Protocol of the Session on August 28, 2009

Die Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Tagesordnungspunkt 34 lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zur Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunktes 35 erteile ich für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Modder das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde ich mich nur ganz kurz äußern. Das Waffenrecht ist bekanntlich Bundesrecht. Die Große Koalition hat sich, wie Sie wissen, auf einen Kompromiss verständigt, sodass das Waffenrecht zum Juli dieses Jahres erneut verschärft worden ist. Mein Kollege Karl-Heinz Hausmann hat Ihnen Ihren Antrag im zuständigen Innenausschuss wunderbar auseinandergepflückt und Ihnen, wie ich finde, sehr sachlich unsere Ablehnungsgründe erläutert.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Deshalb möchte ich das hier nicht wiederholen müssen; vielleicht nur so viel: Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er aus unserer Sicht wieder einmal weit über das Ziel hinausschießt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Hinaus- schießt!)

Sie laufen wieder einmal Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das, meine Damen und Herren, ist mit meiner Fraktion nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich heute auf unseren Entschließungsantrag konzentrieren.

(Unruhe)

Ich würde mich auch gerne konzentrieren, und zwar auf Ihren Wortbeitrag. - Ganz herzlichen Dank, dass es so schnell still geworden ist. - Frau Modder!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will mich heute auf unseren Entschließungsantrag konzentrieren und auf das, was hier in Niedersachsen passiert. Herr Schünemann, meine Damen und Herren insbesondere von CDU und FDP, ich will gleich zu Beginn klarstellen - weil ich vermute, dass Sie sich gleich wieder dahinter verstecken wollen -, dass es mir in dieser Debatte wirklich nicht um die bisherige Verkaufspraxis geht, sondern darum, dass das Land Niedersachsen aufgrund der Diskussion über

die schrecklichen Amokläufe, die wir zu beklagen hatten, jetzt handeln muss und jetzt die Konsequenzen ziehen muss, wenn wir die Glaubwürdigkeit in diesem wirklich wichtigen Thema nicht verspielen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, noch einmal zur Erinnerung: Mitte Juni dieses Jahres berichtete der NDR, dass das niedersächsische Innenministerium 19 000 ausgemusterte Dienstwaffen der Marke Heckler & Koch, die P7, zum Verkauf vorgesehen hatte. Im Laufe der Berichterstattung wurde weiter bekannt, dass von diesen Waffen in den Jahren 2007 und 2008 bereits 13 000 Stück verkauft worden waren - für die Landeskasse immerhin eine Einnahme von 2,8 Millionen Euro.

Wir alle haben hoffentlich noch sehr gut die Diskussionen, auch hier im Landtag, nach dem schrecklichen Amoklauf von Winnenden am 11. März dieses Jahres in Erinnerung. Der Ruf nach Konsequenzen und die Verschärfung des Waffenrechtes waren schnell gemacht. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit fand neben der Verschärfung des Waffenrechts die Frage nach der Reduzierung der Anzahl von Waffen im privaten Besitz. So haben viele Landkreise und kreisfreie Städte in ihrer Funktion als Waffenbehörden mit Ihrer Unterstützung, Herr Innenminister, die Bürgerinnen und Bürger ermuntert und aufgefordert, ihre Waffen doch freiwillig abzugeben. In einer Pressemitteilung des Innenministeriums vom 17. April 2009 heißt es dazu - Zitat -:

„Im Interesse der Sicherheit ist so ein Verhalten zu unterstützten.“

Am 3. Juli sagte der Innenminister in der NWZ - wiederum Zitat -:

„Dies wollen wir unterstützen, und die ersten Zahlen zeigen, dass unsere Maßnahme zur freiwilligen Abgabe von Waffen sehr gut angelaufen ist.“

Wie passt das mit den Waffenverkäufen des Landes Niedersachsen, an denen Sie bekanntlich weiter festhalten wollen, zusammen? Auf diesen Widerspruch von der Presse angesprochen, lassen Sie durch Ihren Pressesprecher verlauten, dass moralische Aspekte vor dem Verkauf der Pistolen überhaupt nicht diskutiert worden seien. Ein unglaublicher Vorgang und eine unbeschreibliche Ge

schmacklosigkeit vor dem Hintergrund der Amokläufe!

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schünemann, rein rechtlich ist Ihnen sicherlich nichts vorzuwerfen. Was meine Fraktion und ich Ihnen allerdings vorwerfen, ist diese unglaubliche Doppelmoral, die hier ans Tageslicht kommt. Auf der einen Seite steht Ihre tiefe Betroffenheit über die Amokläufe und Ihre allerdings gespielte Entschlossenheit, alles für die Sicherheit der Menschen in unserem Land zu unternehmen. Auf der anderen Seite haben Sie keine Skrupel, an der bisherigen Verkaufspraxis der Dienstpistolen festzuhalten.

