Protocol of the Session on June 17, 2009

Ich finde es außerordentlich ärgerlich, liebe Frau Andretta, dass offensichtlich noch nicht einmal eine große Volkspartei in der Lage ist, sich an einem solchen Punkt klar von dem zu distanzieren, was von der linken Seite des Hauses seit Wochen durch Polemik und das Verbreiten von Unwahrhei

ten versucht wird, nämlich die Leute gegen uns aufzustacheln.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Natürlich fließen die 18 Milliarden Euro in großen Teilen künftig in die Forschung. Auch das ist unstreitig. Aber daraus als Resultat abzuleiten, die Betreuungsrelationen, die Studienbedingungen usw. seien an niedersächsischen Hochschulen verheerend schlecht, ist völlig falsch. Wir haben die Studienbeiträge u. a. auch eingeführt - es gibt ja auch ordnungspolitische, systematische Steuerungsgründe -, um zu einer signifikanten Verbesserung der Studienbedingungen beizutragen. Ich erkläre hier, dass diese signifikante Verbesserung - insbesondere im Vergleich zur Situation in studienbeitragsfreien Ländern - eingetreten ist.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Darauf sind wir sehr stolz. Denn wir sind einen Weg gegangen, der natürlich nicht unkritisch gesehen wird, für den man kritisiert wird. Das ist schwierig und macht oft keine Freude. Dennoch muss man solche Wege gehen, wenn man Dinge verändern und verbessern will. Nur herumzumeckern, ohne selbst konstruktive Vorschläge zu machen - das hilft uns nicht weiter.

Wir haben in den letzten Jahren zusätzliche staatliche Mittel in das niedersächsische Hochschulsystem gepumpt. Wir haben die CNWs verbessert, wir haben Maßnahmen ergriffen, die im Wesentlichen dazu beitragen, die Studienbedingungen und vor allem auch die Betreuungsrelationen zu verbessern.

Damit bin ich bei dem Thema Stellen. Wir haben ja nicht ohne Grund im Hochschulgesetz festgeschrieben, dass die Einnahmen aus Studienbeiträgen, die beispielsweise für Stellen ausgegeben werden, nicht kapazitätswirksam sein sollen, damit genau die Folge nicht eintritt, die Sie beschrieben haben.

Fazit - ich könnte dazu stundenlang reden -:

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ohne was zu sagen!)

Zu behaupten, die Situation habe sich nicht verbessert, ist schlicht und einfach falsch. Sie hat sich signifikant verbessert; denn die Koalitionsfraktionen haben durch mutige Entscheidungen mit dazu beigetragen, dass Dinge getan werden können, die

zwar nicht immer auf Applaus stoßen, die aber im Sinne der Studierenden sind. Denn gute Ausbildungsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Menschen später in Arbeit und Brot kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Mär- chenstunde!)

Danke schön, Herr Minister. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Perli für zwei Minuten das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Der ist ja immer noch da!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Stratmann, ich hatte bislang immer den Eindruck, dass es bei regierenden Politikern vor allem am Langzeitgedächtnis mangelt. Jetzt gewinne ich den Eindruck, dass Ihnen auch das Kurzzeitgedächtnis einige Probleme bereitet. Ich erinnere an meine Rede von gestern, in der ich zur Finanzproblematik ausführlich Stellung genommen habe. Wenn der Staat pro 1 Million Schülerinnen und Schüler und pro einer Million Studierende denselben Anteil am Bruttoinlandsprodukt wie 1975 für Bildung ausgäbe, hätten bundesweit allein im Jahr 2004 gut 56 Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestanden,

(Beifall bei der LINKEN)

davon knapp 20 Milliarden Euro mehr für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen und über 36 Milliarden Euro mehr für Hochschulen. Diese Zahlen gelten Jahr für Jahr. Wir bräuchten überhaupt keinen Hochschulpakt II, der doch nur daraus resultiert, dass dieser Bereich seit Jahren unterfinanziert ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Obwohl Sie jahrzehntelang die Hochschulen und die Schulen kaputt gespart haben, schmücken Sie sich damit, dass Sie jetzt ein kleines Milliardensümmchen geben, das in gar keiner Relation zu dem steht, was die Banken bekommen, und dann sagen, Sie täten so viel für die Bildung. Sie tun überhaupt nichts für die Bildung; das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen von Jens Nacke [CDU] - Björn Thümler [CDU]: Sie haben doch überhaupt keine Ahnung! Das ist doch peinlich! Das ist furchtbar! - David McAllister [CDU]: Zum wievielten Male reden Sie eigentlich? - Björn Thümler [CDU]: Er hört sich gerne reden!)

