Herr Kollege Klein, das muss ein Missverständnis sein. Ich habe nicht den Abschlussbericht für das Jahr 2009 gegeben, sondern ich habe auf den Juli 2009 hingewiesen und die Zahlen mit dem Vorjahresmonat verglichen. Im Juli 2008 waren es 52,3 % Vorjahresbewerber und im Juli 2009 46,9 %. In diesem Jahr hat also ein größerer Anteil, nämlich 53,1 %, direkt nach der Schulausbildung einen Ausbildungsvertrag bekommen.
Die Gesamtentwicklung der Jugendarbeitslosigkeit ist positiv. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als wäre sie in Niedersachsen schlechter als in anderen Bundesländern; denn das Gegenteil ist
der Fall. Zwar ist, wie Sie wissen, die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 12 % gestiegen. Bundesweit ist sie jedoch um 18,3 %, also deutlich stärker als in Niedersachsen, gestiegen. In den westdeutschen Flächenländern betrug der Anstieg sogar 26,1 %. Es gibt einzelne Bundesländer, die besonders negativ in Erscheinung treten: Das ist einmal Baden-Württemberg mit einer Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit von 64,4 %, zum anderen Bayern mit einer Zunahme von 50,9 %. Man sollte an dieser Stelle daher nicht den Eindruck erwecken, als wäre das ein Problem, das ausschließlich Niedersachsen betrifft. Im Gegenteil, bei der Jugendarbeitslosigkeit steht Niedersachsen in diesem Jahr sehr gut da.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der bemerkenswerten Aussage des Wirtschaftsministers, dass wir bei der Jugendarbeitslosigkeit sehr, sehr gut dastehen, obwohl im Juli über 41 000 der unter 25-Jährigen in Niedersachsen arbeitslos waren, frage ich die Landesregierung, was sie konkret unternimmt, um diesen Jugendlichen zu helfen, und ob sie in diesem Zusammenhang z. B. die Forderung der Jungen Union aufgreift, jüngere Menschen nicht länger zu diskriminieren und bei der Berechnung von Kündigungsfristen auch Beschäftigungszeiten, die vor dem 25. Lebensjahr absolviert worden sind, zu berücksichtigen? Ich verweise auf die Pressemitteilung der Jungen Union vom 2. August 2009. Wird die Landesregierung diese Forderung aufgreifen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Forderungen der Jungen Union finde ich immer spannend und lese ich mir intensiv durch. Ich kann jedoch nicht alle Forderungen der politischen Jugendorganisationen sofort umsetzen. Wir
sind uns einig in der Bewertung, dass wir bei den jungen Menschen besondere Maßstäbe anlegen müssen. Gleichwohl können wir an dieser Stelle - das ist sowieso nicht allein ein Landesthema - nicht die Maßnahmen durchführen, die die Junge Union an der Stelle vorschlägt.
Da Sie es angesprochen haben, will ich zum Thema Ausbildungsplatzsuchende und Ausbildungsplatzlücke Folgendes ergänzen: Erstens habe ich nicht gesagt, dass wir sehr, sehr gut dastehen. An der Stelle war mindestens ein „sehr“ zu viel. Zweitens befinden wir uns jetzt in der Mitte des Jahres. Darauf hat Ihr Kollege Herr Klein zu Recht hingewiesen. Deswegen geht es zum jetzigen Zeitpunkt um die Ausbildungslücke. Ich will Ihnen die Zahlen an dieser Stelle vortragen: Die Zahl der gemeldeten Bewerber ist von 60 266 auf 52 725 zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der gemeldeten Stellen mit 42 439 fast stabil geblieben. Wenn die Zahl der gemeldeten Bewerber zurückgegangen ist und die Zahl der Stellen stabil geblieben ist, dann ist klar, dass die Zahl der unbesetzten Stellen größer geworden ist. Es gab im Juli 2008 eine rechnerische Lücke von 7 700 jungen Menschen, die einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz gesucht haben. Die Zahl beträgt jetzt 6 222. In den vorhergehenden Jahren ist es immer gelungen, diese Lücke bis zum Ende des Jahres zu schließen. Das ist das Ziel der Landesregierung für das Jahr 2009.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Landesregierung deutlich gemacht hat, dass im Wesentlichen der demografische Effekt als Begründung für die Entlastung herhalten muss, frage ich sie, wie sie eigentlich mit der Altbewerberproblematik umgehen will. Die Zahl der Altbewerber ist nach wie vor hoch. Zwar steigt auch die Zahl der vermittelten Bewerber, aber die Zahl wird nicht wesentlich abgebaut. Darüber hinaus gibt es eine Zunahme bei den Zahlen in den sogenannten Warteschleifen. Was will die Landesregierung konkret tun, um die hohen Zahlen in den Warteschleifen abzubauen und mehr Altbewerber kurzfristig in Ausbildung zu bringen?
