Ich hatte mich gerade erst heute wieder mit den Plänen zum Moorschutz in der Wedemark beschäftigt. Diese Pläne gehen wohl noch auf den Ministerpräsidenten Albrecht und die 80er-Jahre zurück. Sie sehen die höchste Wertigkeit vor. Jetzt gibt es ein Programm von Bund und Land, eigentlich ein Monitoringverfahren zum Schutz der Moorgeest in der Wedemark. Wie aus der Presse hervorgeht - Sie haben es im Pressespiegel gelesen -, hat Umweltminister Sander auf einer FDPVeranstaltung dieses Projekt so torpediert, dass sich die Landwirte aus diesem Monitoringverfahren, das Bund, Land und Region Hannover gemeinsam betreiben, leider zurückgezogen haben. Das ist schon eine Torpedierung.
Es geht auch darum, Moore wieder zu vernässen. Das ist die Strategie der Bundesregierung, und es sollte eigentlich auch die Strategie der Landesregierung sein, wenn sie ihre Klima- und Naturschutzziele ernst nimmt.
(Beifall bei den GRÜNEN - Editha Lorberg [CDU]: Sie haben meine Fra- ge überhaupt nicht beantwortet!)
Der nächste Redner zu diesem Thema ist Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE. Herr Herzog, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Die Vertragsstaaten, die sich auf der Tagung für die biologische Vielfalt treffen, haben eine Selbstverpflichtung unterschrieben. Sie wollen Umsetzungsstrategien - ich betone „Umsetzungsstrategien“ - entwickeln. Daran müssen sich die Bundesländer selbstverständlich beteiligen, und zwar nicht nur auf geduldigem Papier, Herr Sander, sondern natürlich konkret.
Wir haben im Umweltausschuss gehört, was Sie für die nächsten fünf Jahre angekündigt haben. Ich muss Ihnen sagen: Gerade zu diesem Bereich haben Sie einige Seeadler erwähnt, Sie haben den Kranich erwähnt - das ist schön und gut -, Sie haben von Weißen Listen gesprochen. Aber Sie haben nie von Roten Listen gesprochen. Gerade an dieser Stelle - nicht nur, weil ich das sage - ist natürlich die Rote Liste das Entscheidende; denn wir reden über das Artensterben.
In der Tat muss ich mich wundern, Herr Althusmann, dass Ihr Minister beim Powerboatrennen keine einzige Bemerkung macht,
- Herr Dürr, er kann sich doch einmal äußern. Im Gegenteil: Er äußert sich nicht. Er sitzt die Sache aus. Er fährt hin, wenn er etwas zu sägen hat, meine Damen und Herren, und ansonsten bleibt er.
Der Antrag der Grünen ist aus meiner Sicht richtig, allerdings greift er im Gesamtzusammenhang natürlich zu kurz.
Der Kollege Meyer hat richtig darauf hingewiesen - obwohl die Zahl falsch war -: Das Artensterben hat in der Geschwindigkeit um das Tausendfache zugenommen. Meine Damen und Herren, ich bin mir nicht sicher, ob alle in diesem Parlament wissen, was das bedeutet. Sie entziehen mit dieser rasanten Geschwindigkeit quasi die Lebensgrundlage. Ich glaube, das ist Ihnen bisher nicht bewusst. Das Artensterben ist ein Spiegel der Zustände. Sie schließen wegen des sogenannten demografischen Wandels Schulen, gerade im ländlichen Bereich. Auf der anderen Seite wollen Sie im Jahr 2025 mit dem doppelten Lkw-Verkehr umgehen. Nun sagen Sie mir doch einmal, wie das zusammenpasst. Das macht sichtbar, worum es eigentlich geht: Es ist der Lebensstil der Industrienationen, mit Verlaub: auch Deutschlands, auch Niedersachsens. Dieser opulente Lebensstil - Sie kennen die CO2-Bilanzen; man nennt das auch „Fußabdruck“ -, den wir im Moment zu verzeichnen haben, ist auch vor dem Aspekt zu sehen, dass große Teile der Bevölkerung von einer eigentlichen Teilhabe an ihm ausgegrenzt werden.
Dazu kommt, Herr Hirche - das sage ich einmal in Ihre Richtung -, dass es inzwischen eben nicht mehr egal ist, ob in China ein Sack Reis umfällt, und es ist auch nicht mehr egal, was die Grünen früher gesagt haben: Global denken, lokal handeln. - Das war ein guter Slogan. Er war richtig, und er ist immer noch richtig.
Er gilt aber inzwischen auch umgekehrt genauso und muss auch genauso erwähnt werden: lokal denken, global handeln. Das ist genauso notwendig. Brandrodungen, die unsere Ökobilanz verbessern sollen, sind auf die Dauer kein Mittel.
Gabriel stoppt das bei den Autos, aber nur deshalb, weil es deutsche Autos sind. Das reicht eben nicht. Dort brauchen wir mehr.
Wir müssen uns vor Augen halten - das will ich Ihnen noch einmal ausdrücklich mitgeben -: Das, was wir vormachen, machen die aufstrebenden Länder nach. Das kann ihnen kein Mensch verdenken. Ich bin gespannt, ob Sie in wenigen Jahren, wenn sie so weit sind, dass es möglicherweise
wirklich eng wird, wiederum als Ordnungsmacht hinter dem Weltsheriff herfahren, um dort sozusagen in Ihrem Sinne Ordnung zu schaffen.
Das Artensterben, das wir bisher haben, und die Klimaprobleme, die es bisher gibt, haben wir Industrienationen verbockt, nicht China und nicht Indien; das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.
Ich komme zum Schluss. - Artenschutz ist wichtig. Der Katalog, der hier in dem Antrag aufgestellt wird, ist richtig. Aber einige Schutzgebiete reichen eben nicht aus, sondern wir brauchen eine Querschnittsaufgabe, die in allen Bereichen allerhöchste Priorität genießt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Weltklimarat warnte erst kürzlich eindringlich vor dem Risiko des Verlustes eines Drittels aller heute lebenden Arten schon bei einer globalen Erwärmung um etwa 2 Grad Celsius. Auch Staatssekretärin Astrid Klug hat vor kurzem bei einer Veranstaltung des NABU in Berlin den Klimawandel als eine tickende Zeitbombe für die biologische Vielfalt beschrieben.
Sie zitierte in ihrer Rede eine Studie des WWF, nach der insgesamt 38 % aller europäischen Vogelarten durch den Klimawandel in ihrer Existenz bedroht sind. Gleichzeitig würde der Klimawandel durch die Vernichtung von Wäldern und Mooren beschleunigt, weil wichtige CO2-Speicher verloren gingen. Das hat Herr Meyer schon erwähnt.
Vor diesem Hintergrund ist allerorts anerkannt, dass Naturschutz dringend notwendiger und aktiver Klimaschutz ist. Aber danach müssen wir auch handeln. Schon allein deshalb und nicht nur, weil
die Bundesrepublik Deutschland im Mai diesen Jahres Gastgeber der 9. UN-Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt sein wird, ist dringlicher Handlungsbedarf gegeben. Es wird in der Tat Zeit, dass wir endlich aktiv werden, um das Artensterben zu stoppen, denn bereits im Jahr 2001 hatten die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, nationale Umsetzungsstrategien zu entwickeln, um den Artenverlust bis zum Jahr 2010 zu stoppen.
Die Bundesregierung hat im November letzten Jahres eine nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Dort hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einen eindringlichen Appell an alle Entscheidungsträger auf allen gesellschaftlichen Ebenen gerichtet. Diese nationale Strategie ist eine Verpflichtung für uns alle, sagte er: für die jetzige und künftige Bundesregierung, aber auch für die Länderregierungen und für die Kommunen. Auch die Wirtschaft und die Gesellschaft sollten sich in diesen Appell eingeschlossen fühlen. - Nur gemeinsam wird es uns gelingen, dass sich auch künftige Generationen über den Reichtum der Natur freuen und ihn nutzen können. Er betonte, mit dieser nationalen Strategie sei eine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand verbunden. Aber auch eine Übernahme von Verantwortung durch Industrie, Handel und Verbraucher forderte er ein.
Mit der Vorlage dieses Entschließungsantrags befassen wir uns nun endlich auch auf Landesebene mit dieser den Ländern übertragenen Aufgabe. In seiner Rede im Umweltausschuss in der vergangenen Woche hat der Minister zwar erklärt, dass die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Niedersachsen die zentrale Hauptaufgabe von staatlichen Naturschutzverwaltungen sei. Dazu, wo die angekündigten 22 Millionen Euro an Landes- und EU-Mitteln bleiben, ist er in seinen Aussagen jedoch recht vage geblieben. Er hat zwar gesagt, es sollten zielgerichtete Programme und praktische Maßnahmen gefördert werden, um dem Bestandsrückgang entgegenzuwirken und die Erhaltung gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zu sichern, aber er ist nicht ins Detail gegangen. Da müssen wir schon präziser werden.
Außerdem hat der Minister eingestanden, dass der staatliche Naturschutz nur eine Säule ist, die die künftige Entwicklung tragen wird, und dass ehrenamtliches Engagement und ein gesellschaftliches Verständnis daneben ebenfalls unverzichtbar sind. Er sagte, die in Niedersachsen anerkannten Naturschutzverbände seien von großer Bedeutung und würden weiterhin ein wichtiger Partner bei der Umsetzung von Natur- und Umweltzielen sein. Er
kündigte auch an, dass die Landesregierung in diesem Zusammenhang die freiwillige und ehrenamtliche Teilnahme am Artenschutz intensiv unterstützen werde. Aber wie sieht die Realität aus?
- ich denke, das haben rund 300 000 Mitglieder der niedersächsischen Umweltschutzverbände getan -, dem werden diese Worte wie Hohn in den Ohren geklungen haben.
Trotz der verbesserten Finanzlage haben Sie mitnichten die Streichung der Mittel für die Umweltverbände zurückgenommen. Die Landesregierung hat auch nicht - wie der Ministerpräsident angekündigt hat - die Deckelung der Bingo-Mittel zurückgenommen, die sehr wohl für Projekte im Umwelt- und Naturschutzbereich ausgeschüttet werden sollten.