Nun darf ich mit einer gewissen Freude mitteilen, dass auch in Göttingen, wie ich jetzt erfahren habe, rund 8 000 junge Menschen auf den Straßen sind. Herr McAllister hat mich gefragt, wie viele Menschen in Berlin demonstrieren. Die Rechnung ist ja ganz einfach: Wenn in Braunschweig 8 000 demonstrieren - Braunschweig hat weniger als 10 % der Einwohner von Berlin -, dann müssten in Berlin annähernd 100 000 Studierende auf die Straße gehen, wenn die Unzufriedenheit dort genauso groß wie in Braunschweig oder in Niedersachsen allgemein ist. Daran können Sie sehen, dass in Niedersachsen auch diesmal die größten und meisten Demonstrationen stattfinden. Dies hat, wie ich finde, seine Berechtigung. Diese Landesregierung ist auf dem Weg nach unten.

Auf Wiedersehen!

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Sie sind ein Komiker! - Zuruf von der CDU: „Auf Wiederse- hen“ ist gut!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Beschlüsse zur Sache - das wissen Sie alle - werden in einer Besprechung nach § 45 Abs. 5 Satz 3 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst.

Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 und 17 vereinbarungsgemäß zusammen auf.

(Heiner Bartling [SPD]: 15, Frau Prä- sidentin!)

- Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass wir erst zu Tagesordnungspunkt 15 kommen müssen. Es klappt hier mit der Kontrolle ganz fantastisch.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Zweite Beratung: Einsetzung einer Enquetekommission ‚Zukunftsfähiges Niedersachsen - leistungsfähige Kommunen, bürgernahe Verwaltung’ - Antrag

der Fraktion der SPD - Drs. 16/990 - Beschlussempfehlung des Ältestenrates - Drs. 16/1233

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung.

Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion Frau Kollegin Modder. Bitte schön!

(Präsident Hermann Dinkla übernimmt den Vorsitz)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Präsident!

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir von den beiden Regierungsfraktionen ein bisschen mehr Mut für die Einsetzung einer Enquetekommission gewünscht.

(Beifall bei der SPD)

Aber vielleicht sind die Probleme, die Sie im Bildungsbereich, im Umweltbereich - verschärft durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - und nicht zuletzt im Bereich der Finanzen haben, so groß, dass Sie nicht mehr die Kraft und die Ausdauer für eine solche Enquetekommission aufbringen können. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Der Lack ist ab, und die Luft ist raus!

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Bei wem?)

Ich habe die Reden aus dem März-Plenum bei der Einbringung unseres Antrages noch einmal nachgelesen. Dabei ist festzustellen, dass wir uns eigentlich einig sind und überhaupt nicht mehr darüber streiten müssen, dass wir im Bereich der Verwaltungsstrukturen Handlungsbedarf haben.

Herr Minister Schünemann, Sie haben es in der letzten Woche auf der Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindebundes in Gifhorn ganz deutlich zum Ausdruck gebracht: Unsere Kommunen stehen aufgrund der demografischen Entwicklung, aufgrund immer neuer und komplexerer Aufgaben und nicht zuletzt aufgrund der völlig unzureichenden Finanzausstattung vor großen Herausforderungen.

Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf ist nicht wegzudiskutieren. Worüber wir uns politisch

streiten, ist der Weg, wie man zu Lösungen kommt, oder besser gesagt, wie wir es schaffen, unsere Landkreise, Städte und Gemeinden so zukunftsfähig und zukunftsfest zu machen, dass wir auch in den nächsten 50 Jahren auf unsere kommunale Selbstverwaltung stolz sein können.

Unser Vorschlag zur Einsetzung einer Enquetekommission liegt auf dem Tisch. Wir haben die Handlungs- und Aufgabenfelder benannt und einen weitreichenden Fragenkatalog formuliert: Wir wollen eine offene, breit angelegte Diskussion über die zukünftigen Strukturen in unserem Land, wir wollen eine ehrliche Aufgabenkritik und eine Diskussion darüber, wer in Zukunft welche Aufgaben übernehmen soll und kann, und wir wollen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung vor allem eine offene Diskussion über die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich betone nochmals ausdrücklich, dass es meiner Fraktion um eine breit angelegte, offene und ehrliche Diskussion um die zukunftsfähigen Strukturen unserer Kommunen geht und eben nicht, wie von Ihnen so gerne unterstellt wird, um eine von oben diktierte Gebietsreform, die nichts anderes als das Zeichnen neuer Gebietszuschnitte vorsieht. Unser Ansatz ist viel tiefer gehend und umfangreicher. Vielleicht nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis.