Protocol of the Session on November 24, 2009

Eingebracht wird der Antrag von Frau Leuschner.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Nein, von Frau Heiligenstadt!)

- Von Frau Heiligenstadt. Das hatten wir aber schon einmal. Können Sie sich daran erinnern? - Sie müssen die Zettel zügiger heraufreichen. Sie delegieren das immer. Einmal war es Herr Jüttner,

einmal Frau Leuschner. Frau Heiligenstadt, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, Sie werden es verzeihen. Wir haben diesen Tagesordnungspunkt kurzfristig vorgezogen. Ich denke, es ist der Bedeutung dieser Arbeit und dieses Themas angemessen, dass wir uns dafür die notwendige Zeit nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Schulsozialarbeit stärkt und unterstützt unsere Kinder und Familien. Diese Aussage des Antrages ist der SPD-Landtagsfraktion an dieser Stelle ganz wichtig.

Wir haben uns des Themas Schulsozialarbeit in den letzten Wochen und Monaten angenommen, nicht zuletzt deshalb, weil die Landesarbeitsgemeinschaft der Schulsozialarbeit im Rahmen einer Unterschriftenaktion auf die problematische Situation der über 700 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an niedersächsischen Schulen hingewiesen hat.

Wie ist die derzeitige Situation an den niedersächsischen Schulen? - Noch aus sozialdemokratischer Regierungszeit gibt es einige Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die sozusagen unter Landesägide angestellt sind und ihre Arbeit versehen, u. a. im Bereich der Ganztagsschulen, aber auch im Bereich der Hauptschulen und an Schulen an sozialen Brennpunkten.

Ab 2003 hat es ein Hauptschulprofilierungsprogramm gegeben, in dem knapp 500 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in unterschiedlichsten Arbeitsverhältnissen angestellt wurden, zum Teil über Landkreise als Träger der Jugendhilfe, zum Teil über freie Träger, zum Teil gemeinsam finanziert über Kommune und Land, zum Teil aber auch ausschließlich mit dem hälftigen Landesanteil finanziert.

Das führt an den Schulen zum Teil dazu, dass die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter jeweils eine halbe Stelle an einer Schule besetzen, sie also für insgesamt zwei Schulen zuständig sind. Nach der Größe der Schule wird nicht gefragt. Das gilt für Hauptschulen, die 400 Schülerinnen und Schüler haben, genauso wie für Hauptschulen mit 100 Schülerinnen und Schülern. Der Schwerpunkt dieses Hauptschulprofilierungsprogramms liegt in erster Linie im Bereich der Gestaltung des Übergangs von Schule und Beruf.

Meine Damen und Herren, sicherlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber wir erfahren doch angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und der Probleme, denen die Jugendlichen heutzutage ausgesetzt sind, sehr häufig, dass es nicht nur um die Fragestellung geht, wie es nach der Schule mit dem Einstieg in ein Ausbildungsverhältnis weitergeht, sondern Schülerinnen und Schüler haben heutzutage sehr viel mehr Probleme, zum Teil aus ihrer familiären Situation heraus, zum Teil aufgrund von Schulmobbing, zum Teil aufgrund von Suchtgefahren welcher Art auch immer oder zum Teil auch aufgrund von Gewalt, sodass wir Schulsozialarbeit hier dringend benötigen.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation des Großteils der betroffenen Beschäftigten ist aber insbesondere in den letzten Monaten zunehmend unsicher geworden, weil ihre Beschäftigung immer nur für jeweils ein Jahr finanziert wurde und dann sogenannte Kettenverträge abgeschlossen werden mussten, sodass immer nur für ein weiteres Jahr ein Projekt an Hauptschulen finanziert werden konnte.

Das ist ein unhaltbarer Zustand, vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass es in erster Linie gilt, eine kontinuierliche Beziehungsarbeit mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern aufzubauen.

Man bedenke: Sie sollen ein ruhender Pol sein. Sie sollen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler sein und haben selbst die Ungewissheit vor Augen, dass ihr Arbeitsvertrag in den nächsten fünf Monaten möglicherweise nicht fortgeführt wird. Das ist kein Zustand, in dem man eine kontinuierliche Beziehungsarbeit aufbauen kann.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Da wundert es auch nicht, wenn viele der betroffenen Beschäftigten versuchen, eine andere Stelle anzunehmen. Es kommt zu sehr vielen personellen Wechseln und auch zu Schulwechseln. Allerdings haben Schülerinnen und Schüler nicht ausschließlich Fragen zu Schule und Beruf, sondern, wie ich bereits ausgeführt habe, auch zu Problemen aus familiären Situationen und sicherlich auch aus Mobbingsituationen. Die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter aus dem Hauptschulprofilierungsprogramm müssen sehr häufig richtige Klimmzüge vollführen, wenn sie soziales Lernen in einer Klasse klären wollen, wobei es zunächst

einmal gar nicht um das Thema Schule und Berufsübergang geht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich denke, wir sollten die Betroffenen nicht auch noch der Schwierigkeit aussetzen, dass der Fokus auf Schule und Berufsübergang eingeengt ist, sondern wir sollten den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern das soziale Lernen, das Kommunizieren, das Miteinander-Lernen und vor allen Dingen das Aufbauen von Netzwerken erleichtern, indem wir ihnen nicht solch enge Vorgaben machen, sodass sie kontinuierlich arbeiten können.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb fordern wir in unserem Antrag die Landesregierung auf, ein Konzept zu erstellen, wie in Zukunft Schulsozialarbeit an jeder Schule erreicht werden kann; denn die Probleme, die ich eben beschrieben habe, tauchen nicht nur an Hauptschulen, sondern immer mehr und regelmäßig auch an den anderen Schulformen unseres Schulsystems auf. An den Gymnasien haben wir zunehmend Fälle von psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen. Auch hier ist diese Arbeit dringend erforderlich und segensreich.

Weiterhin fordern wir die Landesregierung auf, ein Konzept mit den Trägern der örtlichen Jugendhilfe zu erstellen, wie die vorhandenen ca. 500 Kräfte in eine kontinuierliche und unbefristete Beschäftigung übernommen werden können. Im Gegensatz zu den Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsfraktionen und der Landesregierung sagen wir als SPD ganz deutlich: Schulsozialarbeit ist Landesaufgabe und gehört zu moderner Schule dazu.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Unruhe)

Frau Kollegin Heiligenstadt, bitte einen kleinen Moment! - Der Geräuschpegel wird immer höher. Ich bitte Sie, die Privatgespräche einzustellen. Das geht quer durch alle Fraktionen. - Bitte, Frau Heiligenstadt!

Von daher freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss zu diesem Themenkomplex. Wir sind gespannt, wie sich die Regierungsfraktionen dazu positionieren. Einen kleinen Erfolg haben wir mit der Einbringung des Antrags immerhin schon erreicht: Das Ministerium sah sich genötigt, am

20. November einen Runderlass zum Profilierungsprogramm Hauptschule herauszugeben, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Hauptschulprofilierungsprogramm die nächsten drei Jahre weitergeführt wird. Immerhin! Das ist zwar nicht viel, aber etwas, was eine kontinuierliche Arbeit ermöglicht. Das ist auch für uns sehr erfreulich gewesen, und das finden wir unterstützenswert.

Wir sagen aber auch deutlich: Mit diesen Kettenverträgen und mit dem engen Rahmen „Übergang von Schule und Beruf“ kann es nicht so weitergehen. Das Vorhaben kann nicht ausschließlich auf Hauptschulen beschränkt bleiben, sondern muss für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen gelten. Darüber wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Seefried gemeldet. Herr Seefried, ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ - So lautete die Überschrift einer Wanderausstellung der Regionalgruppe Stade der Landesarbeitsgemeinschaft der Schulsozialarbeit - eine Ausstellung, die aufrüttelte, bewegte und deutlich machte, wie wichtig Schulsozialarbeit heute ist.

