Es war im letzten Plenum völlig klar. Herr Lammerskitten, vielleicht ist es für Sie heute ein großer Tag, auch ich zitiere Sie nämlich, nachdem Sie sich schon selbst zitiert haben, aus dem Landtagsprotokoll;
„Wir erleben heute eine Situation mit Seltenheitswert: Der Landtag berät in erster Lesung einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Neuverhandlung der Verteilung von Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose, in dessen Inhalt und Aussage auch wir uns als CDU-Fraktion wiederfinden können;“
„denn dieser Antrag entspricht nicht nur Positionen, für die sich das Land Niedersachsen in der Vergangenheit ohnehin stark gemacht hat, sondern er deckt sich inhaltlich auch mit den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände.“
Nun haben wir da gedacht: Das ist ja prima, dann stimmen wir sofort ab, und alles geht flott! - Aber nein, das ging eben nicht. Dann wurde in den Ausschuss überwiesen. Was da passierte, war allerdings eine Farce. Ich habe im Ausschuss nachgefragt: Was ist denn jetzt eigentlich der Unterschied zwischen diesem Antrag und jenem, nämlich dem, den Sie ins Verfahren eingebracht haben? - Das war der einzige Sinn der Ausschussüberweisung, nämlich Zeit zu gewinnen, noch etwas Eigenes zu schreiben.
Da haben Sie gesagt: Ja, bei der Linken steht ja nur „Kosten der Unterkunft“. In Wirklichkeit sind es aber „Kosten von Unterkunft und Heizung“. - Heieiei, haben wir gedacht. Gut, dann heilen wir das und machen einen gemeinsamen Änderungsantrag. In dem heißt es nämlich: „an den tatsächlichen Kosten der Unterkunft“. Das entspricht dem Gesetzestext, mit dem gemeint ist, dass die Heizungskosten in den tatsächlichen Kosten enthalten sind. Deswegen wäre dieser Änderungsantrag, den wir Ihnen heute vorlegen, zustimmungsfähig. Er muss zustimmungsfähig sein, weil das eigentlich der einzige Unterschied ist.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Was Sie hier machen, ist doch allmählich absurdes Theater. Ein Antrag muss in den Ausschuss, damit Sie Zeit haben, einen eigenen zu formulieren, in dem dann aber nichts anderes steht als in dem Ursprungsantrag.
Ich glaube nicht, dass Sie das, was Sie hier beständig tun, bis zum Ende der Wahlperiode durchhalten können; denn damit führen Sie das, was wir als Parlament tun, ad absurdum. Die Öffentlichkeit begreift das nicht mehr, und wir werden auch nicht aufhören, es der Öffentlichkeit zu erzählen. Leider - denn wenn wir der Öffentlichkeit erzählen, was Sie hier tun, machen wir etwas öffentlich, von dem ich glaube, dass es dem Parlamentarismus großen Schaden zufügt. Die Menschen werden denken, wir sind hier in Absurdistan. Wir können ja noch nicht einmal den Beschluss „Im Osten geht die Sonne auf“ fassen, ohne dass Sie sagen: Nein, bei uns aber nicht, wir müssen das in einem Antrag von CDU und FDP irgendwie anders aufschreiben.
Wir, meine Damen und Herren, machen das jedenfalls nicht mehr mit. Für dieses Theater sind wir nicht mehr zu haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Helmhold, wenn Sie glauben, dass Sie mit Geschäftsordnungsdebatten den vernünftigen und geordneten demokratischen Gang im Niedersächsischen Landtag in ein merkwürdiges Licht stellen können, dann müssen Sie bedeutend früher aufstehen.
Tatsache ist, wir haben den Antrag - das haben Sie richtig dargestellt - im Fachausschuss diskutiert. Tatsache ist auch, dass dort eine einstimmige Entscheidung für den Antrag in der Drs. 16/1851 getroffen wurde, die wir heute ganz genauso wiederholen können.
Tatsache ist außerdem, dass es zwischen dem Antrag der Linken-Fraktion und dem der Koalition einen wichtigen sachlichen Unterschied gibt. Das ist die Frage der Spitzabrechnung. Die LinkeFraktion hat in ihrem Ursprungsantrag gefordert, dass im Einzelfall die Kosten der Unterkunft aufsummiert und die Kommunen entsprechend entlastet werden. Das ist ein komplizierter Weg.
