Protocol of the Session on January 20, 2010

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, eine reflektierte Position muss der Tatsache Rechnung tragen, dass es Freiheit, Sicherheit und Stabilität nicht zum Nulltarif gibt. Die Stabilisierung Afghanistans hat für unsere Sicherheit eine hohe strategische Bedeutung. Das ist für mich, auch in meiner Verantwortung als Minister, ein entscheidender Punkt.

Der islamistische Terrorismus ist eine bittere Realität, und er wird uns leider noch lange beschäftigen. Wir können daher nicht tatenlos zusehen, wenn in einem Land die Staatsgewalt so weit zusammenbricht, dass es dort ein Hinterland für Terrorismus gibt. Deswegen ist die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit ein Kernstück des Kriseneinsatzes in Afghanistan.

Meine Damen und Herren, wir müssen unseren Bürgern ehrlich sagen: In bestimmten Situationen ist der Einsatz von Waffengewalt unvermeidbar. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass zu allem entschlossene Extremisten nicht mit schönen Worten zu besänftigen sind. Der Theologe und Sozialdemokrat Richard Schröder hat recht, wenn er sagt: „Der Glaube an die Allmacht der Gewaltlosigkeit ist ein Aberglaube.“ Das ist im Übrigen auch eine Lehre aus unserer eigenen wechselvollen Geschichte im letzten Jahrhundert. Die Nazidiktatur wurde nicht mit moralischen Ap

pellen, sondern mit militärischen Mitteln in die Knie gezwungen. Wer dies infrage stellt, der muss mit entschiedenem Widerspruch rechnen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer stellt das denn infrage?)

Eine Friedensethik muss sich dieser Tatsache auch heute in voller Tragweite bewusst sein. Tom Koenigs, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, sagte in aller Deutlichkeit: „Die Taliban werden nicht mit guten Worten und schon gar nicht mit christlichen Predigten am Morden gehindert werden.“

Meine Damen und Herren, richtig ist: Allein auf die militärische Karte zu setzen, schafft in Krisengebieten wie Afghanistan auf Dauer keine Stabilität. Das ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Deshalb müssen wir den Fokus auf den Aufbau der zivilen Infrastruktur richten. Aber richtig ist auch: Ziviler Aufbau ist nur möglich und verantwortbar, wenn der Schutz der eingesetzten Mitarbeiter sichergestellt werden kann. Dafür wird auch weiterhin die militärische Präsenz insbesondere in Ländern wie Afghanistan notwendig sein. Ziviler Aufbau und militärischer Schutz sind zwei Seiten derselben Medaille im Stabilisierungsprozess.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, viele davon aus niedersächsischen Standorten, nehmen im Kriseneinsatz erhebliche Risiken auf sich. Sie erfüllen ihren Dienst mit Mut und Besonnenheit. Dafür verdienen sie unseren Dank, unsere Anerkennung und unseren Rückhalt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist mittlerweile guter Brauch, dass eine Abordnung der in den Einsatz gehenden Soldaten vom Niedersächsischen Landtag verabschiedet wird. Größte Wertschätzung verdienen aber auch die zivilen Aufbauhelferinnen und -helfer in Afghanistan. Der Landtag hat ihren selbstlosen Einsatz für die Menschen in dieser leidgeplagten Region im November 2009 durch eine Feierstunde gewürdigt. Das ist ein gutes Signal. Es war eine Ehre für mich, daran teilzunehmen und Vertreter der zivilen Organisationen für ihr Engagement zu würdigen.

Meine Damen und Herren, im Übrigen ist die verbreitete Annahme, in Afghanistan sei längst alles verloren, zu pauschal. Darauf jedenfalls weist eine repräsentative Umfrage unter der afghanischen

Bevölkerung hin. Sie zeigt: Die Zahl derer, die das Land auf dem richtigen Weg sehen, liegt bei 70 %. Das ist deutlich mehr als noch 2008. Es wäre also falsch zu resignieren, aber ebenso falsch, die Lage schönzureden. Wie entschlossen die Extremisten sind, die Macht mit Gewalt an sich zu reißen, zeigen die jüngsten Anschläge auf das Regierungsviertel in Kabul. Niemand will, dass Afghanistan zu einer Never-ending-story wird. Aber ein vorzeitiger Abzug hätte einen hohen Preis. Daher sollte jedes Nachdenken über eine Abzugsperspektive dem Grundsatz folgen: Sorgfalt vor Schnelligkeit!

Meine Damen und Herren, der Schlüssel für eine dauerhafte Sicherheitspräsenz in der Fläche liegt in einem konzertierten Aufbau des afghanischen Polizei- und Sicherheitssektors. Allerdings brauchen wir deutlich mehr und besser ausgebildete afghanische Polizisten, und dies zeitnah. So sieht es die Innenministerkonferenz, so sieht es die Bundeskanzlerin, so sehen es alle Regierungschefs der Länder. Niedersachsen stellt sich dieser Verantwortung für den zivilen Aufbau. Wir bringen uns beim deutschen Engagement für den Polizeiaufbau spürbar ein, und wir haben uns intensiv auf eine personelle Kräfteaufstockung in Afghanistan vorbereitet. Derzeit stellt Niedersachsen mit 19 Polizisten ein Drittel des Länderkontingents und damit nach der Bundespolizei die stärkste Abordnung.

Unsere Polizisten leisten in der Mission Hervorragendes. Sie tun es nicht nur für sich selbst und auch nicht für ihre Karriere. Sie tun es für unser Land und die Zukunft der Menschen in einer Krisenregion. Das ist wahrer Friedensdienst. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung und unsere Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Meyer [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Frau Käßmann! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sagen Sie mal etwas zu Ihren Äußerungen!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich klar feststellen: Es geht nicht darum, Afghanistan unsere Maßstäbe überzustülpen. Das Land muss seinen eigenen Weg finden. Doch wir müssen den Afghanen so lange helfen, bis sie in der Lage sind, sich alleine zu behaupten.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Zur Sa- che!)

