Was haben wir schon für glänzende Predigten gehört - ich hätte beinahe gesagt: über uns ergehen lassen -, und am anderen Tag waren sie vergessen, niemand hat mehr darüber gesprochen, oder man hat allenfalls gesagt: Das hat sie oder er denen aber schön gesagt. - Dies hier, so zugespitzt - - - Der Text liegt mir vor. Sie hat in vielen Fällen gesagt: „Nichts ist gut in Sachen Klima …, Nichts ist gut in Afghanistan.“ Diese Formulierung hat sie viermal verwendet. Dann hat sie im Grunde davon gesprochen, wie der Militäreinsatz in Afghanistan ist, dass er nicht angemessen ist und die zivile Unterstützung stärker ausgeprägt sein muss. Ich sage dazu: Natürlich muss darüber diskutiert werden!
Aber es war auch Frau Göring-Eckardt, die sagte: In Afghanistan ist mit militärischen Mitteln kein Erfolg zu erzielen. Eine Aufbauhilfe ohne militärische Absicherung ist aber ebenfalls nicht möglich. - Nun sage ich Ihnen auch, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn wir uns dieser Frage zuwenden, dann wird man mit Frau Käßmann darüber diskutieren dürfen, wie die Situation in Afghanistan angemessen beantwortet werden kann. Dann wird man auch über einen militärischen Einsatz diskutieren müssen.
Die Grünen haben das ja erlebt. Die haben erlebt, dass sie bei den Friedensdemonstrationen in den 80er-Jahren immer in der ersten Reihe gelaufen sind. Aber es waren nicht die CDU und FDP, die den ersten Militäreinsatz deutscher Soldaten im Ausland beschlossen haben, sondern es war Joschka Fischer mit seinen Leuten und mit der SPD.
Ich habe den Parteitag noch gut vor Augen, bei dem Joschka Fischer von einem Farbbeutel nicht in friedlicher Absicht getroffen worden ist. Das macht doch diese ganze Diskrepanz deutlich. Das macht doch deutlich, wie der Spannungsbogen aussieht und wie ernsthaft man sich damit auseinandersetzen muss.
Deswegen sage ich ganz deutlich: Erstens hat sie selbstverständlich das Recht, das Thema anzusprechen. Sie hat auch selbstverständlich das Recht, das Thema so zuzuspitzen. Und sie hat selbstverständlich auch einen Anspruch darauf, dass anschließend darüber diskutiert wird.
Was hilft es? Der Bundespräsident konnte wahrscheinlich bei der Kircheneröffnung in Hildesheim nicht weiter darauf eingehen. Was hilft es, wenn festgestellt wird, dass sie dieses Thema selbstverständlich ansprechen darf, aber sich anschließend niemand damit auseinandersetzt? Deswegen ist diese Auseinandersetzung richtig.
- Das ist ein bisschen zu billig, Herr Briese. Schließlich haben sich eine ganze Reihe von Politikern dazu geäußert, auch Grüne, auch SPDPolitiker; ich könnte sie alle aufzählen und zitieren.
Diese Auseinandersetzung, diese Diskussion halte ich für so wichtig, dass die Kritik an Einzelformulierungen geradezu vernachlässigenswert ist.
Allerdings sage ich auch: Zu einer Auseinandersetzung gehört selbstverständlich auch eine klare Kante bei der Auswahl der Worte.
Der Herr Innenminister hat in diesem Falle klare Worte gewählt und damit ein Gesprächsangebot, ein Dialogangebot gemacht.
Die CDU-Fraktion und die Landesregierung möchten den Dialog mit Frau Käßmann nicht in irgendeiner Weise belasten, sondern sie möchten den Dialog aufnehmen.
Das gilt auch für die Bundespolitik. Ich freue mich natürlich, wenn Frau Käßmann mit dem Verteidigungsminister einen Weg findet, um sich in Afghanistan vor Ort über die Situation der Soldaten und der Bevölkerung unterrichten zu lassen.
