Protocol of the Session on June 17, 2009

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat das Wort Frau Kollegin Pieper. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwangsheirat ist ein internationales Problem, bei dem wir auf keinen Fall wegschauen dürfen. Zwangsehen sind Menschenrechtsverletzungen, die unsere Gesellschaft nicht tolerieren darf. Wir müssen also alles daransetzen, dass so etwas bei uns nicht stattfindet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um Zwangsheirat länderübergreifend bekämpfen zu können, ist es natürlich notwendig, den Opfern zielgerecht zu helfen. Es wurden Initiativen hier im Landtag gestartet, die auf die Diskussion im Plenum, aber auch auf das Sozialministerium unter Führung unserer Ministerin Mechthild Ross-Luttmann zurückgingen. 2007 ist ein Handlungskonzept vorgelegt worden, das sich genau dieser Problematik widmet und gezielt Abhilfe schafft. Gemeinsam mit Vertretern aus kommunalen Spitzenverbänden, der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter, mit Leitern aller niedersächsischen Ausländerbehörden, Vertreterinnen und Vertretern der Polizei, Familienrichtern, Schulen, kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, Migrantenvereinen und -organisationen sowie Lehrkräften für herkunftssprachlichen Unterricht wurde dieses Handlungskonzept in 14 Sitzungen installiert. Es greift auch.

Seit dem Jahre 2007 sind Maßnahmen installiert worden, die jungen Frauen und Männern in Krisensituationen schnell Hilfen gewähren: das Krisentelefon, der pauschalierte Unterbringungsplatz in der Einrichtung „Papatya“ in Berlin und seit 2008 auch die Plätze in der niedersächsischen Einrich

tung der freien Wohlfahrtspflege „ADA“. Das heißt, diese Plätze werden nach dem SGB VIII in der Regel gefördert.

Es sind Handlungsempfehlungen zum Thema Zwangsheirat verfasst worden, die in Form eines Flyers in Jugendämtern, Familiengerichten usw. ausliegen und den Menschen schnelle Hilfen nahebringen. Es sind auch unterschiedliche Netzwerke installiert worden.

Aber worum geht es jetzt in diesen Entschließungsentwürfen? - Frau Groskurt, Frau Twesten und auch Herr Humke-Focks, Sie haben es schon gesagt: Der Landesfrauenrat, die Landesarbeitsgemeinschaft und auch die Einrichtung „ADA“ baten uns frauenpolitische Sprecherinnen in der Sitzung am 20. Januar 2009 um Unterstützung dafür, dass generell - ich betone: generell - zwei Plätze in der Einrichtung pauschal gefördert werden, weil sie die Befürchtung haben, diese Einrichtung könnte sonst nicht weiterbestehen.

Durch die Landesregierung sind wir in einer Ausschusssitzung im März 2009 darüber unterrichtet worden, dass die Förderung für „Papatya“ zum 31. Dezember 2009 ausläuft. Dies hat natürlich uns alle vor die Frage gestellt: Was passiert danach mit den betroffenen Menschen? - Es war für uns alle - parteiübergreifend - selbstverständlich, dass wir alles dafür tun müssen, dass weiterhin ein Platz zur Verfügung gestellt wird, egal ob in einer Berliner oder auch in einer niedersächsischen Einrichtung - wobei wir natürlich die niedersächsische Einrichtung immer bevorzugen würden. Aber das ist Sache der Verhandlungen, und zwar nicht der Verhandlungen der Einrichtungen untereinander, sondern des Ministeriums mit den Einrichtungen.

Fragen muss man sich jedoch auch: Was und wie viel wird benötigt? - Aus den vorliegenden Zahlen, die uns dargestellt worden sind, lässt sich schließen, dass auf jeden Fall ein pauschalierter Platz gefördert werden muss. Das ist dringend notwendig. Dementsprechend sind seitens des Ministeriums die Verhandlungen zu führen, um diesen Platz für die betroffenen Menschen zu gewährleisten. Die zusätzlichen Plätze in der Einrichtung „ADA“ werden aber nach dem SGB VIII gefördert. Es bedarf hier eines dringenden Appells, dass diesen Menschen unbürokratisch und schnell geholfen werden kann.