Meine Damen und Herren, der 24. Dezember 2003 war ein schöner Tag. Da wurde nämlich in deutschen Haushalten und in vielen anderen Haushalten der Welt Weihnachten gefeiert. Außerdem wurde an diesem Tag ein Gesetz ausgefertigt, das uns in der Gegenwart noch sehr beschäftigt. Es handelt sich dabei um das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Dieses Gesetz hatte tatsächlich historische Auswirkungen: Anderthalb Jahre später verlor die SPD mit einer donnernden Niederlage die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Ein weiteres halbes Jahr später verlor Gerhard Schröder die Kanzlerschaft, was er am Wahlabend noch nicht wahrhaben wollte.
Drei Jahre später wurde uns die Gegenwart der Linken-Fraktion im Niedersächsischen Landtag beschert. Insofern, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, sollten Sie dieses Gesetz begrüßen, statt es regelmäßig zu bekämpfen. Nur
Das ist auch nicht ganz witzig, weil wir anhand des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt schon feststellen können, dass Gesetzgebung kompliziert ist und manchmal zu Nebenwirkungen führt, die nicht nur erfreulich sind. Zu den nicht erfreulichen Nebenwirkungen gehört - Herr Ministerpräsident Wulff hat sie heute aus seiner persönlichen Erinnerung heraus noch einmal dargestellt -, dass man gelegentlich bei wichtigen und grundsätzlichen Entscheidungen, deren eigentliche Auswirkungen von allen rechtlich Denkenden politisch befürwortet werden, nur zu schwierigen, kompromissbeladenen Wegen findet, die am Ende vom Bundesverfassungsgericht kritisiert werden. Das haben wir heute bei einem anderen Tagesordnungspunkt schon diskutiert.
Wenn denn das damalige politische Ziel darin bestanden hat, die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro zu erleichtern,
dann - bitte entschuldigen Sie, mein Weltverständnis ist manchmal etwas einfach - wäre es meiner Auffassung nach ein leichter Weg gewesen, im Rahmen des Finanzausgleichs 2,5 Milliarden Euro an die Länder und dann weiter an die Kommunen zu übertragen, diese Summe also einmal zu beziffern. Damit wäre dem politisch klar geäußerten Ziel, nämlich der Entlastung um 2,5 Milliarden Euro, Rechnung getragen gewesen.
Diesen Weg ist man nicht gegangen. Stattdessen brauchen wir jährlich neue Anpassungsgesetze für das SGB II. Es werden dementsprechend Debatten geführt, wie wir sie hier erleben, und wir stellen fest, dass zwischen Bundesrat und Bundestag grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob die Entlastung um 2,5 Milliarden Euro auf dem gefundenen Weg erreicht worden ist oder nicht.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns bei weiteren Gesetzen, die wir beraten und im Rahmen unserer politischen Verantwortung auf den Weg bringen, an den Grundsatz der Einfachheit und Klarheit halten, mit dem die Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren ihren Anfang genom
men hat und der im politischen Geschäft heute leider manchmal verloren geht. Das Einkommensteuerrecht ist ein weiteres Beispiel. Ich bin allerdings guter Dinge, dass die Koalition, die jetzt in Berlin Verantwortung hat, dem Grundsatz der Einfachheit und Klarheit Rechnung trägt, wie wir auch im Lande Niedersachsen unsere Gesetze übersichtlich zu gestalten pflegen, wenn auch nicht immer zu Ihrem Wohlwollen.
Bitte stellen Sie die Einigkeit, die wir im Ausschuss gefunden hatten, wieder her. Widersprechen Sie dem Moratorium. Ich sage deutlich: ein Moratorium dem Moratorium! Ein Moratorium wäre der absolut falsche Weg und ergäbe völlig falsche Signale. Stellen Sie bitte die Einigkeit für den Antrag in Drs. 16/1851 wieder her.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Und was ist mit den Kosten der Unterkunft?)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege, ich kann nur das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: Manche Rede wäre besser nicht gehalten worden. Ihre gehört wieder einmal dazu.