Das ist der richtige Weg. Aber selbstverständlich muss man sich auch mit denen auseinandersetzen, die anderer Meinung sind. Diesen Dialog und diese Auseinandersetzung bei einem so schwierigen Thema wünsche ich mir. Ich bin ganz sicher, dass wir auf einem guten Wege sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von Ihnen wissen, dass ich aus dem Landkreis Rotenburg, einer Region mit vielen Bundeswehrstandorten, stamme. Ich bin sehr häufig im Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten, die aus dem Einsatz zurückkommen, und ein guter Freund von mir arbeitet für das Internationale Rote Kreuz in Krisengebieten. Ich sage das deswegen, weil ich in diesen Gesprächen eines gelernt habe: Es gibt in solchen Krisenregionen keine einfachen Antworten. Das gilt auch für Afghanistan.
Ich möchte ferner deutlich machen, dass wir als FDP-Fraktion hinter dem Einsatz in Afghanistan stehen und auch - ich sage das sehr deutlich - hinter der schwierigen Aufgabe, die unsere Soldaten in Afghanistan zu bewältigen haben. Frau Käßmann hat mehr Entwicklungshilfe und weniger Soldaten gefordert. Ich sage deutlich, dass der Einsatz unserer Soldaten am Hindukusch notwendig ist, um den zivilen Aufbau und damit Entwicklungshilfe sicherzustellen und abzusichern.
Ich sage für die FDP-Fraktion aber auch, dass ich begrüße, wenn sich die Kirche in gesellschaftspolitische Debatten und in politische Fragen einbringt. Ganz persönlich möchte ich ergänzen: Ich erwarte das von meiner Kirche sogar.
Wenn man sich in eine politische Debatte einbringt, wie das Frau Käßmann getan hat, muss man aber auch damit rechnen - das gehört genauso zur Debattenkultur -, dass man für eine inhaltliche Position kritisiert wird. Damit musste auch Frau Käßmann rechnen, nachdem sie sich so eingelassen hat.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber wie! Form und Stil! - Christian Meyer [GRÜNE]: Aber nicht mit Pöbeleien!)
Es gibt zu dieser Frage einen sehr bemerkenswerten Brief des evangelischen Militärdekans in Afghanistan, Herrn Karsten Wächter, an Frau Bischöfin Käßmann. Er schreibt u. a. an die Frau Bischöfin: „Wie soll man denn mit einem Gegner reden, wenn man beschossen wird, nur wenn man in die Nähe kommt?“ Das ist eben auch eines der Kernprobleme in Afghanistan. Dialogbereitschaft muss von beiden Seiten ausgehen, und das ist in Afghanistan offensichtlich nicht der Fall.
Wenn Frau Käßmann berechtigterweise über die Afghanistanfrage spricht - wie gesagt, das ist aus meiner Sicht auch Aufgabe von Kirche - und Sätze sagt wie „Nichts ist gut in Afghanistan“ und damit eben schwarz und weiß malt, wenn sie mehr Phantasie für den Frieden anmahnt, ohne konkret zu werden, dann sind das zwar richtige und gute Aufrufe. Aber für die FDP ist auch klar: Differenziertheit tut jeder Debatte gut. Das gilt auch für die Afghanistanfrage.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Debatten über den Sinn von Auslandseinsätzen sind in einer pluralistischen Gesellschaft nicht nur angemessen, sondern geradezu notwendig. Es ist ein berechtigtes Anliegen, dass gerade Vertreter der christlichen Kirche ihre Sicht der Dinge vermitteln. Das gilt erst recht bei gefährlichen Krisenmissionen wie der Beteiligung an der internationalen Schutztruppe in Afghanistan. Es ist gut, dass gerade die Kirche eine intensive Debatte hierüber angestoßen hat.
Wer aber eine Diskussion führen will, muss auch andere Standpunkte akzeptieren. Das gilt für beide Seiten.
So sollte aus meiner Sicht eine Friedensethik die völker- und menschenrechtliche, aber auch die sicherheitspolitische Dimension vorurteilsfrei abwägen. Für mich ist das der Maßstab für eine verantwortungsvolle Realpolitik.