Diese Forderung findet auch eine Grundlage im Koalitionsvertrag. Herr Kollege Humke-Focks hatte gerade vorgetragen, dass die örtliche Anbindung gewollt ist, dass die regionalen Bedingungen beachtet werden sollen und dass ein örtlicher Ermessensspielraum eingeräumt werden soll. Das spielt natürlich ganz klar in Richtung Kommunen. Ohne deren Mitgestaltung geht es nicht.
Leider gewichtet der kursierende Arbeitsentwurf die kommunalen Belange noch nicht ausreichend. Das muss noch verbessert werden. Im Moment ist vorgesehen, dass der Trägerausschuss von BA und Kommune das lokale Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm ohne Bindungswirkungen berät. Das sollte verbindlich gemacht werden, wie es auch die ASMK im Juli des letzten Jahres beschlossen hat. Diese Hausaufgabe muss noch erledigt werden.
Aufgegriffen werden sollte auch der Vorschlag des Deutschen Städtetages zur Sicherstellung des kommunalen Einflusses, alle Möglichkeiten der wechselseitigen Beauftragung der beiden Grundsicherungsträger BA und Kommune auszuschöpfen. So könnte ein Mustervertrag vorsehen, dass die BA die Kommune mit dem Fallmanagement für bestimmte Personengruppen beauftragt. Aus niedersächsischer Sicht ist es begrüßenswert, dass der Berliner Koalitionsvertrag die Entfristung der
bestehenden Optionskommunen anstrebt. Bekanntlich ist Niedersachsen mit 13 Optionskommunen Spitzenreiter in Deutschland.
Wir wissen, dass noch viele weitere Kommunen gerne Optionskommunen werden würden; das hatten Sie, Frau Helmhold, auch gesagt. In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, Frau Helmhold, dass der Deutsche Landkreistag noch in diesem Monat erneut mit einem verfassungsrechtlichen Gutachten untermauert, dass nicht nur die Entfristung der Option nach geltendem Verfassungsrecht zulässig ist, sondern auch die Erweiterung um zusätzliche Optionskommunen. Dies schließt übrigens der Berliner Koalitionsvertrag nicht aus.
Fünftens. Zu überlegen ist, ob die Kommunen auf lokaler Ebene durch Einführung kommunaler Budgets aus EU-Mitteln beispielsweise im Ausgabenfeld „Übergang Schule/Beruf“ gestärkt werden könnten, auch zur Verbesserung der Kooperation mit der BA.
Sechstens. Die kommunale Mitgestaltung setzt voraus, dass Entscheidungen der BA endlich dezentralisiert werden und die Agenturen vor Ort lokale Entscheidungsverantwortung enthalten. Das scheint auch der Koalitionsvertrag, wie gerade ausgeführt, anzustreben.
Zum Schluss noch ein Wort zum Antrag der Linken mit der dort angesprochenen Regelsatzbemessung. Beim Kinderbedarf ist inzwischen auch auf Betreiben Niedersachsens eine ganze Menge geschehen. Es gibt nun eine weitere Altersstufe für Kinder vom 7. bis zum 14. Lebensjahr mit einer Regelleistung von 70 % statt bisher von 60 % vom Haushaltsvorstand. Zur Verfügung steht nun auch ein Schulbedarfspaket von 100 Euro pro Schuljahr.
Das Bundesverfassungsgericht wird Anfang nächsten Jahres zum Regelsatz und zur Regelleistung entscheiden, einschließlich des Kinderbedarfs. Bei der Umsetzung dieser Entscheidung wird das Land Niedersachsen mitwirken. Wir werden bei der zuständigen Konferenz Anträge einbringen.
Wir können uns nun in Ruhe der Diskussion der Anträge von Grünen und Linken im zuständigen Sozialausschuss zuwenden. Ich beantrage, dass beide Anträge in den zuständigen Sozialausschuss überwiesen werden, also keine sofortige Abstimmung erfolgt.
Meine Damen und Herren, zu einer weiteren Kurzintervention hat sich Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Matthiesen, ich habe mir einmal die Mühe gemacht, das Protokoll vom 13. Mai anzugucken, und möchte aus Ihrer damaligen Rede zitieren:
„Festzuhalten ist, dass es dringend an der Zeit ist, die Neuordnung anzugehen. Dafür wirbt unser Antrag. Wir bitten die Landesregierung sehr um Unterstützung, damit die folgenden drei Eckpunkte bis Ende nächsten Jahres durchgesetzt werden können: erstens die Bestandsicherung der bisherigen 69 Optionskommunen, zweitens zusätzliche Optionskommunen und drittens eine geeignete Organisation der Mischverwaltung aus Bundesagentur und Kommunen.“
„Dazu, wie das umgesetzt werden könnte, liegt der Vorschlag bzw. das Gutachten von Professor Wieland vor, wie ein neuer Artikel 91 c des Grundgesetzes aussehen könnte. Frau Ministerin Ross-Luttmann hat das auf den Weg gebracht. Damit könnten wir arbeiten. Wir bitten noch einmal um Unterstützung und hoffen, dass noch etwas daraus wird.“
Dass Sie diese Rede halten mussten, tut mir regelrecht ein bisschen Leid. Sagen Sie doch einfach: Der Ministerpräsident hat sich nicht durchsetzen können, Niedersachsen ist komplett gescheitert bei den Verhandlungen. Das tut mir Leid. Dafür übernehmen wir die Verantwortung. - Damit könnten
wir leben. Aber dass wir uns jetzt anhören müssen, wie Sie versuchen, sich das sozusagen schönzureden, das können Sie uns eigentlich nicht zumuten.
