Protocol of the Session on April 10, 2008

Der Antrag wurde angenommen.

Damit beende ich diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 20:

Erste Beratung: Artensterben bis 2010 stoppen - Land muss Aktionsplan auflegen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/52

Zur Einbringung hat sich Herr Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Ich erteile Herrn Meyer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist in diesem Jahr Gastgeber der 9. Weltkonferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt in Bonn.

(Unruhe)

Herr Meyer, ich unterbreche Sie, weil hier eine gewisse Unruhe besteht. - Meine Damen und Herren, ich bitte, die Gespräche draußen zu führen.

Ich danke. - Ende Mai werden mehr als 5 000 internationale Vertreter über Maßnahmen gegen die wachsende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beraten. Wäre es nach Minister Sander gegangen, hätte Niedersachsens Beitrag zu dieser Konferenz

wohl vor allem in einem Hochgeschwindigkeitsrennen in der Brutzeit im Biosphärenreservat Elbe bestanden. Die Kommunalpolitiker und Menschen in der Region haben diesen Unsinn zum Glück in den letzten Tagen verhindert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Lage ist viel zu ernst für solche PS-starken Powerbootrennen im Lebensraum Elbe. Wer sich den jüngsten Bericht der UN anguckt, wonach zwei Drittel der Ökosysteme, von denen der Mensch abhängt, im Niedergang begriffen sind, erkennt den Ernst der Lage. Nicht nur Herr Töpfer und sein Nachfolger Herr Steiner schlagen Alarm. Auch die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt, die keine Luftnummern bleiben dürfen. Sie haben heute in der Presse gelesen: CDU will grüner werden. - In diesen Zielen ist festgehalten: Das Artensterben ist bis 2010 zu stoppen. Die Abwertung von Lebensräumen ist zu beenden.

Doch das Gegenteil ist zumindest in Niedersachsen Realität. Nehmen wir den Flächenverbrauch. Hier ist das Ziel, die Versiegelung und Zerschneidung der Natur um drei Viertel auf 30 ha pro Tag zu senken. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung werden zwar Initiativen zur Reduzierung des Nutzflächenverbrauchs angekündigt, doch konkret geht die Förderung von Mammutprojekten gegen die Natur weiter, wie die zahllosen Autobahnausbauten zeigen.

Wir sagen Ihnen: Der Schutz der Lebensgrundlagen muss in Niedersachsen endlich Priorität bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dieser Forderung stehen wir nicht allein. Der EU-Umweltkommissar fordert z. B.: Der Verlust der biologischen Vielfalt ist eine größere Bedrohung als der Klimawandel, wenn man bedenkt, dass nichts und niemand eine einmal ausgestorbene Art wieder zurückbringen kann. - Oder um Ihr Parteimitglied Töpfer zu zitieren: Der vom Menschen verursachte Rückgang der Biodiversität ist wirtschaftlicher Selbstmord.

Heute liegt das weltweite Artensterben um das Zehntausendfache über der natürlichen Rate. Täglich sterben 150 Arten unwiederbringlich aus. Damit geht auch viel Wissen verloren, das wir in Zukunft nutzen könnten. So beträgt z. B. der Energiewirkungsgrad eines Glühwürmchens 99 %. Davon sind die Wulffschen Kohlekraftwerke wirklich weit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Das war wirklich ein dämlicher Vergleich!)

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen gibt es mehr als 9 000 heimische Arten. Davon ist mehr als die Hälfte gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Dagegen helfen auch Sonntagsreden und peinlichen Veranstaltungen des Umweltministers nicht, von denen man in der Presse lesen konnte. Die Ursachen sind bekannt: Zerstörung von Lebensräumen, Bodenabbau, Torfabbau, Überdüngung in der Landwirtschaft, Gentechnik und Pestizide, dazu umweltschädliche Subventionen und der Bau von Autobahnen. Stoppen Sie z. B. die überflüssige A 22, und bedrohte Störche, Libellen und Fischotter werden es Ihnen danken!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stoppen Sie auch die Jagd auf bedrohte Wildgänse, und schützen Sie sie genauso wie die Wölfe in der Lüneburger Heide!

Nach neuesten Umfragen in der EU sehen 93 % der Menschen den Schutz der biologischen Vielfalt als moralische Verpflichtung an. 75 % glauben, dass das Artensterben auch wirtschaftlich fatale Folgen hat. Sie sollten einmal lesen, was Frau Merkel auf der Konferenz der CDU-Bundestagsfraktion gesagt hat. Ich glaube, das ist bei der CDU Niedersachsens noch nicht angekommen.

Der Verlust an Arten betrifft auch die Landwirtschaft. Heute findet man im Supermarkt nur noch ungefähr ein Dutzend Apfelsorten. Bei unseren Großeltern oder Urgroßeltern gab es noch Hunderte. 75 % der genetischen Vielfalt der Nutzpflanzen gelten bereits als für immer verloren, und das hat fatale Folgen. Eine große Gefahr für die Artenvielfalt ist der Anbau genmanipulierter Pflanzen. Niedersachsen ist die einzige Region in Europa, die selbst in Naturschutzgebieten giftigen Genmais zulässt,

(Christian Dürr [FDP]: Giftigen Gen- mais? Das ist ein solcher Quatsch!)

der die biologische Vielfalt nachweisbar schädigt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Ist der toxisch?)

