Protocol of the Session on December 16, 2009

Nicht dass die Kassiererin etwas finanzieren muss, was sie selbst nicht nutzen konnte, ist ungerecht, sondern die Tatsache, dass sie etwas finanzieren muss, das in Anspruch zu nehmen ihre eigenen Kinder keine Chance haben. Dies, meine Damen und Herren, ist unsozial und ungerecht.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister Stratmann, bitte schön!

Frau Heinen-Kljajić, Sie kennen die HIS-Studie. Ich kenne sie auch. Sie werden zugeben müssen, dass in der HIS-Studie eine Reihe von Gründen - 20 Gründe oder noch mehr - aufgeführt wird. Dazu gehören beispielsweise die Ortsnähe und die Zukunftsperspektiven des spezifischen Studiengangs. Ich gebe zu, dass natürlich auch nach der Studienfinanzierung und nach Beiträgen gefragt wird. Aber Sie müssen auch zugeben, dass die Gründe, die den einen oder anderen vom Studium abhalten, keine monokausalen Gründe sind. Hier geht es um sehr differenzierte Begründungspakete, in denen auch Studienbeiträge eine Rolle spielen können.

(Zurufe von Dr. Gabriele Andretta [SPD] und Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE])

Aber wir müssen doch feststellen - ich sage dies, weil es vorhin auch angesprochen worden ist -, dass die Anfängerzahlen in Niedersachsen in diesem Jahr unterdurchschnittlich, in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen sind und dass wir seit drei Jahren einen Anstieg um insgesamt 18 % haben.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Das ist demografisch bedingt, Herr Minister!)

Auch die anderen Länder, die einen Beitrag erheben, haben im Vergleich zu den beitragsfreien Ländern keinen signifikant schlechteren oder stär

keren Anstieg zu verzeichnen. Die Frage der Studienbeiträge ist keine Frage, die man so einfach beantworten kann.

Ich erinnere auch an Folgendes - wenn Sie dies erleben würden, würden Sie es bestätigt finden -: Im internationalen Vergleich bis hin zur OECD ist das Thema Studienbeiträge nicht annähernd mit der Bedeutung wie in Deutschland versehen. Alle schütteln den Kopf darüber, dass wir uns nur auf dieses Thema stürzen, statt das vertieft anzugehen, was Sie gerade angesprochen haben. Womit hängt es denn zusammen, dass bei manchen eine Entscheidung für das Studium erst gar nicht zum Tragen kommt? - Wir alle wissen, dass von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Durchlässigkeit des Schulsystems, aber auch des Hochschulsystems viele Gründe eine Rolle spielen.

Wir können dies in den nächsten zehn Jahren immer wieder rauf und runter diskutieren. Aber vielleicht verständigen wir uns einmal darauf, dass wir unsere Argumente in den jeweiligen Niederschriften nachlesen. Dann würden wir viel Zeit sparen und könnten uns gemeinsam darum kümmern, dass die Attraktivität der Hochschulen in Niedersachsen so gesteigert werden kann, dass alle zu uns wollen, weil man hier am besten studieren kann. Wir sind da auf einem guten Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Beratungen über das Themenfeld „Wissenschaft und Kultur“.

Bevor ich Sie in die Mittagspause entlasse, möchte ich noch eine Anmerkung machen: Frau Zimmermann, Sie haben das Präsidium mit dem Zuruf „Wovor haben Sie eigentlich Angst?“ kritisiert. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU)

Ich setze das Ende der Mittagspause auf 15.15 Uhr fest.

Vielen Dank.

(Unterbrechung von 14.04 Uhr bis 15.15 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist 15.15 Uhr.

Wir setzen die zweite Beratung zum Haushalt 2010 fort, und zwar mit der Debatte über die Haushaltsschwerpunkte „Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit“ sowie „Kultus“.

Die Redezeiten sind in der Ihnen vorliegenden Redezeitentabelle abgedruckt. Der Ältestenrat ist davon ausgegangen, dass die Landesregierung bei der Behandlung der Themengebiete „Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit“ und „Kultus“ eine Redezeit von insgesamt 22 Minuten nicht überschreiten wird. Ich bitte Sie, sich schriftlich zu Wort zu melden und dabei möglichst anzugeben, zu welchem Themenkomplex Sie sprechen möchten.

Ich rufe jetzt auf den Themenbereich

Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Böhlke zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich Ihnen einige Zahlen vor Augen führen, mit denen ich unterstreichen möchte, dass wir jetzt über einen sehr wichtigen Einzelplan des Haushalts beraten werden.

