- Das ist in der Tat lächerlich. - Ich will das, was Sie gesagt haben, einmal zitieren. Sie haben gesagt - ich zitiere aus der Pressemitteilung -:
„Alle Fraktionen auf Bundesebene sind aufgefordert, die volle Unterstützung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Niedersachsen uneingeschränkt zu gewährleisten.“
Nein, nicht die Fraktionen im Deutschen Bundestag sind aufgefordert, sondern der Bundesumweltminister ist aufgefordert, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Jüttner von der SPDFraktion gemeldet. Bitte schön, Herr Jüttner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das geht ganz einfach: Wir sind an umfassender Aufklärung interessiert. Der Umweltminister dieses Landes hat in der letzten Woche erklärt: Beim Untersuchungsausschuss wird wohl nichts herauskommen, weil die Akten und die Zeugen dem Landtagsausschuss gar nicht zugänglich sind. - In der Tat gibt es Rechtspositionen, dass das nicht an jeder Stelle automatisch passiert.
Herr Dürr, das hat mich veranlasst - es geht ja nicht nur um Akten des Bundesumweltministeriums, sondern möglicherweise um Akten in ganz verschiedenen Ressorts -,
die Bundestagsfraktion der SPD zu bitten, in der nächsten Woche einen Beschluss im Bundestag herbeizuführen, wonach der Bundestag beschließt, die Bundesbehörden zu beauftragen, allen Anforderungen aus Niedersachsen hinsichtlich der Zeugen und des Aktenmaterials nachzukommen, meine Damen und Herren. Darum geht es!
Ich gehe davon aus, dass auch die anderen Fraktionen in Berlin ein Interesse daran haben, dass aufgeklärt wird, und dass vor dem Hintergrund, wenn in Niedersachsen alles aufgeklärt wird, ein Untersuchungsausschuss in Berlin nicht notwendig ist.
Eines ist wohl allen Beteiligten klar: In dem Moment, in dem sich die Berliner Politik weigert, Zeugenaussagen vor diesem Untersuchungsausschuss zu genehmigen oder dem Ausschuss Material zukommen zu lassen, gibt es einen Bundestagsausschuss. Alles andere ist für mich nicht mehr denkbar. Denn dieser Skandal gehört umfassend aufgeklärt!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es stellt sich tatsächlich die Frage, wer gerade was nicht verstanden hat.
Man kann Herrn Struck schreiben; das ist gar keine Frage. Ich bin gerne dazu bereit zu unterstützen, dass die SPD-Bundestagsfraktion da aktiv wird. Als Sie, Herr Jüttner, die Karte für die Kurzintervention hochgehalten haben, bin ich davon ausgegangen, dass Sie dem interessierten Haus erklären, warum Sie nicht schlicht und einfach dem Bundesumweltminister geschrieben haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Warum schreiben Sie nicht demjenigen, der der Chef ist, der dem Geschäftsbereich vorsitzt, zu dem das Bundesamt für Strahlenschutz gehört,
und der das Bundesamt für Strahlenschutz anweisen könnte, diese Listen herauszugeben? - Schreiben Sie erst dem Bundesumweltminister, und reden Sie dann wieder im Landtag!
Meine Damen und Herren, wollen Sie sich untereinander noch einen Moment unterhalten? - Dann können wir die Sitzung unterbrechen; das ist kein Problem.
Ich würde gerne in der Rednerliste fortfahren. Der für mich erkennbar letzte Redner ist Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dürr, ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass am Ende die Zeugen kommen werden, die wir laden, und dass die Akten kommen werden, die wir anfordern.
Ich wundere mich eher über Ihre Beiträge. Ich habe das Gefühl, Sie wären ganz froh darüber, wenn der eine oder andere nicht liefern würde.
Ich weiß gar nicht, warum Herr Langspecht immer versucht, irgendwelche verfassungsrechtlichen Probleme herbeizureden.
Ich möchte kurz an Folgendes erinnern: Wir haben hier eine Institution des Bundes, eine Gesellschaft ehemals zu 90 % im Eigentum des Bundesforschungsministeriums und des Landes Bayern. Sie hat auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen massiven Rechtsbruch begangen, und das über lange Zeit hinweg.
Deshalb ist es zuvorderst Aufgabe des Landes zu klären, wie es zu diesen Rechtsbrüchen kommen konnte und warum die Atom- und die Bergaufsicht des Landes versagt hat.
Wenn sich Teile des Landtags weigern sollten, diese Angelegenheit in Gänze aufzuklären, oder wenn der Bund keine Zeugen oder Akten in der notwendigen Weise und Umfang zur Verfügung stellen sollte, dann werden wir uns hier wieder sprechen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen haben.
Ich möchte aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 20. Mai 1969, also vor gut 40 Jahren, zitieren. Damals lautete die Überschrift: „Forscher: Sicher für alle Zeiten.“ - Genau diese Aussage haben wir in den letzten Jahren immer wieder gehört. Herr Genscher hat sich entsprechend geäußert. Er war zwischendurch, nämlich 1971, als Bundesinnenminister zuständig. Er wollte in der Asse sogar die fünffache Menge an hoch radioaktivem Müll und bis 2000 alles, was in der Bundesrepublik in Atomkraftwerken anfiel, einlagern.