„Ich bringe mich um, das merkt eh keiner“ oder „Papa und Mama streiten immer“ - dies waren einige Zitate, die in der Ausstellung auf Plakaten standen und die deutlich aussprachen, was in den Köpfen einiger Kinder und Jugendlicher vor sich geht. Es hat sich also etwas verändert. Die Gesellschaft hat sich verändert. Für die Schulsozialarbeit gehören Themen wie Mobbing, Alkohol, zerrüttete Familien oder schlechte Noten zum Berufsalltag.

Seit 2003 hat es diese Landesregierung mit den sie tragenden Fraktionen und dem Hauptschulprofilierungsprogramm geschafft, an über 494 Hauptschulen - das sind knapp 100 % der niedersächsischen Hauptschulen - Schulsozialarbeiter einzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn man immer noch mehr fordern kann - ich habe im letzten Plenarsitzungsabschnitt ähnlich gesprochen - und man immer noch einen obendrauf setzen kann, so müssen wir an dieser Stelle doch einmal eindeutig festhalten: Wir, die regierungstragenden Fraktionen, brauchen uns mit dem, was hier seit 2003 umgesetzt worden ist, nicht zu verstecken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nein, das brauchen wir wirklich nicht; denn die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben aus dem von der SPD begonnenen Modellprojekt eine feste Institution geschaffen. Ich ziehe heute in Zweifel, dass Sie dafür die Kraft gehabt hätten.

Besser noch: Obwohl es sich bei der Schulsozialarbeit um ein primäres Aufgabengebiet der Jugendhilfe, also um eine kommunale und nicht unmittelbare Landesaufgabe, handelt, sind aus den 191 Schulsozialarbeiterstellen damals bei Regierungsübernahme bis heute durch unser Hauptschulprofilierungsprogramm knapp 500 Stellen geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da ist es schon ein wenig ein Hohn, dass in der Pressemitteilung der SPD-Fraktion zu diesem Antrag steht - auch Frau Heiligenstadt hat es so gesagt -, dass man jetzt über das bloße Weiterfinanzieren hinauskommen müsste. Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben die Ausgaben von früher 3 Millionen Euro im Jahr auf heute 12 Millionen Euro gesteigert und dafür seit 2004 fast 48 Millionen Euro eingesetzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei uns ist es eben so: Wir reden nicht nur, sondern wir handeln auch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dabei war es damals wie heute richtig und wichtig, auf die Stärkung der Hauptschule zu setzen. Die Erfolge daraus können sich sehen lassen, und die lassen wir uns nicht kaputt- und nicht schlechtreden. Die Zahl der Schulabbrecher wurde reduziert, und vor allem wurde die Ausbildungsfähigkeit gesteigert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es muss doch darum gehen, den Praxisanteil und die Berufswahlbegleitung zu stärken, junge Men

schen für den Arbeitsmarkt und für das Leben fit zu machen sowie ihre Selbstständigkeit zu fördern. Wir können in der Zukunft am Arbeitsmarkt auf niemanden mehr verzichten. Dafür ist dieses Programm genau richtig gewesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Reinhold Coenen [CDU]: Genau so ist es!)

Bei dieser Arbeit - dies habe ich eingangs gesagt - hat die Schulsozialarbeit eine wichtige Rolle. Sie hat diese in den letzten Jahren immer besser ausgefüllt. Die Schulsozialarbeiter sind eben nicht Lehrer und auch nicht Eltern, sie sind eine Vertrauensperson.

Ich kann Ihrer Beschreibung der Sozialarbeit in der Begründung zu dem Antrag sehr gut zustimmen; das ist unumstritten. Die zentrale Rolle, die Sie der Schulsozialarbeit zumessen, zu der wir sie durch unsere Politik gemacht haben, kann man wirklich nur unterstützen.