Protocol of the Session on June 17, 2009

„Staat und Gesellschaft tragen für altersgerechte Lebensbedingungen Sorge.“

ist schon eine gute Formulierung. Ähnlich wie Frau Staudte habe auch ich bei dieser Formulierung sofort an das Niedersächsische Spielplatzgesetz

gedacht, das man in Ansehung dieser Bestimmung nicht hätte aufheben dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung in einer Verfassung ist keine Selbstverständlichkeit. Es steht natürlich schon im BGB; aber so etwas in den Verfassungsrang zu erheben, ist keineswegs normal und war auch nicht immer so. Anlässlich des 60. Jahrestages des Grundgesetzes erinnere ich an die Debatten, die der Parlamentarische Rat zu diesem Thema hatte; Sie werden das wahrscheinlich nicht wissen. Damals bestand die Auffassung, dass die körperliche Bestrafung von Kindern zum Gewohnheitsrecht der Eltern gehöre. Deswegen wurde diese Frage im Parlamentarischen Rat überhaupt nicht besprochen. Aber es gab eine Debatte über die Prügelstrafe in Schulen. Damals gab es einen Antrag des Abgeordneten Heinz Renner von der KPD, die Prügelstrafe abzuschaffen. Dieser Antrag fand übrigens die Zustimmung des niedersächsischen Abgeordneten Dr. Seebohm und wurde nur mit zehn zu acht Stimmen im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates abgelehnt. Der spätere Bundespräsident Dr. Heuss sagte damals dazu:

„Ich bin an sich gegen das Prügeln, halte es aber für eine Läppischkeit, das hier in die Verfassung hineinzunehmen.“

Heute sind wir alle der Auffassung, dass die Frage der Gewaltfreiheit gegenüber Kindern keine „Läppischkeit“ ist, und nehmen dies in die Verfassung auf. Dies halte ich für einen historischen Fortschritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Der GBD hat uns darauf hingewiesen, dass es die Kinderrechtskonvention gibt, die zwar von der Bundesrepublik akzeptiert worden ist, aber mit dem Vorbehalt, dass sie nicht unmittelbar gilt, dass es also keine unmittelbare innerstaatliche Anwendung gibt. Wir sollten noch einmal gemeinsam darüber nachdenken, wie wir Wege finden, diese Kinderrechtskonvention zum unmittelbar wirkenden Recht zu machen; denn in dieser Kinderrechtskonvention gibt es durchaus interessante Artikel: Dort gibt es das Recht des Kindes auf Bildung und auf Chancengleichheit, und Artikel 31 Abs. 2 sagt immerhin:

„Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künst

lerischen Leben und fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung sowie für die aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung.“

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Sie haben die Redezeit schon erheblich überschritten.

Anlässlich der Klagen über das Turboabitur und die Belastung, die die Kinder damit haben, sollte man auch an diese Bestimmung noch einmal denken.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Herrn Professor Dr. Zielke von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass sich die Diskussion von 2007 um die Aufnahme von Kinderrechten in unsere Landesverfassung abgekühlt hat und wir zu einer gemeinsamen Formulierung gefunden haben. Dies hat einen einfachen Grund: Artikel 6 Grundgesetz garantiert die Elternrechte, und es hat sich herumgesprochen, dass das Hauptziel der damaligen Kampagne „Pro Kinderrechte“, nämlich die Schwächung dieser Elternrechte zugunsten von Eingriffsrechten des Staates, über die Hintertür der Landesverfassung nicht zu erreichen ist. Es geht schlicht nicht - das wäre verfassungswidrig -, im Grundgesetz festgeschriebene Bürgerrechte durch ein Landesgesetz einzuschränken.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist ja was ganz Neues!)

- Das war damals die Diskussion.

Möglicherweise gibt es durchaus unterschiedliche Sichtweisen, etwa zwischen Sozialpolitikern und Rechtspolitikern, wozu eine Landesverfassung dienen soll. Ich habe über das Thema „Kinderrechte in die Verfassung“ mit vielen Juristen innerhalb und außerhalb dieses Hohen Hauses diskutiert, und zwar quer durch die Parteien. Bei ihnen bin ich auf, wie ich einmal sagen will, verhaltene Begeiste

rung gestoßen. Niemand war dagegen, dass etwas für Kinder getan wird. Die Frage ist nur: Ist die Landesverfassung der geeignete Ort?

Wir werden gleich eine Verfassungsänderung beschließen. Was ändert diese Verfassungsänderung? Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst unseres Landtages hat glasklar aufgezeigt, dass jede einzelne Regelung des neuen Artikels verfassungsrechtlich unbedenklich, aber nicht erforderlich ist, weil sie bereits geltendes Recht ist. Beispielsweise schreiben wir jetzt in unsere Verfassung:

„Kinder … haben … das Recht auf … gewaltfreie Erziehung.“

Das ist die nahezu identische Reduplikation des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo es heißt:

„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.“

Mit anderen Worten: Diese Verfassungsänderung ändert unsere Verfassung und sonst nichts. Sie schafft kein neues Recht, und sie impliziert kein neues Recht. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“, sagte Montesquieu. Wir als moderne Parlamentarier des Medienzeitalters meinen, das in diesem Fall anders sehen zu sollen. Was wir hier heute machen werden, ist lupenreine Symbolpolitik. Natürlich ist auch Symbolpolitik eine legitime Art von Politik.

