auch die Möglichkeit der EU gehört, bei privaten Dienstleistungen weiter voranzukommen. Auch sollen die Konzessionen im Dienstleistungsbereich vereinfacht werden; die Folgenabschätzungen sollen verbessert werden.

Das sind Dinge, die die Europäische Kommission in ihr Papier geschrieben hat. Das alles sind Maßnahmen, gegen die man im Kern nichts haben kann, es sei denn, man ist grundsätzlich der Auffassung, ÖPP sei Teufelszeug und man will so etwas nicht machen. Das ist dann eben Ideologie. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

Wir meinen, dass wir gerade die Herausforderungen unserer Zeit - auch im Hinblick auf den Klimaschutz, auch im Hinblick auf wichtige Investitionen im Verkehrsbereich, in Infrastruktur - dadurch meistern können, dass wir privates Kapital für diese wichtigen Aufgaben mitmobilisieren. Dem sollten Sie sich nicht ideologisch entgegenstellen, sondern dann mit uns über die einzelnen Projekte diskutieren. Wenn Sie dann hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit anderer Auffassung sind, können wir diskutieren.

Grundsätzlich abzulehnen, dass solche Möglichkeiten eröffnet werden und dass auch die EU sich damit auseinandersetzt, kommt für uns nicht infrage. Ich kann da keinen Zangengriff und keine Erpressung erkennen. Es handelt sich ausschließlich um freiwillige Maßnahmen. Niemand muss bei dieser Veranstaltung mitmachen. Jeder kann schauen, wie er zurechtkommt. Es werden auch keine Gelder umgeleitet. Insofern bin ich froh, dass die Landesregierung dem positiv gegenübersteht und wir diese Maßnahme mit ins Kalkül ziehen, wenn es darum geht, unsere Aufgaben zu erledigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Aller für die SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie man aus zwei gleichen Papieren so unterschiedliche Ergebnisse herauslesen kann. Herr Hilbers, eines ist doch klar: Wenn ein anderer als die öffentliche Hand Kapital einbringt, dann erwartet er eine Rendite. Diese Rendite muss über die Laufzeit des PPP-Projekts erbracht werden; sonst investiert niemand sein privates Kapital. Der Kapitalertrag muss mindestens so hoch sein, wie er an anderer Stelle erreicht werden könnte.

Damit stehen wir vor dem Kernproblem. Finanziert werden sowohl öffentliche Investitionen als auch PPP letztlich durch den Bürger, durch den Steuerzahler. Deshalb ist der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ bei der Beurteilung von PPP-Modellen so entscheidend. Uns hat es eigentlich nicht überrascht, dass im Zusammenhang mit der Krise ein erneuter Vorstoß unternommen wird, PPP-Modelle voranzutreiben.

Das scheinbar harmlose Papier der Europäischen Union mit vielen Seiten ist mir nur deshalb aufgefallen - ich habe dann versucht, das im Haushaltsausschuss zur Debatte zu bringen -, weil darin stand: Wir werden die Strukturhilfemittel möglicherweise so steuern, dass sie nur dann zur Verfügung gestellt werden - entgegen der Aussage „keine Diskriminierung“ -, wenn PPP-Modelle zur Wirkung kommen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das steht nicht darin! - Gegenruf von Dr. Man- fred Sohn [LINKE]: Doch!)

So steht es darin. Genau das ist der goldene Zügel, die Steuerung hin zu mehr PPP.

Das Zweite ist die Ausweitung des Katalogs für PPP-Modelle weit über den bisher im Mittelpunkt stehenden Baubereich hinaus auf Felder der Beschaffung und der Dienstleistung - ohne Ende, wie Sie feststellen werden, wenn Sie genau hingucken.

Nun war die Frage: Wie bringt sich Niedersachsen mit seinen durchaus positiven Erfahrungen eigentlich in diesen Diskussionsprozess ein? - Das ist eine Kernfrage unseres Anspruchs, an europäischen Entscheidungen mitzuwirken.

