Protocol of the Session on August 27, 2009

Dies vorausgeschickt, beantworte ich im Namen der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Der Landesregierung sind über die erwähnten Medienberichte hinaus keine Aufrufe der NPD oder anderer rechtsextremistischer Organisationen an ihre Mitglieder bekannt, sich um ein Schöffenamt in Niedersachsen zu bemühen.

Zu Frage 2: Die Landesregierung sieht eine nur geringe Gefahr, dass Rechtsextreme zu Schöffen ernannt werden könnten. Die Landesregierung appelliert jedoch nachdrücklich an die Städte und Gemeinden, wachsam zu sein und bei der Aufstellung ihrer Schöffenlisten Vorsicht walten zu lassen. Sie haben es in erster Linie in der Hand, die dritte Gewalt gegen extremistische Einflüsse zu schützen. Der Schutz des Staates und seiner Einrichtungen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der jeder Demokrat aufgerufen ist mitzuwirken.

Zu bereits ernannten Schöffen verweise ich auf die Vorbemerkungen, wonach insbesondere mit Blick auf die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch ehrenamtlichen Richtern eine besondere Verfassungstreue obliegt.

Zur Frage 3: Hierzu verweise ich auf die Vorbemerkungen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu der ersten Zusatzfrage erteile ich der Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein ein Appell an die Kommunen reicht aus meiner Sicht nicht aus. Ich frage die Landesregierung: Inwieweit werden die Kommunen bei der Aufstellung von Listen und ihrer Handhabung, was sie gegen die Aufstellung von Rechtsextremen machen können, von der Landesregierung beraten?

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Frau Kollegin, wir haben natürlich eine große Hochachtung vor der kommunalen Selbstverwaltung und wissen, dass dort außerordentlich viel politischer, demokratischer und rechtlicher Sachverstand vorhanden ist. Seit Jahrzehnten ist die Bennennung von Schöffen, die Wahl von Schöffen sowie ihre Weiterbenennung eine bewährte Übung, sodass ich bislang den Eindruck habe, dass das „Geschäft“ dort wohl beherrscht wird.

Gleichwohl führt auch die Anfrage von heute sicherlich zu einer Schärfung des Bewusstseins, auch was die rechtlichen Vorschriften anbelangt. Hierbei sind ja diverse Gesetze betroffen. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass die Aufmerksamkeit gerade auf der kommunalen Ebene noch einmal geschärft wird, damit man dafür sorgt, dass es erst gar nicht dazu kommt, dass Extremisten - erkannte wie unerkannte - auf die Listen der Schöffen und anderer Gerichtsbarkeiten kommen.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Nachfrage zu der Frage der Kollegin Leuschner: Welche konkreten Maßnahmen - z. B. Beratung oder Unterstützung der Kommunen im Vorfeld der Schöffenwahlen, Information über einzelne Bewerber - gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um auch einzelnen Kommunen, die zum Teil strukturell nicht sonderlich stark ausgestattet sind, zu unterstützen, damit so etwas nicht passiert?

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Herr Kollege Limburg, das war die gleiche Frage wie zuvor. Gehen Sie einmal davon aus, dass vor Ort nicht nur Deppen unterwegs sind, sondern dass man dort weiß - - -

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

- Nein. - Auch zur Beruhigung: Es gibt einen Runderlass des Innenministers gerade auch an die Kommunen mit Informationen, worauf dabei zu achten ist. Es ist doch wohl völlig klar und lohnt auch nicht eine solche Erregung. Wir wollen Extremisten am besten nicht in den Parlamenten haben, auch nicht in den kommunalen Parlamenten, und sie gehören auch nicht auf die Richterbank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Dr. Biester von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung, ob sie eine Gesetzesänderung in irgendeiner Form für zweckdienlich oder erforderlich hält, um diesem Thema hier Herr zu werden?

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Biester, man muss manchmal darüber nachdenken, ob jeder Eventualfall, jede sich irgendwann einmal stellende Schwierigkeit dadurch geregelt werden soll, dass der Gesetzgeber bis in den letzten Winkel der möglichen Eventualitäten hinein alles regelt. Das tötet manchmal auch die Aufmerksamkeit ab - nach dem Motto: Wir schauen in das Gesetz. Wenn wir müssen, dann müssen wir. Wenn wir nicht müssen, dann müssen wir nicht. Es ist ja alles geregelt.

Ich sage noch einmal und komme dann zu dem eigentlichen Punkt: Ich denke, dieser Mechanismus, dass mehrfach Zweidrittelmehrheiten überwunden werden müssten, ist sicherlich genug, dass man es in der Hand hat, um zu sagen: Bestimmte Leute wollen wir dort nicht sitzen haben. Da passen wir auf. Da ist jeder gefordert. Wir gucken, dass es erst gar nicht dazu kommt.

Herr Kollege Dr. Biester, es gibt eine eher theoretische Diskussion - auch durch Bundesländer angestoßen, die die Problematik möglicherweise einmal gehabt haben; bei uns nicht, Gott sei Dank; möge es dabei bleiben -, ob z. B. durch eine Gesetzesänderung ein Tatbestandsmerkmal geschaffen oder verfeinert werden kann, um für Leute, die als extremistisch Denkende unerkannt ins Schöffengericht gekommen sind oder während ihrer fünfjähri

gen Amtszeit ihre Gesinnung ändern und plötzlich extremistisch sind, z. B. NPD-Mitglied oder was auch immer, und man auch merkt, dass die Leute von den Verhaltensweisen und vom Denken her dort nicht hingehören, Amtsenthebungsgründe und entsprechende Verfahren geschaffen werden müssen. Das ist eher rechtstheoretisch.