Herr Wulff hat noch im letzten Jahr bei Frau Will in der Abendsendung erklärt, dass in erster Linie Krankenhausabfälle in der Asse liegen. Heute wissen wir es besser.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass das Vertrauen in der Region, aber auch weit über die Region hinaus mittlerweile am Nullpunkt angekommen ist. Wir alle haben mit diesem Ausschuss eine Chance. Wir haben die Chance, eine Sache aufzuklären, die wirklich nach Aufklärung schreit. Wir haben es mit einer illegalen Müllkippe zu tun, die jahrelang mitten in Niedersachsen, mitten in Deutschland betrieben worden ist. Wir hatten es jahrelang mit einem rechtsfreien Raum zu tun, einem Menetekel, das die CDU in der Vergangenheit immer gerne an die Wand gemalt hat. Das gab es mitten in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, deshalb ist es die Verantwortung aller Fraktionen hier im Landtag, für Aufklärung zu sorgen. Wir haben es hier mit einer Schlüsselfrage zu tun, und zwar mit der Frage: Was wird dort wirklich gelagert? Was ist tatsächlich in der Asse gelandet? In welchem Umfang werden dort radioaktive Stoffe, Pflanzenschutzmittel, organische Substanzen, Tierkadaver oder was auch immer gelagert? All das gehört aufgeklärt. Ich will hier nur an die Stellungnahme der Strahlenschutzkommission und der Entsorgungskommission des Bundes erinnern, in der festgestellt wurde, dass in der Asse deutlich mehr Tritium gelagert ist als bisher bekannt. Greenpeace hat nachgerechnet und ist auf den 4,5-fachen Faktor gekommen. Der ehemalige Betreiber hat offenbar ein Gutachten in Auftrag gegeben und schon im November festgestellt, dass es sogar das 16-Fache dessen sein muss, was bekannt war. Angesichts dessen fragen wir uns natürlich: Ist das nur bei Tritium der Fall, das nicht so gefährlich wie Plutonium ist? Ist es bei anderen Radionukliden auch so, dass in der Asse ein Vielfaches dessen gelagert wird, was eigentlich dort gelagert werden sollte?
Meine Damen und Herren, damit kommen wir sehr schnell zu dem ersten Punkt, mit dem sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu befassen hat. Wir führen parallel die Diskussion über das Schließungskonzept. In der Frage der Schließung ist eine verantwortbare Entscheidung zu treffen und die Frage zu klären, welches der
sicherste Weg ist, um eine Verseuchung des Trinkwassers zu verhindern. Es stellen sich Fragen wie diese: Kann man die Stoffe wieder herausholen? Kann man Rückholung betreiben, was uns am allerliebsten wäre? Wäre eine trockene Verfüllung oder eine interne Umlagerung sicher? Dieser Optionenvergleich, der stattfinden soll, setzt das Wissen um das Inventar voraus. Deshalb ist dieses Thema auch zuvörderst anzugehen, Herr Langspecht.
Ich will hier kurz aus der Stellungnahme der Strahlenschutzkommission des Bundes und der Entsorgungskommission zitieren. In dieser Stellungnahme wird ganz deutlich gesagt:
„Das Inventar spielt als Ausgangsbasis für die Rechnung zur Langzeitsicherheit eine zentrale Rolle.“
Für uns ist es von besonderer Bedeutung, wie in dieser Frage am Ende entschieden wird. Es wird am Ende eine Entscheidung des Bundes sein. Man wird uns zuvor aber natürlich fragen, und wir werden uns mit dem Thema auch befassen, und zwar auch im Umweltausschuss. Wir müssen wissen, wie es um das Inventar bestellt ist. Es muss bis zum Ende dieses Jahres mit größtmöglicher Sicherheit gewährleistet sein, dass wir die entscheidenden Fragen beantworten können.
Herr Langspecht, wir werden den anstehenden Fragen nicht gerecht, wenn wir jetzt nur nach Ihrem System der Chronologie vorgehen. Wir müssen vielmehr auch mit den Anforderungen synchronisieren, um die es bei dem Schließungskonzept geht. Die Klärung der Frage nach dem Inventar hat für uns oberste Priorität.
Darüber hinaus muss natürlich auch die Gesamtverantwortung, die Frage der Haftung, wer am Ende materiell-rechtlich für Gesundheitsschäden oder für Vermögensschäden haftet, auf die Tagesordnung. Ebenso muss geklärt werden, wie es dazu kommen konnte, dass dieses Bergwerk als Lagerstätte ausgewählt wurde. Ferner stellt sich die Frage nach der Gesundheitsbelastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und von Anwohnerinnen und Anwohnern. Ebenso ist das totale Versagen der Wissenschaft in diesem Bereich abzuklären. Es gibt Aussagen von renommiertesten Einrichtungen, die zu prüfen sind. Es ist auch eine Unfähigkeit, an dieser Stelle mit Selbstkritik umzugehen, zu registrieren.
Das völlige Fehlen von Evaluation in diesem Bereich ist ein weiteres Thema. Auch in einer hoch technisierten Gesellschaft werden immer wieder Fehler gemacht. Menschliches Handeln führt immer wieder zu Fehlern. Hier muss es aber ein Korrektiv geben. Man muss Wege finden, im Zweifel aus solchen Fehlern zu lernen.
Aus solchen Fehlern zu lernen heißt am Ende auch, sich grundsätzlicher anzuschauen, was in der Asse passiert ist. Es heißt auch, sich am Ende z. B. die Frage zu stellen, welche Folgerungen sich für andere Endlagerkonzepte ergeben. Muss man z. B. die Frage der Rückholbarkeit wieder ganz neu diskutieren?
In Schweden sagt man z. B.: Wir sind uns nicht sicher, ob wir heute beim Umgang mit radioaktiven Stoffen alles bedacht haben und ob unser vorhandenes Wissen ausreicht, alles zu bedenken. Die Schweden sagen deshalb: Wir müssen Rückholbarkeit gewährleisten, zumindest aber Wiederauffindbarkeit dieses Mülls. Wir müssen der Generation nach uns, unseren Enkeln Gelegenheit geben, Fehler zu korrigieren, die wir heute vielleicht mit bestem Wissen und Gewissen begehen.