Wenn Sie denn schon die Geschichte heranziehen, dann sollten Sie sie richtig heranziehen. Der Ministerpräsident hat vorhin etwas dazu gesagt. Wenn Sie gut zugehört hätten, dann wüssten Sie es. Die Vereinbarung, die genau die unglückselige Situation bei der Frage der Unterkunft herbeigeführt hat, über die wir jetzt reden, ist nachts um drei bei einem Kompromiss zwischen Bundesrat und Bundesregierung entstanden. Mit am Tisch haben leider auch die kommunalen Spitzenverbände gesessen. Verantwortlich dafür ist der Städte- und Gemeindebund. Das haben wir nun immer und immer wieder von Neuem auszubaden. Ich sage ganz klar: Ich stehe zu diesem Gesetz; das wissen Sie von mir. Das unterscheidet mich fundamental von der Fraktion DIE LINKE. Ich setze mich mit denen gern inhaltlich auseinander. Ich würde auch Ihnen ganz dringend empfehlen, dazu zurückzukehren, sich mit dieser Fraktion inhaltlich
- Nein, Sie machen diese Tricks, weil Sie da, wo gemeinsame Inhalte sind, diese nicht mittragen, sondern hier herumtricksen. Da Gott sei Dank keine Öffentlichkeit mehr da ist, können wir das einmal ernsthaft ansprechen. Ich würde viel mehr davon halten, dass wir uns über die Punkte auseinandersetzen, bei denen es Differenzen zwischen uns gibt. Differenzen gibt es in der Frage, was das Aussetzen von Sanktionen angeht. Das tragen wir so nicht mit, weil es eine Situation ist, die wir nicht akzeptieren können. Wir sagen allerdings auch, dass wir, wenn wir diesen Antrag noch vernünftig hätten weiterberaten können, was die Mehrheit im Ausschuss so nicht wollte, darüber hätten reden können, wie wir Sanktionen verändern. Darüber hätte man mit uns reden können. Deshalb werden wir uns zu diesem Punkt der Stimme enthalten.
Bei der anderen Frage ist es natürlich etwas grotesk. Wir sind alle der Meinung, dass bei der Frage der Kosten der Unterkunft eine Besserstellung erreicht werden muss. Das ist einhellige Auffassung. Die einzige Differenz, die der Ausschussvorsitzende hier noch vorgetragen hat, ist durch den Änderungsantrag ausgeräumt worden. Jetzt könnten Sie zeigen, dass wir dies wirklich gemeinsam nach vorne bringen können. Sie haben es ja auch so wunderschön formuliert, dass wir eigentlich eine gemeinsame Zielsetzung haben. Diese gemeinsame Zielsetzung wirkt nur dann vernünftig und stark, wenn wir sie als Landtag insgesamt auf den Weg bringen. Das hätten wir dann erfolgreich umgesetzt. Dann könnten wir der verblüfften Öffentlichkeit einmal erklären, dass wir durchaus in der Lage sind, etwas für die kommunalen Ebenen zu tun; sie haben das nämlich auszubaden. Sie brauchen ganz dringend eine Regelung. Ihnen nützt ein Geschäftsordnungstrick im Niedersächsischen Landtag nichts, sondern sie brauchen eine Lösung.
Ich bin dankbar dafür, dass die Landesregierung im November im Bundesrat dazu beigetragen hat, dass man dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalen beigetreten ist, um das durchzusetzen. Wir brauchen aber ein Ergebnis, das sicherstellt, dass die Kommunen mit den Unterkunftskosten nicht alleingelassen werden; denn sonst geraten sie angesichts der Belastungen, die sie an anderer Stelle
haben, in die Gefahr, ihre Handlungsfähigkeit gänzlich zu verlieren. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dem Änderungsantrag zustimmen könnten, damit wir ein ordentliches Gewicht hineinbringen, und wirklich dazu zurückkehren, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen; denn ich glaube, dass das auf Dauer viel erfolgreicher ist, als wenn man die Sachen macht, die wir hier gestern erlebt haben. Ich finde es jedenfalls nicht hilfreich, wenn versucht wird, an Ecken auszugrenzen, an denen es völlig überflüssig ist. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Ich bin als Landtagsabgeordneter und als Demokrat zutiefst betrübt darüber, wenn es Zwischenrufe gibt, wie es gestern en masse der Fall gewesen ist, mit denen anderen die demokratische Gesinnung abgesprochen wird.
Das ist aus meiner Sicht hochproblematisch. Ich sage auch ganz offen: Ich bin wirklich streitlustig, was die Inhalte der Linken angeht; das möchte ich auch bleiben. Aber ich bin absolut dagegen, dass man sich gegenseitig die demokratische Gesinnung aberkennt. Ich würde wirklich darum bitten, weil jetzt von außen vielleicht kaum noch jemand zuhört, dass alle, die das tun, einmal in sich gehen, wenn diese Plenarsitzung heute zu Ende ist, und darüber nachdenken, ob das wirklich unserer Demokratie zuträglich ist.
- Wissen Sie, Sie können ja auch einmal etwas dazu beitragen, Herr Vizepräsident, indem Sie sich darauf konzentrieren, sich inhaltlich mit den Positionen auseinanderzusetzen.
Da hätten Sie mich voll auf Ihrer Seite. Sie wissen ja, dass ich über Inhalte gerne streite. Es muss benannt werden, wenn sich andere nicht daran halten. Aber auch wir müssen dazu beitragen. Der gestrige Tag war in der Beziehung absolut kein Höhepunkt.