Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir werden heute den 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. Dieser Untersuchungsausschuss hat eine Herkulesaufgabe vor sich: schwach und mittel radioaktive Abfälle in undichten Fässern, Laugenzuflüsse und die hohe Einsturzgefahr des Bergwerkes. Die Asse - vom Bund in den 60er-Jahren als Forschungseinrichtung geschaffen - ist zu einem Desaster geworden. Daran gibt es überhaupt keine Zweifel. Das ist hier schon oft genug betont worden.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Untersuchungsausschuss die kompletten Vorgänge um die Asse lückenlos aufklären. Wir wissen, dass hier viele für die Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen der Vergangenheit verantwortlich sind: Politik, Betreiber, Behörden und Wissenschaftler. Wir werden uns dies alles sehr genau angucken. Wir wollen eine sachliche Aufklärung, wir wollen eine ordentliche Arbeit. Deshalb gilt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.
Es ist völlig klar, wir werden nicht zulassen, wie es einige der Grünen, Herr Gabriel und der selbsternannte geborene Aufklärer Herzog wollen, dass die Asse im Bundestagswahlkampf instrumentalisiert wird. Das kommt mit uns nicht in Frage.
Die Menschen in Wolfenbüttel wollen die Probleme gelöst sehen. Sie haben die Nase voll von Polemik und gegenseitigen Schuldzuweisungen, meine Damen und Herren.
Die Menschen wollen so schnell wie möglich ein zuverlässiges Schließungskonzept und kein Wahlkampftheater.
Wir werden dem jetzt vorliegenden Antrag zustimmen, allerdings mit dem Vorbehalt, den wir im Ältestenrat zu Protokoll gegeben haben. Der GBD hat ausdrücklich erklärt, dass er aus Zeitgründen den Antrag nur summarisch prüfen konnte. Das bedauern wir, haben dafür aber volles Verständnis. Das heißt jedoch, im Antrag aufgeführte Fragen können rechtlich unzulässig sein, wenn sie z. B. nicht mehr auf den Kompetenzbereich des Landes beschränkt sind, also keinen Landesbezug haben, und mehr die Zuständigkeit des Bundes betreffen. Dies werden wir im Einzelfall zu gegebener Zeit umfassend prüfen.
Meine Damen und Herren, inhaltlich werden wir vor allem zu klären haben, warum es ab 1967 überhaupt zur Einlagerung der radioaktiven Abfälle gekommen ist. Wir werden zu klären haben, woher die Abfälle im Einzelnen kamen und auf welcher Rechtsgrundlage diese Fässer eingelagert wurden. Wir werden weiter klären, warum die Bundesregierung 1975 die Sicherheitsstandards für die angelieferten Fässer deutlich abgesenkt hat. Wir werden ferner klären, warum die Bundesregierung 1978 die weitere Versuchsendlagerung von radioaktiven Abfällen ohne Planfeststellungsverfahren durchsetzen wollte. Wir wollen außerdem aufgeklärt wissen, warum 1978 Ministerpräsident Dr. Albrecht das geplante behördeninterne Genehmigungsverfahren abgelehnt hat, warum er die beabsichtigte Einlagerung hoch radioaktiver Abfälle seinerzeit abgelehnt hat, warum er ein Planfeststellungsverfahren forderte und warum er auf die jederzeitige Rückholbarkeit aller Fässer bestanden hat. Wir wollen klären, warum sich die Landesregierung nach 1993 nach Vorlage des Gutachtens zur Gefahrenabschätzung für die Schachtanlage geweigert hat, ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Wir werden weiter klären, warum 1995 das erstmalige Überschreiten der Grenzwerte für Caesium 137 nicht weitergemeldet worden ist. Wir wollen aufklären, warum nicht auf Hinweise reagiert wurde, wonach Fässer undicht seien. Und, meine Damen und Herren, wir wollen klären, wer alles für das jahrelange Nichthandeln, das Dulden der immer kritischer werdenden Zustände in der Asse verantwortlich war und nicht eingegriffen hat.
Meine Damen und Herren, diese Fragen werden wir im Interesse der Menschen vor Ort beantworten müssen. Wir werden dabei systematisch und chronologisch, Herr Herzog, vorgehen, uns zunächst mit der Planungsphase, dann mit der Einlagerung und danach mit der Nacheinlagerungsphase befassen.
Was die Planungsphase betrifft, also den Zeitraum bis 1967, werden wir uns mit den Genehmigungen, Rechtsgrundlagen, und Zuständigkeiten aller beteiligten Institutionen beschäftigen. Wir müssen uns logischerweise zunächst - das haben wir oft genug besprochen - über die Verantwortlichkeiten klar werden, die den Einlagerungsvorgang überhaupt erst ermöglicht haben.
Nach all dem, was in der Asse in den letzten 40 Jahren gelaufen ist, sollten wir uns im Ausschuss wenigstens bemühen, die Leute nicht weiter zu irritieren. Dazu passt nun wirklich nicht, Herr Tanke, wenn Sie von verunglückten Pressemitteilungen sprechen, allen Ernstes wahrheitswidrig zu erklären, dass der Ausschuss im Sommer durchtagen würde. Das war eine peinliche Nummer. Den Menschen ist der Zeitplan längst bekannt, den wir verabredet hatten.