Das ist der Kern einer verantwortungsvollen Realpolitik, die dem Frieden, der Freiheit und unserer Sicherheit dient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Ich stelle fest, dass die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 10 b beendet ist.

Bevor ich den nächsten Punkt zur Besprechung aufrufe, weise ich darauf hin, dass sich die Fraktionen verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 22 auf heute Nachmittag - nach dem Tagesordnungspunkt 15 - und den Tagesordnungspunkt 25 auf heute Abend - als letzten Tagesordnungspunkt nach Tagesordnungspunkt 18 - vorzuziehen. Das zu Ihrer Kenntnis.

Nun eröffne ich die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 10 c:

Die Umweltzone hat nichts mit Umweltschutz zu tun - Öko-Ideologie ist schlecht für Hannover - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/2091

(Unruhe)

Mir fehlt zum einen etwas mehr Ruhe, und zum anderen hat sich die FDP noch nicht zu Wort gemeldet.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP] tritt zum Redepult)

- Vielleicht gelingt das beim nächsten Mal etwas früher. Sie sind ja noch nicht lange im Parlament; da sind wir ganz gnädig. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es unserer Opposition in der heutigen Debatte über den Erlass unseres Umweltministeriums nicht wirklich darum geht, dass im hannoverschen Stadtgebiet künftig bessere Luft herrscht. Im Gegenteil! Die Feinstaubbelastung in unserer Stadt liegt schon seit vielen Jahren deutlich unter den Grenzwerten, die von der Europäischen Union per Richtlinie vorgeschrieben sind.

Wie groß der Einfluss des Personenverkehrs auf die Belastung ist, ist höchst fraglich, wenn die mit Abstand größten Belastungen zu Silvester und Ostern stattfinden und wenn in den Herrenhäuser

Gärten - übrigens mitten in der Umweltzone - ein Feuerwerk abgebrannt wird.

Die Stadt Hannover würde der Einhaltung der EURichtlinie einen größeren Nutzen erweisen, wenn sie endlich mit intelligenten Konzepten dafür sorgen würde, dass der Verkehr in der Stadt Hannover besser fließt;

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

denn nichts, meine Damen und Herren, belastet die Umwelt mehr als laufende Motoren an roten Ampeln, ganz egal, welche Plakette auf der Windschutzscheibe des Autos klebt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich glaube, Sie wollen die strikte Einführung der Umweltzone in Hannover allein aus ideologischen Gründen und nicht deshalb, weil sie irgendeinen ökologischen oder anderen Sinn macht;

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

denn das Verbot, ab dem 1. Januar 2010 keine Kfz mit gelben Plaketten mehr in das Stadtgebiet einfahren zu lassen, ist nicht nur ökologisch unsinnig, sondern unserer Meinung nach auch sozial und ordnungspolitisch unverträglich.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Es sind doch gerade nicht die Fahrer von neuen Autos oder diejenigen, die es sich leisten können, ihren Wagen mit einem Partikelfilter auszustatten, die unter dieser neuen Regelung leiden. Diejenigen Pendler, die es sich bislang nicht haben leisten können, einen neuen Wagen zu kaufen oder ihr Kfz nachzurüsten, werden es sich auch nach dem 1. Januar 2010 nicht leisten können. Sie werden künftig diskriminiert und sogar kriminalisiert, wenn sie nach Hannover hineinfahren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, außerdem kostet die Umweltzone in Hannover und um Hannover herum viele Hundert Jobs in unserer Region. Wenn einem Handwerker, der es sich nachweislich nicht leisten kann, für viele Tausend Euro seinen Lieferwagen nachzurüsten, eine Ausnahmegenehmigung verwehrt wird, dann verzichtet er entweder auf die Einstellung eines Auszubildenden oder darauf, einen befristeten Arbeitsvertrag zu verlängern. Also: Die Umweltzone kostet Jobs, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Solche Maßnahmen, die weder sinnvoll, noch akzeptiert, noch verständlich, noch sozial ausgewogen sind, konterkarieren übrigens auch alles das, was im grünen Grundsatzprogramm steht. Das aktuelle Grundsatzprogramm der grünen Partei mit dem schönen Titel „Die Zukunft ist grün“ leitet sich aus den vier Grundwerten Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie ab. Die hirnrissigen Bestimmungen der Umweltzone allerdings verkörpern diese vier Zielsetzungen leider nicht.

(Heiner Bartling [SPD]: Hirnrissig? Frau Präsidentin! - Unruhe bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Schließlich erweisen Sie auch den sinnvollen Maßnahmen zum Umweltschutz einen Bärendienst, wenn Sie an Regelungen festhalten, die die Menschen einschränken, die sie nicht verstehen, die sie nicht akzeptieren und die gleichzeitig der Ökologie einen kaum zu messenden Nutzen spenden. Die Bereitschaft, sich dann in anderen Bereichen des Umweltschutzes zu engagieren, sinkt, wenn Umweltpolitik nicht von Sachzwängen und Pragmatik geleitet, sondern nur von Ideologie getrieben wird.

Deshalb ist der Erlass zur Umweltzone richtig, weil er den Menschen ein Stück weit die Selbstbestimmung und Gerechtigkeit zurückgibt, die zwar Teil des grünen Grundsatzprogramms ist, die aber in der alltäglichen politischen Diskussion von den Grünen leider allzu oft vernachlässigt wird.

Danke schön, Herr Hocker. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Reichwaldt zu Wort gemeldet. Bitte schön!