Liebe Frau Twesten, in ihrem Änderungsantrag vermischen die Grünen leider einige Faktoren, die mit diesem Antrag nichts zu tun haben, obwohl sie in einem tatsächlichen Zusammenhang stehen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Es wäre besser, dies differenzierter zu trennen.

Wir jedenfalls wollen - das können wir zusammenfassend sagen -, dass alles dafür getan wird, dass niemand gefährdet wird. Das wird durch diese Landesregierung seit 2007 konsequent verfolgt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Sozialministerin mit ihrer jetzigen Position auch die Verhandlungen mit den Einrichtungen führen wird.

Wir alle sollten über unseren Schatten springen. Tun Sie, was die betroffenen Menschen von uns erwarten! Geben Sie ihnen weiterhin Sicherheit! Lassen Sie sie nicht alleine stehen! Auch wir werden das tun. Stimmen Sie unserer Beschlussempfehlung zu! Dann hat auch die Einrichtung „ADA“ eine Perspektive.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Eine Kurzintervention auf die Rede von Frau Kollegin Pieper kommt von Frau Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön! Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Frau Pieper, ich habe vorausgesehen, dass Sie sich hier in Widersprüchlichkeiten verstricken werden. Das haben Sie auch getan.

(Reinhold Coenen [CDU]: Wo hat sie sich denn verstrickt? Sagen Sie ein- mal etwas Konkretes!)

Ich möchte noch einmal ganz konkret auf Ihre Beschlussempfehlung zurückkommen. Die Widersprüchlichkeiten begannen ja schon in den Ausschussberatungen. Bitte werden Sie doch jetzt einmal konkret! Wo wollen Sie diesen Platz, der dem Änderungsantrag zufolge in Niedersachsen sein soll und der Ihnen angeblich so wichtig ist, denn einrichten? Sie haben es selber in Ihrer Beschlussempfehlung formuliert. Bitte werden Sie

jetzt konkret und sagen Sie uns ganz eindeutig, wem Sie die Förderung jetzt zusprechen wollen!

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Frau Pieper möchte antworten. Auch sie hat anderthalb Minuten.

Frau Twesten, Sie wissen doch ganz genau, dass die Einrichtung „Papatya“ noch bis zum 31. Dezember 2009 einen Vertrag hat. Eine Folgeeinrichtung soll natürlich gesucht werden. Es ist doch Obliegenheit des Sozialministeriums, die beste Einrichtung zu finden. Wenn wir mit „ADA“ eine gute vertragliche Grundlage hinkriegen, dann werden wir selbstverständlich „ADA“ bevorzugen. Aber wir können dem doch nicht vorgreifen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen doch gucken, dass wir die Plätze vorhalten, die wirklich benötigt werden.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

„ADA“ hat ja durch die Förderung nach dem SGB VIII durchaus jederzeit die Möglichkeit, Menschen aufzunehmen. Das ist doch unstreitig. Das ist doch nichts anderes. Man kann doch nicht alles erst einmal pauschal fördern und dann nachher nicht belegen.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Meißner. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Uwe Schwarz [SPD]: Ihre letzte Re- de! Nein, ihre vorletzte Rede!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es soll jetzt nicht darum gehen, welche Rede das ist. Es geht jetzt um Zwangsheirat. Zwangsheirat ist eine schlimme Sache. Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung. Das haben schon viele gesagt. Die frauenpolitischen Sprecherinnen und auch alle Mitglieder des Sozialausschusses haben sich bisher immer darauf verständigt, dass wir alles unternehmen müssen, um Menschen davor zu

bewahren und Frauen - es sind ja in der Regel Frauen - davor zu schützen.

Die Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind, fürchten um ihr Leben. Oft genug mussten Frauen mit dem Leben bezahlen, wenn sie sich gegen Zwangsheirat aufgelehnt haben. Das kann uns natürlich in keiner Weise kaltlassen.