Es gibt einige, die meinen, man müsse eventuell das GVG ändern und den Tatbestand des grob Amtspflichtwidrigen näher ausschärfen, um zu regeln, dass man jemanden hinausschmeißen kann, wenn man nicht versteht, warum er bestimmte Argumentationslinien verfolgt. Da bin ich aufgeschlossen, und ich verfolge die Diskussion. Eventuell ist es dann ein Thema für den Bundesrat. Es handelt sich dabei durchweg um Bundesgesetze, meine Damen und Herren - Gerichtsverfassungsgesetz, Arbeitsgerichtsgesetz, Verwaltungsgerichtsordnung, Sozialgerichtsgesetz, Finanzgerichtsgesetz, Landwirtschaftsverfahrensgesetz und andere mehr -, die dann zu ändern wären.

Deshalb mein Ausgangsplädoyer: Man muss nicht in jedem Gesetz die hinterletzte Ecke regeln, wenn man durch Aufpassen das Ziel erreichen kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt seine zweite Zusatzfrage.

Herr Präsident! Herr Minister, vor dem Hintergrund Ihrer Beantwortung meiner letzten Frage, in der Sie mir sinngemäß unterstellt haben, ich würde einzelne Kommunen als Deppen bezeichnen - das weise ich aufs Schärfste zurück -,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

betone ich, dass ich darauf angespielt habe, dass es in einigen ländlichen Kommunen und in einzelnen Samtgemeinden keinen großen Verwaltungsapparat gibt - wie ihn z. B. die Landesregierung zur Verfügung hat -, der in der Lage wäre, z. B. Informationen des Verfassungsschutzes und z. B. umfassende Medienberichterstattungen sorgfältig auszuwerten, weil einfach die Personalstärke nicht immer ausreicht. Vor diesem Hintergrund habe ich gefragt und frage ich jetzt noch einmal, welche konkreten Unterstützungs- und Beratungsmaßnahmen die Landesregierung gerade für personell nicht umfassend ausgestattete Kommunen im ländlichen Raum bereithält.

(André Wiese [CDU]: Dort kennt man doch die Leute! - Jens Nacke [CDU]: Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu den Menschen auf dem Land!)

Herr Minister Busemann!

(Unruhe)

- Ich bitte um Ruhe!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Limburg, natürlich haben Sie niemanden als Deppen dargestellt. Aber ich habe die Fragestellung, den gedanklichen Hintergrund, in einer gewissen Freiheit so interpretiert.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Fälschli- cherweise!)

- Ja, ja.

(Unruhe)

Herr Minister, ich muss noch einmal kurz unterbrechen. Sie sollten mit der Beantwortung so lange warten, bis etwas mehr Ruhe im Saal eingekehrt ist.

Schauen Sie sich doch einmal die kommunale Wirklichkeit an, welch leistungsfähige Verwaltungen wir dort haben!

(Beifall bei der CDU)

Ich bin selbst Einwohner einer Samtgemeinde und habe dort in den Gremien gesessen. Das ist ein leistungsfähiger Verwaltungsapparat, der in dieser Thematik kundig ist und diese Problematik bewältigen kann. Da sollte man nicht kommunale Verwaltungsapparate mit allen Beteiligten - kommunale Mandatsträger gehören letztendlich dazu - sozusagen ins Hinterwäldlerische abschieben.

Solche Diskussionen und Fragestellungen sind wichtig, um noch einmal auf die Gesetzeslage hinzuweisen. Es gibt einen Runderlass des Innenministers, und - um das rund zu machen - es gibt Informationsschriften des Landespräventionsrates, den ich für ein sehr wichtiges Gremium halte. Das haben Sie vielleicht mitbekommen: In diesem Zusammenhang war ich in den letzten Monaten sehr viel unterwegs und habe vor der kommunalen Ebene, Bürgermeistern und Landräten ge

sagt: Prävention ist Chefsache! - Es geht mir nicht nur um die schöne Mitteilung. An 200 Standorten im Lande haben wir das schon auf der kommunalen Ebene. Aber es gibt noch ein paar weiße Flecken. Auch Alibiveranstaltungen möchte ich dabei nicht haben, sondern Präventionsräte müssen mit Leib und Seele betrieben werden. Das ist ein Punkt, der dabei mit Sicherheit mit beachtet werden muss.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Busemann hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die kommunale Ebene vom Land beraten werden sollte. Das wird vom Innenministerium organisiert. Sie wissen, dass die Verfassungsschutzabteilung erst vor Kurzem eine Informationsstelle gegen Extremismus - NEIS - eingerichtet hat. Wir haben schon vor einiger Zeit regional überall Informationsveranstaltungen für die Kommunen durchgeführt und gesagt: Wenn es im Zusammenhang mit Rechtsextremismus Beratungsbedarf gibt, kann sich eine Kommune an die NEIS-Stelle wenden und bekommt dort im Detail Auskunft, wie sie zu reagieren hat. Diese Beratung ist nicht auf irgendeinen bestimmten Tatbestand beschränkt.