Zunächst sage ich noch einmal: Ich stelle Ihnen die Zahlen selbstverständlich gern zur Verfügung. Das sind die offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Im Jahre 2008 sind 47,7 %, also unter 50 %, der Schulabgänger direkt in eine Ausbildung gegangen. Im Juli 2009 waren es 53,1 %, also deutlich mehr. Es bleibt das Ziel der Landesregierung, allen Jugendlichen eine Chance zu geben, unabhängig davon, ob sie aus dem ersten oder aus dem zweiten Jahr kommen. Diese Entwicklung ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass wir Nutznießer der demografischen Entwicklung sind. Denn die absoluten Zahlen - das war gestern auch Thema in der Aktuellen Stunde -, beispielsweise im Handwerk, sind gestiegen, nämlich - das haben wir diskutiert - um 10,7 %. Das heißt, die tatsächliche Zahl ist gestiegen. Grund für die Entwicklung am Ausbildungsmarkt ist also nicht nur die demografische Entwicklung.
Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 12 a liegen mir nicht mehr vor. - Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 12 b auf:
Bevor ich dem Kollegen Dr. Biester das Wort erteile, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. - Herr Dr. Biester, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bericht des ARD-Magazins „Fakt“ sowie mehreren Presseberichten zufolge hat die Parteiführung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands ihre Mitglieder aufgerufen, als Schöffen zu kandidieren, um so „das gesunde Volksempfinden in die Urteilsfindung einfließen“ zu lassen. Auch ließe sich so „ein höheres Strafmaß etwa gegen kriminelle Ausländer und linksradikale Gewalttäter“ durchsetzen.
Strategie auch schon in mehreren Städten erfolgreich. Im Amtsgericht Riesa sei so beispielsweise eine NPD-Kreistagskandidatin als Schöffin tätig, deren Mann für das NPD-Organ Deutsche Stimme arbeite.
„Im speziellen Fall der NPD ist öffentlich bekannt, dass sie demokratiefeindlich ist, dass sie Positionen vertritt, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Allein dieses Wissen hätte ausreichen müssen, um NPDBewerber abzulehnen.“
1. Hat die NPD oder eine andere rechtsextremistische Organisationen nach Kenntnis der Landesregierung ihre Mitglieder auch in Niedersachsen zur Aufnahme eines Schöffenamtes aufgerufen?
2. Wie bewertet die Landesregierung diese Vorgänge, insbesondere in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Mai 2008 zur Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter?
3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, ehrenamtliche Richter mit rechtsextremistischem Gedankengut vom Schöffenamt auszuschließen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen extremistische Bestrebungen ist eine Daueraufgabe für Gesellschaft und Politik. Es gilt, die Errungenschaften der Demokratie mit all ihren Werten, vor allem aber die Freiheit gegen Anfeindungen von Eiferern von links wie rechts zu verteidigen. Dabei ist es eine besondere Herausforderung, die Organe der Rechtsprechung zu schützen und von rechtsextremistischen Einflüssen frei zu halten. Richter, die als nicht weisungsunterworfene sachlich wie persönlich unabhängige Amtswalter regelmäßig in öffentlicher Sitzung sichtbar Staatsgewalt ausüben und Urteile im Namen des Volkes fällen, müssen auf dem Boden der Verfassung stehen.
Bei der Ernennung der Berufsrichter ist das u. a. durch § 9 Nr. 2 des Deutschen Richtergesetzes gesichert, wonach in das Richterverhältnis nur berufen werden darf, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.
Nun bestehen unsere Spruchkörper jedoch nicht nur aus Berufsrichtern. Vielmehr sehen unsere Gerichtsordnungen sowohl bei den Zivil- wie auch Strafgerichten als auch bei den Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichten den Einsatz sogenannter ehrenamtlicher oder Laienrichter vor. Die Laienrichter haben das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter und damit erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Dies gilt auch für die mit Strafsachen befassten Schöffen bei den Amts- und Landgerichten.
Daher ist es für das Funktionieren unseres Rechtsstaates von enormer Bedeutung, nur verfassungstreue Bürgerinnen und Bürger für das Amt des Schöffen zu gewinnen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2008 zu Recht festgestellt, dass auch ehrenamtliche Richter der Pflicht zur besonderen Verfassungstreue unterliegen. Die Landesregierung hat Medienberichte, wonach die NPD ihre Anhänger bundesweit zur Kandidatur für das Schöffenamt aufgerufen hat, zur Kenntnis genommen. Die Vorstellung, die NPD oder andere rechtsextremistische Vereinigungen könnten die Justiz unterwandern, erscheint aber vor dem Hintergrund des besonderen Verfahrens zur Wahl der Schöffen nur sehr gering.
Zunächst müssen sich potenzielle Kandidaten bei der jeweiligen Wohnortgemeinde als Schöffen bewerben. Sie müssen dazu ein Bewerbungsformular mit persönlichen Angaben und der Versicherung, nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtstaatlichkeit verstoßen zu haben, ausfüllen.
Herr Minister, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Ich bitte darum, die Gespräche auf der rechten Seite des Hauses etwas zu reduzieren, damit auch der Minister entsprechende Aufmerksamkeit erfährt. - Bitte!