Genauso töricht ist es von Ihnen, in Presseerklärungen den Bürgerinnen und Bürgern vorzumachen, dass der Ausschuss über Schließungsoptionen befinde. Es ist einfach absurd, Herr Tanke, wenn Sie so etwas in Presseerklärungen herausgeben. Der Ausschuss kann sich nun einmal nur mit Vorgängen aus der Vergangenheit befassen und nicht mit Zukunftsfragen. Das wissen Sie genau, meine Damen und Herren.
Wir sind, wenn wir die Aufklärungsarbeit vernünftig machen wollen, auf die Vorlage aller relevanten Akten, auch des Bundesumweltministeriums, angewiesen. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich Herr Gabriel wenigstens hier konstruktiv verhalten wird.
Egal, was der Ausschuss am Ende auch erarbeiten wird, es ist völlig klar: Die Menschen in der Region um die Asse sind verunsichert, sie haben Angst, und für sie ist entscheidend, dass so schnell wie möglich ein für die Bevölkerung und für die Umwelt verlässliches Schließungskonzept vorgelegt wird. Hier ist Herr Gabriel in der Pflicht. Er hat versprochen, das bis Ende des Jahres zu tun. Wir werden ihn beim Wort nehmen.
Morgen werden wir die konstituierende Sitzung des Ausschusses durchführen. Wir werden unserer Mitwirkungspflicht zur Aufklärung nachkommen. Darauf können Sie sich verlassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegen - das ist vorhin zu Recht gesagt worden - Monate oder unter Umständen sogar Jahre einer sehr intensiven Untersuchungsarbeit in diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema Asse II. Eines ist mir besonders wichtig, eben weil die Arbeit so umfangreich ist - ich komme gleich noch einmal darauf, Herr Kollege Tanke -, nämlich dass wir die Dinge sehr systematisch angehen, damit wir am Ende vernünftige Ergebnisse produzieren. Ich habe Angst, dass wir viele Pressemitteilungen herausgeben, viele Pressekonferenzen durchführen, dass aber am Ende des Untersuchungsausschusses eben kein verwertbarer Abschlussbericht herauskommt. Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf auf gar keinen Fall passieren.
Die Argumentation der Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition passt aus meiner Sicht nicht ganz zusammen. Auf der einen Seite wollen Sie heute einen sehr umfangreichen Untersuchungsauftrag auf den Weg bringen. Herr Tanke hat vorhin davon gesprochen, dass das in der Geschichte des Landes ein Untersuchungsauftrag quasi von historischem Ausmaß sei. Auf der anderen Seite sagen Sie, dass einvernehmlich in kürzester Zeit Erkenntnisse vorliegen müssen, die man dann entsprechend verwerten kann, beispielsweise im Rahmen einer Planfeststellung zur Schließung der Asse. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, passt schlicht und einfach nicht zusammen.
Wenn Sie dann davon reden - das hat Herr Tanke vorhin getan -, dass es Ihnen vor allen Dingen um die Übertragbarkeit beim Thema Asse geht, dass es Ihnen am Ende des Tages eigentlich um die Debatte über die Kernenergie in Deutschland und
Ich will dennoch an alle Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses, appellieren, gemeinsam zu arbeiten, damit wir zu einer lückenlosen Aufklärung kommen. Es sollen alle relevanten Akten herangezogen werden. Wie Herr Kollege Langspecht vorhin zu Recht gesagt hat, müssen wir, um die Dinge vernünftig aufarbeiten zu können, vor allem systematisch und eben chronologisch vorgehen. Kein Aspekt darf diesen Untersuchungen entzogen bleiben.
Für uns spielt dabei auch keine Rolle, ob das zunächst die originäre Zuständigkeit des Landes betrifft oder ob die Dinge über die Landesgrenzen sozusagen in den Bund hinausgehen. Gegebenenfalls, meine Damen und Herren, müssen wir den Bundesumweltminister, Herrn Gabriel, eben dazu zwingen und politisch Druck in Berlin ausüben, damit er die relevanten Akten herausrückt und uns vor allen Dingen die Zeugen benennt, die wir für den Untersuchungsausschuss brauchen.
Natürlich haben wir hier nicht alle rechtlichen Möglichkeiten, wie schon in den vergangenen Tagen diskutiert worden ist. Das haben uns auch die Juristen des Landtages gesagt. Unter Umständen kommt am Ende heraus, dass Herr Gabriel eben nicht kooperationswillig ist, nachdem er gerade dem niedersächsischen Umweltminister in den vergangenen Monaten nachweisbar einige relevante Informationen, insbesondere zum Thema Tritium, vorenthalten hat. Wenn er dieses Verhalten fortsetzt, dann, meine Damen und Herren, sehe ich jedenfalls nach der Bundestagswahl keine Möglichkeit mehr, einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag zu verhindern; denn dann muss eben der Bund vernünftig aufklären, weil er ohne Zweifel auf die Akten zurückgreifen kann.