Insgesamt reden wir beim Einzelplan 05 - Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - über Ausgaben in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Es gibt nur zwei Einzelpläne, deren zahlenmäßiger Umfang größer ist: den Einzelplan 13 - Allgemeine Finanzverwaltung - mit 8,1 Milliarden Euro und den Einzelplan 07 des Kultusministeriums - also das Schulwesen - mit einem Umfang von rund 4,7 Milliarden Euro. Der Sozialhaushalt hat einen Anteil von 13,3 % am Gesamthaushalt. Wenn wir - da schließe ich alle mit ein, auch wenn noch nicht alle an ihren Plätzen sind - uns nicht schon so einig wären, dass der Sozialhaushalt von eminenter Bedeutung für unser Niedersachsen ist, dann würden diese Zahlen einen überzeugenden Beweis dafür darstellen.

Dazu gehören auch die neuesten Zahlen des Niedersächsischen Armuts- und Reichtumsberichts, der für die Jahre 2007 und 2008 eine gleichbleibende Armutsquote von 14,7 % ausgibt. Diesen

Prozentsatz sehe ich natürlich mit einem weinenden Auge, weil er mir viel zu hoch ist. Gleichzeitig sehe ich aber auch - natürlich nicht mit einem lachenden Auge, aber doch zumindest mit einem erleichterten Blick -, dass die Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung der Armut wie das Programm „Familien mit Zukunft“, das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr und die Pro-AktivZentren in einer Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich stabilisierende Elemente darstellen.

(Zustimmung von Gudrun Pieper [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das voraussichtlich am Freitag auch im Bundesrat Zustimmung finden wird, mit der Kindergelderhöhung und der Anhebung der Freibeträge noch einen deutlichen Beitrag zur Stabilisierung leisten wird.

(Beifall bei der CDU)

Wie sehen die Schwerpunkte im Einzelplan 05 aus? - Die Ausgaben für die Sozialhilfe nach dem SGB XII nehmen mit 1,7 Milliarden Euro fast 52 % der Gesamtausgaben dieses Einzelplanes ein. Das heißt, nur durch diese Ausgaben ist bereits die Hälfte der Ausgaben des Gesamthaushaltes des Sozialministeriums belegt. Der Bereich des Wohnungswesens nimmt mit 600 Millionen Euro 18 % der Gesamtausgaben ein, das Gesundheitswesen mit 302 Millionen Euro noch einmal 9 %. Die sonstigen sozialen Leistungen folgen mit 223 Millionen Euro, rund 6,7 %. Diese Aufzählung möchte ich mit den Ausgaben im Bereich Familie abschließen, die mit ca. 130 Millionen Euro einen Anteil von 4 % unseres Sozialhaushalts umfassen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf verweisen, dass der Haushaltsansatz für den Bereich Familie von 116 Millionen Euro im Jahre 2008 auf jetzt über 120 Millionen Euro gesteigert werden konnte! Sie sehen daran sehr deutlich, wie wichtig und ernst die Regierungskoalition und die Regierung diesen Haushalt nehmen. Das ist keinesfalls Gedöns, wie man früher in dem einen oder anderen Fall zum Bereich Soziales sagte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Thema Krankenhausfinanzierung kommen. Wir wollen eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung in Niedersachsen sicherstellen. Wir wollen diese Strukturen erhalten und ausbauen, an den Stand der Technik anpassen und zum Wohle und Nutzen der Menschen in Nieder

sachsen wirken. 2009 haben wir daher 111 Millionen Euro im Rahmen des Investitionsprogramms bereitgestellt; heute Morgen war das bereits einmal Thema. Aus dem Konjunkturprogramm sind zusätzlich 50 Millionen Euro geflossen.

Mit unserem Entschließungsantrag vom Juni dieses Jahres haben wir eine Umstellung der Förderung nach der sogenannten Bettenpauschale in Abhängigkeit von der Anzahl der Betten gefordert. Wir wollen die Krankenhausfinanzierung auf eine Bettengrundpauschale in Verbindung mit leistungsbezogenen Kriterien umstellen. Wir wollen, dass die Träger der Krankenhäuser mehr Flexibilität bei der Verwendung der Mittel bekommen. Wir wollen hier die Eigenentscheidung stärken. Wir sind auf einem guten Weg, den wir zusammen mit den Beteiligten auch in der Zukunft beschreiten wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das Projekt „MoNi“ liegt uns ebenfalls besonders am Herzen. „MoNi“ steht für das Modell Niedersachsen der AOK bezüglich ärztlich delegierbarer Leistungen. Es soll dabei helfen, die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen. Die Idee zu diesem Projekt ist entstanden, als es die EBM-Regelungen für ärztlich delegierbare Leistungen im SGB V noch nicht gab. Mit diesem Projekt soll erprobt werden, inwieweit Hausärzte von arztfremden Tätigkeiten entlastet werden können, damit sie sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können. Damit verbundene Vorteile sind eine Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes des Hausarztes, eine bessere Sicherstellung der Versorgung in ländlichen Gebieten und eine Steigerung der Zahl der pro Hausarzt zu betreuenden Patienten.

Bevor jetzt Sorgen aufkommen, dass darunter die Qualität der Versorgung leiden könnte, wenn nicht mehr der Arzt kommt, lassen Sie mich noch den folgenden Hinweis geben: Zum einen sind nicht alle Tätigkeiten für eine Delegation vorgesehen. In diesem Zusammenhang reden wir vielmehr über Messungen von Vitalfunktionen, Medikamentenkontrollen, den Wechsel von Verbänden und ähnliche Dinge. Zum anderen sind die medizinischen Fachangestellten an sich bereits gut, umfassend und auch sorgsam ausgebildet. Bevor sie jedoch diese Aufgaben wahrnehmen können, sollen sie eine zumindest einjährige Berufspraxis nachweisen können. Durch ein entsprechendes Zeugnis des verantwortlichen Arztes wird die Qualität gesichert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch etwas zum Thema Kinderschutz sagen. Den Ansatz von 130 000 Euro wollen wir um weitere 10 000 Euro erhöhen in Verbindung mit einer zweckgebundenen Projektförderung im Bereich der Migrantenförderung. Damit wollen wir den Fokus verstärkt auf den Bereich der Migrantenförderung richten, weil wir hier auch im Haushaltsjahr 2010 einen entsprechenden Handlungsbedarf sehen. Es geht hier um die Unterstützung der vielfältigen Integrationsbemühungen des Landes; denn es ist ganz wichtig: Migrantenkinder dürfen auch in diesem Bereich nicht vernachlässigt werden. Ich verweise auf die uns allen bekannten KiGGS-Studie des RobertKoch-Institutes zur Jugendpsychiatrie, die besonders bei dieser Gruppe eine hohe Auffälligkeitsrate feststellte. Hier müssen wir ansetzen. Denn wenn man bei den Kindern und Jugendlichen die Problematik frühzeitig erkennt, kann man im Interesse aller Beteiligten erfolgreich wirken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich mich bei unserer Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses ganz herzlich für die bewährte und konstruktive Zusammenarbeit auch im Zusammenhang mit den Haushaltsdiskussionen bedanken. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet, unter den allgemeinen finanziell und wirtschaftlich erschwerten Bedingungen einen Sozialetat vorzulegen, der den von uns eingeschlagenen Weg der konsequenten Sozialpolitik fortschreibt. Damit bestätigen wir erneut, dass ein soziales Niedersachsen nicht im Widerspruch zu den Konsolidierungszwängen und zu unserem Sparwillen steht. Die praktischen und erfolgreichen Auswirkungen unseres Sozialhaushaltes machen deutlich, dass unsere Hilfe dort, wo sie nötig ist, auch ankommt. Dies wird im weiteren Verlauf der Debatte durch meine Kollegin Heidemarie Mundlos noch einmal sehr deutlich dargestellt.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schwarz. Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen konnten im Fachausschuss

zügig erfolgen. Das hatte im Wesentlichen zwei Gründe. Der erste Grund ist die gute Vorbereitung durch die Fachabteilung und die zügige Nachlieferung der von uns erbetenen Unterlagen. Dafür auch von uns herzlichen Dank an Ihr Haus, Frau Ministerin.

(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Und ein hervorragender Vorsit- zender!)

- Jawohl, Herr Kollege Riese, auch die hervorragende Leitung durch den Vorsitzenden. Das kann aber noch besser werden.

Zweitens. In einer Zeit, in der die Folgen der Weltwirtschaftskrise erstmalig im Haushalt deutlich werden und sich die Spaltung der Gesellschaft vertieft, braucht Niedersachsen einen grundlegenden und nachhaltigen Perspektivwechsel in der Sozialpolitik. Davon allerdings ist dieser Sozialhaushalt weit entfernt.