Sodann müssen die Kandidaten von der Stadt bzw. von der Gemeinde als Schöffen vorgeschlagen werden. § 36 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht insoweit vor, dass die von der Gemeinde bzw. der Stadt zu erstellende Vorschlagsliste für Schöffen alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen zu berücksichtigen hat. Kandidaten kommen dabei nur dann auf die Vorschlagsliste, wenn sie vom Kommunalparlament auf die Vorschlagsliste zur Schöffenwahl gewählt werden. Nach § 36 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist dafür eine Zweidrittelmehrheit im Rat der Kommune erforderlich.
Hier hat es der Rat jeder Stadt und jeder Gemeinde in der Hand, dafür zu sorgen, dass Extremisten nicht auf die Vorschlagsliste kommen. An dieser Stelle ist eine hohe Wachsamkeit von allen Beteiligten vor Ort gefordert. Die Vorschlagsliste wird im Übrigen nach Beschlussfassung eine Woche lang für die Öffentlichkeit zur Einsicht ausgelegt. Danach werden die kommunalen Vorschlagslisten dem örtlichen Amtsgericht zugeleitet. Dort müssen die Vorgeschlagenen vom Schöffenwahlausschuss gewählt werden. Dieser besteht aus einem Richter, einem Verwaltungsbeamten der Kommune sowie sieben Vertrauenspersonen, die wiederum zuvor vom Rat der Kommune ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit gewählt wurden.
Der Schöffenwahlausschuss wählt die Schöffen dann nach § 42 des Gerichtsverfassungsgesetzes wiederum mit einer Zweidrittelmehrheit. Auch bei dieser Wahl soll nach den Regeln des Gerichtsverfassungsgesetzes darauf geachtet werden, dass alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden.
Dieses gestaffelte und mit qualifizierten Mehrheiten versehene Wahlsystem für Schöffen ist somit darauf angelegt, dass nur besonders geeignete Bürgerinnen und Bürger an der Rechtsprechung teilnehmen und ungeeignete Personen herausgefiltert werden. Kandidaten mit einem bekannten extremistischen Hintergrund haben keine realen Chancen. Das System funktioniert in Niedersachsen einwandfrei. Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Extremist in Niedersachsen in das Schöffenamt gewählt worden wäre.
Aber natürlich stellt sich die Frage: Was passiert, wenn doch einmal eine Person mit extremistischem Hintergrund unerkannt zum Schöffen gewählt worden ist? - Mit dieser Frage hat sich das Bundesverfassungsgericht in der angesprochenen Entscheidung befasst. Die Entscheidung betrifft den Fall eines ehrenamtlichen Richters der Arbeitsgerichtsbarkeit. So gibt es nach § 27 des Arbeitsgerichtsgesetzes die Möglichkeit, einen Laienrichter wegen grober Amtspflichtverletzung seines Amtes zu entheben. Derartige Regelungen finden sich auch in anderen Prozessordnungen, etwa im Sozialgerichtsgesetz - dort § 22 Abs. 1 Satz 2 -, in der Verwaltungsgerichtsordnung - dort § 24 Abs. 1 Nr. 2 -, in § 113 Abs. 1 Nr. 2 GVG für ehrenamtliche Richter in Handelssachen und in § 7 Abs. 1 des Landwirtschaftsverfahrensgesetzes für Landwirtschaftssachen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang klargemacht, dass auch außerdienstliches Verhalten eines ehrenamtlichen Richters zu einer Amtsenthebung führen kann. Im betreffenden Fall war der ehrenamtliche Arbeitsrichter Mitglied einer Rockband, die rechtsextremistische Lieder veröffentlichte.
Auch für Schöffen gibt es die Möglichkeit der Abberufung. So erlaubt § 44 b in Verbindung mit § 44 a des Deutschen Richtergesetzes die Abberufung eines Schöffen, dem ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit vorzuwerfen ist. Darüber hinaus ist nach § 52 in Verbindung mit § 32 des Gerichtsverfassungsgesetzes ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen, wenn er oder sie zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem halben Jahr verurteilt worden ist oder wenn ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, in dem eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist.
Diese Möglichkeiten der Abberufung eines Schöffen greifen jedoch nicht, soweit ein Schöffe nur Mitglied der NPD oder einer anderen Partei ist. Das Parteienprivileg aus Artikel 21 des Grundgesetzes verhindert, dass allein die Mitgliedschaft in der NPD zum Anknüpfungspunkt für eine Amtsenthebung gemacht wird. Wenn aber der Fall - wie in der Anfrage genannt - eintritt, dass ein Schöffe ein höheres Strafmaß gegen bestimmte Personengruppen durchsetzen will und dies auch in Handlungen nach außen zeigt - sei es auch nur außerdienstlich -, dann widerspräche dies dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes und ließe sich mit dem Amtseid der ehrenamtlichen Richter nicht vereinbaren. Es widerspräche unse