Ich will noch auf etwas hinweisen, insbesondere was die Abläufe im Ausschuss betrifft. Ein solcher Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist, weil er nach der Strafprozessordnung abläuft, einem Gerichtsverfahren ähnlich. Deswegen muss man an dieser Stelle juristisch ganz sauber arbeiten. Ich selbst bin kein Jurist, bin aber froh, dass wir einige Juristen im Ausschuss haben.
Insofern ist das von uns beschriebene und wiederholt angesprochene systematische und chronologische Vorgehen an dieser Stelle alternativlos. Wir müssen aufpassen, dass wir uns an den Fakten orientieren. Und wir müssen vor allen Dingen aufpassen, dass wir am Ende in einem Abschlussbericht nicht die Summe von Hypothesen, von Mutmaßungen wiedergeben, sondern die Schlussfolgerungen, die wir in einem Abschlussbericht ziehen, müssen an Fakten belegbar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ansonsten haben wir nichts erreicht.
Deswegen ist es eben genau wie im Untersuchungsauftrag - das haben wir mit den vier Fraktionen gemeinsam besprochen - wichtig, dass wir uns zunächst um die Voreinlagerungsphase kümmern, dass wir uns darum kümmern, aus welchen Gründen die Asse ausgewählt wurde.
Wir müssen uns ferner richtigerweise um die Einlagerungsphase kümmern. Herr Wenzel hat öffentlich darauf hingewiesen. Wir müssen herausfinden: Welche Abfälle liegen in der Asse? Wie sieht es mit dem Radionuklidinventar aus? Woher kamen die Abfälle?
Wir müssen sicherlich auch hinterfragen, wer im Einzelnen davon profitiert hat, dass es die Asse gab und noch gibt.
Des Weiteren müssen wir uns um das Thema Arbeitssicherheit in der Vergangenheit, aber auch heute kümmern. Das Bundesamt für Strahlenschutz wird am Ende sicherlich gefordert sein, meine Damen und Herren.
In einem dritten Schritt müssen wir die Nacheinlagerungsphase betrachten. Immerhin seit 1978 stellt sich die Frage, warum man sich nicht so richtig um eine sichere Schließung der Asse gekümmert hat. Auch das ist eine wichtige Frage, die wir beleuchten müssen. Darüber hinaus müssen unter Umständen die politischen Verantwortlichkeiten benannt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Akten, die wir heranziehen müssen, betreffen insbesondere den Bund und seine Gesellschaften. Insofern ist der von mir vorhin beschriebene Druck auf den Bundesumweltminister an dieser Stelle auszuüben.
Das Bundesamt für Strahlenschutz als Rechtsnachfolger des Helmholtz-Zentrums München im Besonderen ist dazu aufgefordert, uns seine rele
vanten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab 1964 mit der Asse beschäftigt waren, zu nennen, damit wir ladungsfähige Adressen bekommen können. Ich habe es gestern gegenüber der Presse deutlich gesagt und wiederhole es an dieser Stelle: Um wirklich herauszufinden, was in der Asse liegt, ist mir der Gabelstaplerfahrer aus den 70erJahren, der live dabei war, zehnmal lieber als die deutsche Bundeskanzlerin, so gerne ich sie habe, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde es total interessant, Herr Kollege Tanke, was Sie vorhin gesagt haben, nämlich dass man sich jetzt von SPD-Seite bei der Bundestagsfraktion, bei Herrn Struck darum bemühen würde, dass die Akten kommen. In diesem Zusammenhang muss man sich noch einmal kurz in Erinnerung rufen, wie das in den vergangenen Monaten hier gelaufen ist: Die SPD-Fraktion ist zunächst gegen einen Untersuchungsausschuss gewesen. Herr Jüttner hat das mehrfach öffentlich erklärt. Dann gab es ein Interview des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Sigmar Gabriel, der gesagt hat, im Landtag müsse ein Untersuchungsausschuss her. Daraufhin hatte Herr Jüttner am nächsten Tag auf einmal eine ganz andere Meinung und meinte, ein Untersuchungsausschuss sei doch die richtige Kombination, die man hier vor Ort brauche.
Jetzt wird es ganz interessant: Nun schreibt Herr Jüttner Herrn Struck, dem - wenn ich mich recht erinnere - Fraktionsvorsitzenden der SPD im Deutschen Bundestag, dass er sich um die Akten kümmern solle. Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass die relevanten Asse-Akten in der SPDBundestagsfraktion lagern, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann haben wir einen weiteren Untersuchungsausschuss vor der Tür. Das will ich ganz deutlich sagen.
Nein, Herr Jüttner, das werden wir Ihnen an dieser Stelle nicht durchgehen lassen. Das steht tatsächlich in der Pressemitteilung von gestern.
- Das ist in der Tat lächerlich. - Ich will das, was Sie gesagt haben, einmal zitieren. Sie haben gesagt - ich zitiere aus der Pressemitteilung -: