Protocol of the Session on November 25, 2009

Das ist genau der Unterschied: einige Mitgliedstaaten und eben nicht einige Bundesländer. Wir wollen ein Gesamtprogramm auf Deutschlandebene. Wir sehen überhaupt keine Veranlassung, hier als Land Niedersachsen ein eigenes Programm aufzulegen oder hier irgendwo vorzupreschen, bevor diese Asylpolitik nicht gesamtdeutsch geregelt ist oder auch irgendwo in einer Gesamtlösung vereinbart ist.

Wir setzen deshalb auf die neue Bundesregierung. Wir als Fraktionen von CDU und FDP, die diese Landesregierung tragen, stehen auch weiterhin dafür, dass Niedersachsen auch im intensiven deutschlandweiten Diskussionsprozess seine Verantwortung im gleichen Maße wie bisher wahrnimmt. Wir werden mit unserem Innenminister und natürlich auch mit der gesamten Landesregierung dort einen guten Vertreter haben, der Niedersachsen als Vorbild zeigen kann und der auch deutlich gemacht hat, wie intensiv hier unsere Bemühungen sind.

In diesem Sinne sage ich Ihnen nur: Wir werden unseren Antrag so durchziehen, wie wir ihn gestellt haben.

(Zurufe von der SPD und von der LINKEN: Ja, „durchziehen“!)

Frau Jahns, ich möchte um eine Unterbrechung bitten. Frau Polat möchte eine Zusatzfrage stellen. Lassen Sie die zu?

(Nein! bei der CDU - Kreszentia Flau- ger [LINKE]: „Durchziehen“ war das richtige Wort!)

Die lasse ich zu, ja.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Jahns, ich weiß nicht, ob Sie den Änderungsantrag der Oppositionsfraktionen gelesen haben. Wir haben im Übrigen während der Ausschussberatung auch die Bundesratsdrucksache zu diesem Thema beraten. Es geht im Wesentlichen um eine Bundesratsinitiative. Wir wollen natürlich gerne wissen, wie die Landesregierung sich zu dieser Drucksache im Bundesrat verhält. In unserem Antrag steht nichts anderes als die Forderung, sich entsprechend für ein Resettlementprogramm zu äußern. Ist Ihnen das nicht bekannt?

Frau Polat, ich habe eben deutlich gemacht: Diese Landesregierung wird sich der Verantwortung für irakische Flüchtlinge und auch für andere Flüchtlinge stellen und wird in besonders vorbildlichem Verhalten wie bisher auch dazu Stellung nehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Du sollst keine anderen Götter neben mir ha- ben! - Gegenruf von Heiner Schön- ecke [CDU]: Nicht immer so bissig!)

Die nächste Rednerin ist Frau Zimmermann für die Fraktion DIE LINKE. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Zimmermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein starkes Stück, dass man einen solchen Antrag stellt und gleichzeitig sagt, dass man eigentlich gar nichts tun will. „Niedersachsen - Tor in eine freie und friedliche Welt für 2 500 irakische Flüchtlinge“ ist eine ganz große Überschrift. Nur ist in dem Antrag nichts dahinter. Die Ausschussbera

tungen haben einmal mehr deutlich gemacht, dass der Antrag von CDU und FDP inhaltlich unter null geht.

Im März dieses Jahres landeten die ersten 122 irakischen Flüchtlinge in Hannover. Es war die erste Gruppe von insgesamt 2 500 Flüchtlingen, welche im Rahmen eines Aufnahmeprogramms in Deutschland aufgenommen werden. Insgesamt nimmt die Europäische Union 10 000 Flüchtlinge aus dem Irak auf. Im Gegensatz zu dem, was CDU und FDP in der Überschrift ihres Antrages suggerieren, bleibt festzuhalten, dass gerade einmal 237 Flüchtlinge letztlich im Land Niedersachsen verbleiben werden.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das ist ja beschämend! - Sigrid Leuschner [SPD]: Ja, sehr wenig!)

Schaut man sich an, dass in Syrien und Jordanien mehr als 2 Millionen irakische Flüchtlinge unter katastrophalen Bedingungen leben, kann angesichts dieser Zahlen die bisherige Aufnahmequote nur als Menschenrechtskosmetik bezeichnet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus diesem Grund ist Ihr Antrag nicht mehr als eine Selbstbeweihräucherung, welche mit der konkreten Situation überhaupt nichts zu tun hat.

Ich erinnere an den Antrag meiner Fraktion mit dem Titel „Beitrag des Landes Niedersachsen zum Schutz irakischer Flüchtlinge“, welcher von Ihnen abgelehnt wurde. In diesem wurde festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere auch das Land Niedersachsen über ausreichend Aufnahmekapazitäten verfügen. Deshalb wäre es ein zwingender Akt von Humanität, die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge deutlich zu erhöhen. Außerdem sollte sich der Landtag dafür aussprechen, dass die durch das Land Niedersachsen aufgenommenen Flüchtlinge unbürokratisch und schnell auf die Orte ihrer Wahl verteilt werden, um so eine zielorientierte Integration zu gewährleisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Hintergrund dieser Forderung war und ist, dass die Integration von Flüchtlingen am besten vor Ort durch die Kommunen gewährleistet wird. Es macht keinen Sinn, die Flüchtlinge in Lagern unterzubringen, wenn - für diese Menschen gilt das - rund 70 % der ausgewählten Flüchtlinge in Deutschland Freunde und Verwandte haben.

Zielführend ist deshalb der gemeinsame Änderungsantrag von SPD, Grünen und meiner Fraktion DIE LINKE. Was wir brauchen, ist eine Ausweitung des Resettlement auf Bundes- und Europaebene, d. h. einer Neuansiedlung von Flüchtlingen, denen aufgrund der Verhältnisse im Herkunftsstaat auf absehbare Zeit eine Rückkehr dorthin nicht möglich oder aufgrund ihres Verfolgungsschicksals nicht zumutbar ist. Dafür muss sich die Landesregierung auf Bundes- und Europaebene einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was in dem gemeinsamen Änderungsantrag enthalten ist, ist ein substanzieller Beitrag, den ich mir auch im Antrag von CDU und FDP gewünscht hätte.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Änderungsantrag, mit dem wir im Übrigen die Forderung der bundesweiten Kampagne „Save me - Flüchtlinge aufnehmen“ aufgreifen. Insgesamt haben bundesweit bereits eine Vielzahl von Kommunen Beschlüsse gefasst, mit denen man sich für ein solches kontinuierliches Resettlementprogramm ausspricht. Darunter befindet sich auch unsere Landeshauptstadt Hannover. Der Niedersächsische Landtag sollte sich dieser Initiative unbedingt anschließen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich zunächst, dass die Fraktion DIE LINKE und die SPD-Fraktion sich unserem Änderungsantrag angeschlossen haben. Wir hatten ja bei verschiedenen Änderungsanträgen in diesem Parlament schon einmal über Resettlement und über das diesjährige Aufnahmeverfahren gesprochen.

Frau Jahns, dieser Änderungsantrag ist eine logische Konsequenz dessen, was Sie gesagt haben, und zeigt, dass die linke Hälfte des Parlaments wirklich Verantwortung für eine moderne Flüchtlingspolitik übernimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Für mich ist es unverständlich und eigentlich sogar absurd: Angesichts der weltweiten Probleme, die Sie gerade dezidiert benannt haben - Sie haben den Irak herausgegriffen -, können wir uns doch nicht aufgrund der Aufnahme von 200 irakischen Binnenflüchtlingen auf die Schultern klopfen, denjenigen Dank sagen - das haben wir im Übrigen in unserem Änderungsantrag auch getan - und uns dann zurücklehnen und wieder wegschauen.

In ganz Deutschland gibt es Initiativen - das ist benannt worden - auf kommunaler Ebene. Bundesländer bekennen sich zu „Save me“. In Schleswig-Holstein nennt es sich „Safe haven“. Die Bundeshauptstadt Berlin sagt ja zu „Save me“. Die Landeshauptstadt Hannover sagt ja zu „Save me“, ebenso München, Kiel, Aachen. Nur die Bundesregierung hat sich noch nicht zu einem kontinuierlichen Resettlementprogramm bekannt. Von daher ist es umso wichtiger - weil es eine Bundesratsdrucksache gibt, über die im Übrigen schon im Bundesrat entschieden wurde; von daher wäre es interessant zu erfahren, wie sich die Landesregierung dazu verhalten hat -, auch seitens des Landes Niedersachsens Druck auszuüben - gerade weil Niedersachsen die zentrale Aufnahmestelle für die irakischen Flüchtlinge war - und zu sagen: Wir wollen wie viele andere EU-Mitgliedsstaaten ein kontinuierliches jährliches Resettlementprogramm, um Flüchtlinge hier in Deutschland und in Europa anzusiedeln.

Kriege und politische Krisen zwingen jedes Jahr Tausende Menschen zur Flucht. Die Flüchtlingszahlen im Nahen Osten und die Binnenflüchtlinge aus dem Irak sind genannt worden. Laut der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR befinden sich rund 6,2 Millionen Menschen weltweit in lang anhaltenden Flüchtlingssituationen. Dabei können die meisten Flüchtlinge keinen sicheren Staat erreichen; denn die Nachbarstaaten von Krisengebieten sind häufig mit der Masse der Flüchtenden strukturell und organisatorisch überfordert. Ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben sitzen sie jahrelang in provisorischen Lagern.

Der UNHCR hat wie auch die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Wohlfahrtsverbände, die Kirchen, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen dieses Neuansiedlungs- bzw. Resettlementprogramm gefordert. Der UNHCR hält eine Ausweitung der verfügbaren Neuansiedlungskapazitäten für dringend erforderlich. Eine Reihe von Staaten - ich habe davon gesprochen - hat solche Programme. Das ist dort Tradition. Dazu gehören

die USA, Kanada, Schweden, Norwegen oder auch die Niederlande.

(Glocke des Präsidenten)

Eine Neuansiedlung in Deutschland wird auch von den europäischen Institutionen gefordert. Wir haben über die Mitteilungen der Europäischen Kommission gesprochen, der eine Konsultation verschiedener Organisationen vorausgegangen ist. Sie wissen, bei einer Konsultation melden sich Tausende von Verbänden und Organisationen in Europa. Alle - im Übrigen auch der Europarat und das Europaparlament mit Vertreterinnen und Vertretern auch der CDU-Fraktion - haben ein kontinuierliches Programm ausdrücklich unterstützt und gefordert.

Die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus. Im Jahre 2008 wurden 65 000 Flüchtlinge zentral angesiedelt. Davon hat die EU leider nur einen Anteil von 6,7 %. Ich glaube, wir sollten uns unsere Verantwortung bewusst machen. Die Europäische Union und teilweise auch wir sind verantwortlich für eine Vielzahl von Fluchtursachen.

(Glocke des Präsidenten)

Also müssen wir auch zukünftig Verantwortung für eine zentrale Ansiedlung von Flüchtlingen übernehmen. Deshalb bitte ich Sie: Wenn Sie von einem weltoffenen Niedersachsen sprechen, bekennen Sie sich zu einer modernen Flüchtlingspolitik und übernehmen Sie Verantwortung dafür. Sagen Sie ja zu „Save me“ auch hier in Niedersachsen und ja zu einem Resettlementprogramm.

Vorhin war die „Save me“-Gruppe aus Hannover da.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Polat.

Sie hat uns einen Forderungskatalog übergeben. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Faktion hat gesagt, er wird es noch einmal prüfen wollen. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie es vielleicht schon geprüft haben und unserem Änderungsantrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Leuschner von der SPD-Fraktion hat das Wort. Bitte schön, Frau Leuschner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Polat, Sie haben die wesentlichen Inhalte unseres gemeinsamen Änderungsantrages dargestellt.

Aber ich möchte zuerst noch ein paar Worte zu der Kollegin Jahns sagen. Kollegin Jahns, ich darf meine Kollegin Renate Geuter zu Ihren Einlassungen zitieren: Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sehr gut! - Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)