Aber das, was wir jetzt hier an Maßnahmen einleiten, kann erst in fünf bis zehn Jahren wirken. Das muss jedem klar sein, der über diesen Antrag berät.
Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, das Problem, das wir im Moment beim Lehrermangel haben, ist schlicht eine fehlende Entwicklung, die genau das, was Sie hier beschrieben haben, nämlich diesen Zyklus, der einmal zu viele Lehrer und ein andermal zu wenige Lehrer abbildet, nicht vorherplant. Und dieser Zyklus ist planbar!
In einer Situation, in der wir wissen, dass in den nächsten 15 Jahren 50 % aller Lehrerinnen und Lehrer die Schulen verlassen werden, weiß man, dass man Anstrengungen unternehmen muss, um mehr Menschen für das Lehramtsstudium zu begeistern und diejenigen, die es absolviert haben, in das Schulsystem zu integrieren. Jetzt ist Handeln gefragt; denn Sie müssen die Maßnahmen heute einleiten, um den Engpass von morgen zu überbrücken. Da ist jede Zögerlichkeit - „Es soll geprüft werden“, „Wir schauen uns das einmal an“, „Wir warten die Entwicklung ab“ - schlicht und ergreifend fehl am Platze. Mit Ihrer heutigen Entscheidung werden schon jetzt die Probleme produziert, die wir in fünf, sechs oder zehn Jahren haben werden. Dann wenn wir beim Lehrermangel eine Größenordnung erreichen, dass wir uns gerne wieder an die Zeiten zu Beginn dieses Jahrtausends erinnern werden, weil das im Vergleich dazu noch Zuckerschlecken war.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sage gleich vorweg: Wir werden dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP nicht zustimmen.
Alle Fraktionen haben sich mit diesem Thema beschäftigt und Anträge eingebracht. In allen Anträgen sind positive Ansätze enthalten, so auch in Ihrem Antrag; dies sage ich ganz offen. Sie fordern ein fünfjähriges Studium auch für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen. Das ist vernünftig. Warum dann aber eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes? - Kürzer heißt doch nicht besser! Für mich bleibt der Vorbereitungsdienst die wichtigste Phase in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Das kann nicht der Weg sein!
Wie alle haben auch Sie - dies ist positiv zu werten - die Notwendigkeit von mehr Praxisbezug schon zu Beginn des Studiums erkannt. Die Studenten müssen die Möglichkeit haben, Fähigkeiten und auch Schwächen zu erkennen und diese eventuell auszugleichen.
Ich finde auch die Verbindung bei der Ausbildung im Elementar- und Primarbereich sehr interessant. Darüber würde ich gerne weiter diskutieren und es weiterverfolgen. Aber wir stimmen ja heute ab.
Selbstreflexion ja, aber bitte durch stärkere Praxisanteile und Pädagogikanteile schon zu Beginn des Studiums!
Sie machen auch Vorschläge zu einer besseren Qualifizierung von Quereinsteigern. Auch das ist dringend notwendig. Die Anhörung hat uns das gezeigt.
Um mehr Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen, reichen die Vorschläge der Fraktionen der CDU und der FDP nicht aus. Ein Blick in unseren Antrag hilft weiter: Die Arbeitsbedingungen müssen attraktiver werden. Werbekampagnen reichen nicht, sondern es muss eine bessere Bezahlung für die Referendare her.
Da müssen mehr Stellen in der Lehrerausbildung an den Schulen her, um die Belastung für den Einzelnen zu senken. Da müssen mehr Fachleiterstellen in der zweiten Phase der Lehrerausbildung her, damit die Betreuung besser wird, die Ausbilder
anständig bezahlt werden und nicht nur als Mitwirker gelten und somit keine Höhergruppierung in der Besoldung erhalten.
- Wir können uns gerne hinterher in der Lobby darüber unterhalten. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen.
(Reinhold Coenen [CDU]: Nicht in der Lobby! Wir wollen das hier hören! - Zuruf von der CDU: Butter bei die Fi- sche!)
Positive Ansätze sind, wie gesagt, in allen Anträgen enthalten. Wir werden uns bei der Abstimmung über die Anträge der Fraktionen der Grünen und der SPD der Stimme enthalten, weil uns die Forderungen in diesen Anträgen im Prinzip nicht ausreichen.
Frau Kollegin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Sie können sich jetzt Zeit nehmen. Sie können Ihre Ausführungen nämlich erst dann weiterführen, wenn hier im Plenarsaal Ruhe eingetreten ist. - Das scheint jetzt der Fall zu sein. Bitte schön!
Vielen Dank. - Zurück zum Antrag der CDU und der FDP: Im Vorspann rühmen sich die Antragsteller, dass die Umstellung auf Bachelor-/MasterStudiengänge im Lehramt in vorbildlicher Weise gelungen sei. Wenn man in den Bittkatalog schaut - ich habe schon darüber geredet -, wird ersichtlich, dass CDU und FDP daran selbst nicht glauben. Sie verlangen einen großen Master - fünf Jahre -, eine bessere Integration von Praxisanteilen in das Studium und mehr Möglichkeiten zur Selbstreflexion. Mit anderen Worten: Die Koalitionsfraktionen wissen selbst, dass die gegenwärtigen Bildungswege für Pädagoginnen und Pädagogen in den unterschiedlichen Bildungsbereichen im Grunde ganz großer Murks sind. In dieser Erkenntnis stimmen wir Ihnen ausdrücklich zu.
Leider haben Sie das in Ihrem Antrag so nicht geschrieben. Wir werden der Ausschussempfehlung daher nicht folgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Wolfgang Wulf, mir geht die Analogie mit dem gallischen Dorf überhaupt nicht aus dem Kopf. Ich kann mir Sigmar Gabriel gut als Obelix vorstellen.
Bei Andrea Nahles als Asterix habe ich aber Schwierigkeiten. Das Hauptproblem der SPD ist aber, dass Sie vergessen haben, wie man den Zaubertrunk herstellt.
Erleben wir in diesem Parlament nicht irgendwann einmal den Moment, in dem auf Ihrer Seite vielleicht ein bisschen Format vorhanden ist und gesagt wird „Hört mal zu, das, was ihr da jetzt macht, ist für deutsche Verhältnisse wirklich etwas Paradigmatisches“? Liebe Frau Heinen-Kljajić, Sie sind immer gut informiert. In diesem Fall sind Sie es nicht. Die Kultusministerkonferenz hat zwar beschlossen, dass das Lehramtsstudium auch im Bereich von Grund-, Real- und Hauptschule mit einem Masterabschluss und 300 ECTS-Punkten zu enden hat. Es gibt aber nur zwei Länder in Deutschland, die sich dafür entschieden haben, diese 300 ECTS-Punkte - das sind die Kreditpunkte, die man haben muss, um das Studium abzuschließen - nicht dadurch zu bewirken, dass sozusagen Teile des Vorbereitungsdienstes mit hineingebastelt werden. Es gibt nur zwei Länder, nämlich Nordrhein-Westfalen - von CDU und FDP geführt - und Niedersachsen - von CDU und FDP geführt -, die gesagt haben: Wir machen jetzt wirklich etwas, was Hand und Fuß hat. Wir verlängern die Ausbildung für die Grund-, Real- und Hauptschullehrer auf zehn Semester und bringen sie damit, zumindest was die zeitlichen Ansätze anbelangt, auf das Niveau der Gymnasiallehrerausbildung. Meine Damen und Herren, das ist eine kleine Revolution, die hier stattfindet.
Hier ist gesagt worden, das sei überhaupt nichts Neues, die Ausbildungszeit müsse sowieso in jedem Fall zehn Semester betragen, das habe die KMK beschlossen. Das ist falsch! Ich habe letzte Woche noch mit Frau Ahnen aus Rheinland-Pfalz gesprochen und sie gefragt: Wie macht ihr das denn? - Die Rheinland-Pfälzer haben nach wie vor eine Ausbildungszeit von sechs plus zwei Semestern und basteln dann Teile des Vorbereitungsdienstes mit hinein, um auf die 300 ECTS-Punkte zu kommen. So viel zu Rheinland-Pfalz - SPD-geführt. Berlin - von der SPD und den Linken geführt - macht es genauso. Bitte haben Sie doch einmal so viel Format zu sagen, dass das, was Sie immer gefordert haben, jetzt von uns getan wird. Sie hätten es auch immer tun können, aber Sie haben es nicht getan.
2002 ist die Lehramtsausbildung in Niedersachsen von der Wissenschaftlichen Kommission evaluiert worden. Die Ergebnisse der Evaluation 2002 waren in Teilen - ich halte mich jetzt einmal diplomatisch zurück - alles andere als befriedigend. Das war sozusagen die Initialzündung, die damals gegeben wurde, um beispielsweise für die Universität Göttingen mit Frau Lemmermöhle etwas zu tun und zu sagen: Jawohl, auch wir als die vielleicht einzige Volluniversität dieses Landes bekennen uns zur Bedeutung der Lehramtsausbildung. Wir machen es jetzt wirklich richtig. - Heute sind die Ergebnisse der Evaluation so, dass wir sagen können: Wahrscheinlich hat Göttingen die beste Gymnasiallehrerausbildung in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.
Lieber Wolfgang Wulf, das hat u. a. etwas damit zu tun, dass Göttingen im Zentrum für empirische Unterrichts- und Schulforschung, das dort entstanden ist, forschungsstark ist und sogar ein DFGGraduiertenkolleg im Bereich der Lehramtsausbildung hat entwickeln können. In Oldenburg, Ihrer Heimatstadt, ist das Didaktische Zentrum entstanden. Die Rede, die Sie hier gehalten haben, wird in Oldenburg hoffentlich nicht gelesen. Sie würde nämlich zu viel Verärgerung führen,
weil die Oldenburger mit ihrem Didaktischen Zentrum und ihrem Promotionsstudiengang nicht nur forschungsstark sind, sondern auch hervorragende Lehre betreiben. Das Gleiche gilt für Vechta mit dem Didaktischen Zentrum. Die führen die Rankinglisten an; sie teilen sich die ersten zwei, drei oder vier Plätze und holen Drittmittel nach Niedersachsen. Forschungsstarke Lehrerbildung ist das, worum es geht.
Nun kommt der zweite Schritt. Wir haben gesagt: Obwohl es gut läuft und wir versucht haben, unseren Beitrag zu leisten, um das zu begleiten, ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Uns wird von den Hochschulprofessorinnen und -professoren beispielsweise gesagt: Zur Wahrheit gehört auch, dass wir es leider immer noch mit vielen Lehramtsstudierenden zu tun haben, die eigentlich große Zweifel an ihrer Eignung für diesen Beruf aufweisen. Ich will nicht bewerten, womit das zusammenhängt. Es ist aber eine Tatsache, dass die Forderung an uns immer stärker wird zu sagen: Bitte gebt uns Instrumente an die Hand, um diesen Studentinnen und Studenten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sagen zu können: Leute, sucht euch einen anderen Beruf! Der Beruf des Lehrers wird euch überfordern. Dafür seid ihr nicht geeignet.
Das hat überhaupt nichts - das haben Sie völlig durcheinandergebracht; Jens Nacke hat darauf hingewiesen - mit der Schaffung von Lehrerstellen zu tun. Das ist ein völlig anderes Thema. Die Kollegin Heister-Neumann und die Regierungsfraktionen haben hinsichtlich dieses Themas in den letzten Monaten die richtigen Entscheidungen getroffen.