(Unruhe)

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. Es ist hier unangemessen laut. Ich bitte darum, dass die Geräusche und die Gespräche eingestellt werden, damit Herr Professor Zielke weiterhin in Ruhe seine Ausführungen machen kann und hier entsprechendes Gehör findet.

Danke. - Natürlich ist auch Symbolpolitik eine legitime Art von Politik. Bewusstseinsänderungen der Gesellschaft und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für eine gute Sache - auch das kann Aufgabe von Politik sein. Leider ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit kurz, und die von einem einmaligen Medienecho ausgelöste Betroffenheit mag rasch verebben. Auch darum sollten wir uns es nicht zur Regel machen, künftig jede moralisch ambitionierte

Initiative zum Anlass für eine Verfassungsänderung zu nehmen.

Ich erlaube mir, hier den Kollegen Krogmann von der SPD zu zitieren, der in der Plenarsitzung am 4. Juni letzten Jahres sagte:

„Eine Verfassung sollte keine Wanderbaustelle sein. Man sollte nicht ohne Not daran herumbasteln.“

(Beifall bei der SPD und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Recht hat er!)

Wird unsere Verfassung besser, wenn sie umfangreicher ist, wenn wir Gesetzesformulierungen klonen? Ich befürchte, wir begeben uns da auf eine schiefe Ebene; denn der heutige Beschluss könnte zu einem Wettlauf der Anreicherung der Verfassung mit hehren Zielen und Grundsätzen einladen, denen jeder nur zustimmen könnte: vom Gesundheitsschutz über Kultur oder Musik oder Sport oder saubere Umwelt bis zum Schutz von Senioren oder dem Recht auf Arbeit oder dem Recht auf Bildung oder dem Recht auf Wohnung. Jeder könnte und müsste, getrieben von der öffentlichen Meinung, dafür sein, und jede besonders befürwortende Lobbygruppe würde ihr Anliegen in der Verfassung wiederfinden wollen, um es aufzuwerten, es sozusagen auf Ewigkeit in Stein gemeißelt zu sehen.

Aber genau durch diese Inflation an Zielen und Grundsätzen würde jeder einzelne Grundsatz an Herausgehobenheit, an Erhabenheit einbüßen. Auch die Verfassungen selbst, die des Bundes ebenso wie die der Länder, immerhin das Fundament unserer demokratischen Grundordnung, werden umso poröser und baufälliger und anfälliger für weitere Veränderungen, je mehr uns ihre Veränderung zur Gewohnheit wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend Gotthold Ephraim Lessings Fabel „Der Besitzer des Bogens“ empfehlen,

(Zustimmung bei der SPD)

wobei ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird, wie dort geschildert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Schwarz von der SPD-Fraktion das Wort.

Ich mache es diesmal ganz kurz. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Zielke, ich wollte Sie nur daran erinnern, dass die von Ihnen eben genannte Symbolpolitik sowohl Gegenstand der Koalitionsvereinbarung der beiden Koalitionsfraktionen als auch der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten gewesen ist. Ich denke, Sie haben damals gewusst, was Sie da unterschrieben haben. Sorgen Sie mit uns dafür, dass es nicht bei Symbolpolitik bleibt!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Möchten Sie Stellung nehmen, Herr Professor Zielke?

Nein.

Dann erteile ich der Frau Ministerin Ross-Luttmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder zu schützen, ihre Position zu stärken, ist Kernaufgabe von Staat und Gesellschaft. Heute ist ein guter Tag für Kinder. Wir machen mit der Aufnahme von Kinderrechten in die Niedersächsische Verfassung einen weiteren wichtigen Schritt zu mehr Kinderschutz und mehr Kinderfreundlichkeit in unserem Land.

Ich möchte an dieser Stelle besonders dem Deutschen Kinderschutzbund danken. Er hat mit seinem nicht nachlassenden Engagement dazu beigetragen, dass diese Verfassungsänderung nun verwirklicht wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit seinen Kampagnen, aber auch mit dem gemeinsam mit dem Sozialministerium ausgelobten Kinder-haben-Rechte-Preis hat sich der Verband immer wieder für die Rechte von Kindern in unserem Land eingesetzt.

Bei dieser Verfassungsänderung ist Zielrichtung, an zentraler Stelle des niedersächsischen Rechts, nämlich in der Verfassung, deutlich im Sinne eines Staatsschutzzieles zu dokumentieren, welche Be