Liebe Frau Kollegin Helmhold, ich verstehe Ihre Freude. Ich hoffe, irgendwann kommen die Grünen auch einmal an die Regierung, dann ist das alles
Eines ist doch klar: Deutschland ist ein sehr großer Staat mit über 80 Millionen Einwohnern, das Zugpferd in der Europäischen Union. In diesem großen Deutschland mit seiner diskutierfreudigen Abgeordnetenschaft in 16 Landtagen und einem Bundestag, bei kommunalen Spitzenverbänden - drei an der Zahl -, die alle unterschiedlicher Meinung sind,
Die Landesregierung hat ausgezeichnet gekämpft, sie hat auch vieles bewegt. Nun ist es aber so: Der Bund hat etwas vorgelegt, und nun müssen wir damit klarkommen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Gestern stand ich im Abgrund, heute bin ich ein Schritt weiter! Das hätten Sie sa- gen sollen! Das hätte gereicht!)
Wir stehen gerade vor dem Beginn einer neuen Diskussion, und nun kommt es darauf an, dass wir das Ganze konstruktiv bewältigen. Mal sehen, was am Ende dabei herauskommen. Jedenfalls werden wir uns gut im Sinne derjenigen, die Arbeit brauchen und Arbeit finden wollen, diesem Problem zuwenden und nicht in bloßer Polemik verharren.
(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Er muss einen Zuschlag für Regierungsfraktionsmitglieder ha- ben - als Härteausgleich!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass sich die Abgeordnete Frau Helmhold hier hinstellt und Liebeserklärungen an die FDP und Liebesadressen an die CDU verteilt und sozusagen für Niedersachsen Jamaika ausruft.
Wir warten noch, verehrte Frau Helmhold, auf den Tag, an dem Sie das auch in der Bildungspolitik machen und mit uns genauso freundlich umgehen. Dann wären wir nämlich ein ganzes Stück weiter.
Meine Damen und Herren, meiner Erinnerung nach haben in den letzen Monaten in Berlin Koalitionsverhandlungen zwischen der Bundes-FDP, der Bundes-CDU und der der bayerischen CSU stattgefunden. Soweit ich weiß, hat das Land Niedersachsen an den Koalitionsverhandlungen, die zur Bildung einer Bundesregierung geführt haben, nicht teilgenommen, weil das Land Niedersachsen eine Eigenstaatlichkeit hat. Im Rahmen der Eigenstaatlichkeit kann dieser Landtag Beschlüsse fassen, die er keineswegs fünf Monate später erneut bekräftigen muss. So müssen wir mit unseren eigenen Beschlussfassungen nicht umgehen! Was wir beschlossen haben, gilt für das Land Niedersachsen und für den Niedersächsischen Landtag.
Es gibt innerhalb der Grünen und innerhalb der SPD, vielleicht sogar bei den Linken, jedenfalls weiß ich das ganz sicher von der FDP und vermute es von der CDU schon einmal den einen oder anderen Punkt, an denen die Landesparteien und die Bundesparteien nicht hundertprozentig homogene
Meinungen haben. Auch das sind Kennzeichen unseres wunderbaren demokratischen und föderalistischen Staatsaufbaus.
Aber der Kollege Matthiesen hat eben gerade hier ausgeführt, dass die Koalitionsvereinbarung zu der Frage der künftigen Neuordnung der Grundsicherung für Arbeitssuchende einigen Gestaltungsspielraum offen lässt. Er hat ferner ausgeführt, auf welche Grundsätze wir für die Zukunft Wert legen müssen. Das tun wir aus der Sicht des Landes Niedersachsen natürlich im gleichen Maße, in dem wir es bisher schon beschlossen haben. Es muss nämlich eine möglichst große Selbstständigkeit der kommunalen Aufgabenwahrnehmung gewährleistet sein. Das ist durch den Koalitionsvertrag durchaus nicht ausgeschlossen. Das Zunehmen der Zahl der Optionskommunen wäre ein richtiger Schritt in diese Richtung;
denn es gilt nach wie vor: Die Erledigung dieser Aufgabe kann dort am besten und am menschengerechtesten stattfinden, wo man die Bürger am besten kennt, also in der Kommune.
Das galt gestern, und das gilt auch morgen. Gleichwohl kann ich die Kollegen in Berlin natürlich verstehen, dass sie im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtet nun nicht so tun wollten, als gäbe es den Spruch des Bundesverfassungsgerichts nicht, der uns allen im Ergebnis nicht ganz gut gefällt.