- Ja. Der ist mit einem Herbizid versetzt, das z. B. bedrohte Schmetterlingsarten gefährdet. Deshalb hat die Große Koalition in Brandenburg vor zwei Wochen eine Verordnung erlassen, wonach beim Anbau von Genmais, um den es hier geht, mindestens 800 m Abstand zu Naturschutzgebieten ein

gehalten werden soll. Aber in Niedersachsen steckt Herr Ehlen beide Hände in die Taschen und lässt genmanipulierte Pflanzen im Naturschutzgebiet zu, obwohl das Gefahren für die Natur darstellt und nachweisbar keine FFH-Prüfung erfolgt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das sind nur einige Beispiele der verfehlten Naturschutzpolitik in Niedersachsen. Aber das ist ja auch kein Wunder. Wenn man sich den Koalitionsvertrag anschaut, wird klar, dass Sie den Schutz der Natur am liebsten anderen überlassen. Ich zitiere:

„Die biologische Vielfalt in Niedersachsen ist zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Landesregierung setzt vor allem auf die freiwillige und ehrenamtliche Teilnahme am Arten- und Naturschutz.“

Wenn Ehrenamt und Freiwilligkeit alles sind, dann gute Nacht, biologische Vielfalt! Wenn die CDU grüner werden will, wie man heute in der HAZ lesen muss, muss sie endlich aktiv werden, konkret handeln und z. B. auch die Naturschutzbehörden wieder besser ausstatten, damit Niedersachsen hierbei nicht bundesweites Schlusslicht ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen braucht deshalb endlich einen konkreten Aktionsplan, wie ihn auch die Bundesregierung in der Strategie, die CDU und die SPD in Berlin verabschiedet haben, eingefordert hat. Darin gibt es einen gesonderten Abschnitt, welche Maßnahmen die Länder ergreifen sollen, um die Ziele, die international verpflichtend sind, zu erreichen. Niedersachsen tut dabei fast nichts, viel zu wenig. Schauen Sie sich das an! Das ist ein Katalog von 180 Seiten mit Maßnahmen. Zum Beispiel muss endlich ein landesweiter Biotopverbund kommen. Ohne Waldbrücken werden sich z. B. Wildkatzen bei mir im Solling nie mit denen im Harz vermischen können. Auch das ist biologische Vielfalt. Deshalb muss der Schutz der natürlichen Vielfalt als Querschnittsaufgabe in alle Politikbereiche integriert werden.

Sie haben sich in der Regierungserklärung zum effektivsten und kostengünstigsten Klimaschutz bekannt. Schauen Sie sich den Bericht des Ökonomen Stern an! Er sagt, dass der effektivste und billigste Klimaschutz der Erhalt der natürlichen Wälder und Moore ist.

(Christian Dürr [FDP]: Kennen Sie den Unterschied zwischen effektiv und ef- fizient?)

Das ist auch in Niedersachsen wichtig. Trotzdem torpediert Umweltminister Sander - gegen die Erklärung des Ministerpräsidenten - hier in der Region Hannover ein Moorschutzgebiet in der Wedemark und fördert weiter den Torfabbau.

(Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Dabei sind Moore eine unverzichtbare CO2-Senke. Die Trockenlegung der Moore in einer einzigen indonesischen Provinz hat im letzten Jahr so viele Treibhausgase verursacht, wie die Niederlande in einem ganzen Jahr verursachen.

Meine Damen und Herren, der Erhalt der biologischen Vielfalt duldet keinen Aufschub. Wir Grüne sind uns dieser Verantwortung bewusst. Da die CDU Niedersachsen die Bundesstrategie in der Hand hat, muss sie sich jetzt entscheiden, ob sie in Niedersachsen umgesetzt wird. Sie müssen sich zwischen Sander und Töpfer entscheiden, zwischen Kettensäge und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein mit Lyrik und Sonntagsreden, die wir ja gleich wieder dazu hören werden, was es angeblich für tolle Erfolge gibt, werden wir das Biotopsterben nicht bis zum Jahr 2010 stoppen. Wenn die CDU grüner werden will, muss sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Editha Lorberg [CDU])

Herr Meyer, Sie waren so schnell weg. Frau Lorberg hätte gerne noch eine Zwischenfrage gestellt. Vielleicht klären Sie das untereinander.

(Editha Lorberg [CDU]: Nein! Ich möchte, dass er sie beantwortet! - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Machen Sie doch eine Kurzintervention, Frau Lorberg!)

- Dann nehmen Sie doch bitte den Tipp von Frau Helmhold an, und machen Sie eine Kurzintervention. - Frau Lorberg hat sich zur Kurzintervention gemeldet. Ich erteile Ihnen für eineinhalb Minuten das Wort.

(Heiner Bartling [SPD]: Das ist schmerzensgeldfähig!)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Meyer, Sie haben das Moorschutzprojekt Moorgeest in der Wedemark angesprochen und gesagt, dass es vereitelt werden soll. Ich möchte von Ihnen gerne wissen, worüber Sie überhaupt gesprochen haben. Es ist überhaupt nicht so, dass das Moor nicht erhalten werden soll, sondern es sollen sehr wertvolle landwirtschaftliche Flächen dem Moor zum Opfer fallen. Es soll also nicht der ursprüngliche Moorbereich vernässt werden, sondern landwirtschaftliche Flächen. Ist Ihnen das überhaupt klar, wenn Sie hier solche Äußerungen von sich geben?

(Zustimmung bei der CDU)

Von Herrn Meyer wird das Wort gewünscht. Bitte schön, Herr Meyer!