Frau Groskurt, als ich sagte, es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, welche Partei zuerst eine Verlängerung und eine dauerhafte Sicherung beantragt, meinte ich das so, und ich meine es heute noch genauso. Es ist tatsächlich - darüber sind wir uns einig; darüber waren wir uns auch im Ausschuss einig - ganz entscheidend, dass wir sehen, wie wir den jungen Frauen und Mädchen - es sind ja häufig wirklich fast noch Mädchen -, die hier in Niedersachsen von Zwangsheirat bedroht sind, die Möglichkeit geben können, Schutz zu bekommen.

Schutz bekommen kann man zum einen seit 2007 bei „Papatya“. Das ist richtig. Der Vertrag läuft jetzt zum Jahresende aus; das ist schon verschiedentlich benannt worden. Schutz bekommen kann man zum anderen seit 2008 bei „ADA“. Beides ist möglich. Schutz haben einige Frauen und Mädchen außerdem schon in Frauenschutzhäusern gesucht und gefunden. Das ist noch nicht angesprochen worden; aber auch das ist der Fall.

Man muss sich vorstellen: Wenn so ein Mädchen, eine junge Frau, von Zwangsheirat bedroht ist, dann versucht sie natürlich, Schutz vor ihrer Familie zu finden. Es ist ja das Schlimme, dass sie nicht bei der Familie Schutz finden kann, sondern Schutz vor der Familie suchen muss. Deswegen ist es ganz entscheidend, da wirklich schnell intervenieren zu können.

Das Krisentelefon ist auch in der Muttersprache der Frauen erreichbar. Das ist schon einmal eine ganz wichtige Sache.

Nun haben Sie gesagt, dass Sie wollen, dass dauerhaft ein Schutz in Niedersachsen gesichert wird. - Das wollen wir alle.

Es wurde gesagt, in unserer Beschlussempfehlung sei der Antrag verwässert worden. - Das ist überhaupt nicht der Fall. Wir haben nicht konkret „Papatya“ oder „ADA“ gesagt; das steht nicht in der Beschlussempfehlung. Aber ich lese vor, was in unserer Beschlussempfehlung steht:

„Der Landtag bittet … die Landesregierung, auch über den 31. Dezember 2009 hinaus die Voraussetzungen da

für zu erhalten, dass als Kriseninterventionsmaßnahme eine schnelle und unbürokratische Unterbringung von Mädchen und jungen Frauen in Niedersachsen, die von Zwangsheirat und psychischer und/oder physischer Gewalt akut betroffen sind, auch dann für einen begrenzten Zeitraum gewährleistet ist, wenn noch keine Finanzierungszusage eines Leistungsträgers vorliegt.“

Ich glaube, weiter kann man das gar nicht fassen.

Es ist nicht konkret beschrieben worden, wo diese Plätze sind. Ich habe bewusst darauf hingewiesen: Sie waren bis jetzt bei „Papatya“, bei „ADA“ und teilweise auch in Frauenschutzhäusern. Schutz wollen wir natürlich auch für die Zukunft sicherstellen. Im Moment ist bloß noch nicht ganz klar, wo das sein wird. Logischerweise ist „ADA“ bevorzugt in der Diskussion, weil diese Einrichtung in Niedersachsen ist. Es könnte aber für betroffene Frauen im Einzelfall fast besser sein, bei „Papatya“ zu sein, weil sie dann noch weiter von der Familie weg sind - obwohl man nach Berlin erst einmal hinkommen muss.

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

Wir sollten vor allen Dingen überlegen, wie wir diesen Frauen helfen können. Das tun wir auch. Ich bin absolut sicher - genau wie Frau Pieper schon gesagt hat -, dass wir die richtige Lösung finden werden. Ich bin auch absolut sicher, dass im nächsten Haushalt dafür entsprechende Positionen vorgesehen sein werden; denn wir alle sind uns darüber im Klaren, dass wir diesen Frauen helfen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)