Spätestens nach dem Amoklauf von Erfurt, aber allerspätestens nach Winnenden wäre es doch eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich vor die Öffentlichkeit hinzustellen und als zuständiger und verantwortlicher Minister zu verkünden, die Praxis sofort einzustellen. Sie hätten eine gute PR gehabt, und wir hätten keine Anträge stellen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Aber nein, Herr Minister, Sie mussten ja verlautbaren lassen, dass Sie ungeachtet der schrecklichen Vorkommnisse und auch ungeachtet der Debatte an dieser Praxis festhalten wollen. Ich finde das mehr als geschmacklos. Damit aber nicht genug: Eine unglaubliche Frechheit ist es, - - -

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Nun hör doch einmal auf! Das ist ja nicht mehr erträglich! Jeder Satz ist ge- spickt mit Beleidigungen!)

- Dass die Woche für euch ein bisschen schwer ist, kann ich auch nicht ändern. Es ist nun einmal so.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist eine unglaubliche Frechheit, dass Sie das Festhalten an dieser Praxis mit dem Haushaltsrecht rechtfertigen und der Öffentlichkeit suggerieren, Sie hätten überhaupt keine andere Wahl gehabt. Das, Herr Minister, ist nachweislich nicht richtig. Damit haben Sie der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit gesagt.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Was?)

Hier die Fakten: Nach der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung - § 63 Abs. 3 - dürfen Vermögensgegenstände veräußert werden, wenn sie

zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden.

(Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

- Es geht um „dürfen“, Herr Bode, nicht um „müssen“. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.

(Jörg Bode [FDP]: Aber wegen der Haushaltslage müssen wir alles, was wir nicht brauchen, verkaufen!)

Dort steht eben nicht, dass Sie die Waffen verkaufen müssen, sondern es liegt im Ermessen des Ministers, ob verkauft werden soll. Sie, Herr Schünemann, haben sich eindeutig für die Einnahmen und gegen die Sicherheit und damit gegen die Interessen dieses Landes ausgesprochen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Amtskollegen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Thüringen und Bremen sowie auch der Bundesinnenminister handeln da ganz anders und setzen die Sicherheit an die erste Stelle. Dort werden die ausgemusterten Dienstwaffen schlicht und ergreifend eingeschmolzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich alle Bundesländer bei ihren Haushaltsordnungen an der Bundeshaushaltsordnung orientieren und einzelne Vorschriften fast wortgleich sind. Das gilt auch für § 63, Herr Schünemann, um den es hier geht. Wenn Sie also mit dem niedersächsischen Haushaltsrecht argumentieren, täuschen Sie die Öffentlichkeit.

Meine Damen und Herren, weil Innenminister Schünemann nicht von der bisherigen Verkaufspraxis Abstand nehmen will, bedarf es dazu offenbar einer eindeutigen Aufforderung durch diesen Landtag.

(Jörg Bode [FDP]: Nein! - Hans- Christian Biallas [CDU]: Das ist gar nicht Aufgabe des Landtages!)

§ 63 Abs. 2 Satz 1 regelt: „Vermögensgegenstände dürfen nur mit Einwilligung des Landtages veräußert werden.“

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist aber nicht vorgesehen!)

Satz 3 regelt ganz praxisnah, dass die bei Verkäufen erforderliche Einwilligung allgemein als erteilt gilt, sofern nicht Vermögensgegenstände erheblichen Wert haben und - jetzt kommt es - von besonderer Bedeutung sind. Für meine Fraktion stelle ich fest, dass vor dem Hintergrund der Amokläufe und der hier im Landtag diskutierten Konse

quenzen die Waffenverkäufe des Landes von besonderer Bedeutung sind.

Mit unserem Entschließungsantrag machen wir von dem Haushaltsvorbehalt Gebrauch und wollen damit den Verkauf der Dienstwaffen zukünftig unterbinden. Wir wollen, dass die ausgemusterten Dienstwaffen wie in vielen anderen Bundesländern vernichtet werden.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere deshalb an Sie alle persönlich, mit dafür Sorge zu tragen, dass die Waffenverkäufe des Landes Niedersachsen sofort eingestellt werden. Lassen Sie uns als Parlament ein Zeichen setzen, indem wir von dem uns zugewiesenen Haushaltsvorbehalt Gebrauch machen.

Für meine Fraktion und für mich ist es auch völlig unerheblich, ob die Waffen in Deutschland oder im Ausland auf den Markt kommen. Ein Verbrechen - egal, wo auf dieser Welt - mit einer Dienstpistole aus Niedersachsen wäre eine absolute Katastrophe und mit nichts, aber auch gar nichts zu erklären.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)