Der Begriff „Mitteilung“ ist so harmlos, dass man sich kaum etwas Harmloseres vorstellen kann. Da teilt die EU mit: Wir haben da ein paar Ideen; hört euch die einmal an! - Jetzt geht das Verfahren los. Wir alle als Abgeordnete müssen in allen Fachausschüssen aufpassen, wenn solche Mitteilungen an uns weitergereicht werden. Das sind dicke Pakete Papier, die einen ersten Anstoß und eine erste Beteiligung bedeuten. Aber wenn wir nicht aufpassen, ist das Parlament außen vor und hat gar nichts zu sagen.

In diesem Fall haben wir durch Zufall, aber rechtzeitig interveniert. Das Wirtschaftsministerium musste Stellung nehmen. Wir haben sogar rechtzeitig vor der Stellungnahme der Landesregierung - nicht des Parlaments - zu den PPP-Themen die Möglichkeit gehabt, im Haushaltsausschuss zu hinterfragen: Was wollt ihr denn nun eigentlich?

Dann ist ein mehrseitiges Papier vorgelegt worden, das im Fazit - da hat Dr. Sohn völlig richtig zitiert - schlicht und einfach sagt: Wir finden das toll. Wir stimmen dem im Großen und Ganzen zu. Wir begleiten das künftig je nach Sachlage.

Wenn ein Parlament sich in einer zentralen Frage der Struktur- und der Finanzpolitik des Landes so enteiern lässt, hat es selber Schuld. Deshalb ist es gut, dass wir diesmal zum ersten Mal in dieser Klarheit - - -

Herr Kollege Aller, ich möchte Sie bitten, den Ausdruck, den Sie eben verwendet haben, noch einmal zu überdenken.

Das ist ein Begriff aus der Tiermedizin. Der ist durchaus gängig; den kann man anwenden.

Herr Kollege, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Oh, danke schön!

(Heiterkeit)

- Gleich kriege ich noch einen.

Es ist unerträglich, dass das Parlament in einer solchen Art und Weise praktisch ausmanövriert wird.

Worum geht es? - Wenn Herr Hilbers sagt, wir wollen, dass jeder Einzelfall geprüft und nach Wirtschaftlichkeit beurteilt und entschieden wird, ist das in Ordnung. Warum schreibt die Landesregierung nicht heute schon in ihre Stellungnahme an den Bundesrat und damit nach Europa „Dies ist eine erprobte und in Niedersachsen gewollte Veranstaltung“? Warum prüft die Landesregierung nicht, warum sie sechs Jahre gebraucht hat und ihr erstes und einziges PPP-Projekt, eine Justizvollzugsanstalt, immer noch nicht auf die Reihe gebracht hat?

Der Grund dafür, dass die Landesregierung mit ihrer Justizvollzugsanstalt immer noch nicht weiter ist, liegt darin, dass das Verfahren kompliziert ist, und zwar insbesondere weil der Nachweis erbracht werden muss, dass das PPP-Projekt wirklich günstiger ist als das herkömmliche Verfahren der öffentlichen Bauverwaltung mit öffentlichen Mitteln.

Daran werden doch die Schwächen von PPP ganz deutlich. Die einem Wunschdenken entstammenden Vorstellungen erweisen sich als nicht erreichbar.

Deshalb kündige ich für die SPD an: Wir werden an diesem Beispiel begleitend tätig werden und gucken, wie die Landesregierung bei der europäischen Willensbildung zu einem zentralen Punkt, der die Kommunen, das Land, Deutschland insgesamt und verschiedene Branchen betrifft, weiter vorgehen wird.

Herr Klein hat eine Bilanz aus der Bauwirtschaft vorgetragen: 144 Projekte und 4 % der Bausumme nach 15 Jahren aggressiven Lobbyismus für PPP. - Dieses Ergebnis ist relativ schwach. Deshalb

braucht man wohl die Unterstützung aus Europa, wie sie jetzt angelegt ist.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Grascha für die FDP-Fraktion. Bitte!