Protocol of the Session on June 16, 2009

Meine Damen und Herren, das ist der Verlauf der Debatte, wie ich sie in den letzten sechs Jahren erlebt habe. Ihnen allen ging es nicht mehr um eine Sachdebatte, sondern um politische Stimmungsmache.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Richtig! Genau!)

Sie hatten die Europawahl im Kopf, und Sie haben die Europawahl zur Abrechnung über die Schulpolitik ausnutzen wollen.

(Heiner Bartling [SPD]: Ach du lieber Gott!)

Jetzt nach der Analyse der Wahlergebnisse ist offensichtlich, dass dies einfach daneben gegangen ist. Die Menschen lassen sich nicht für dumm verkaufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir über die Weiterentwicklung eines differenzierten gegliederten Schulsystems sprechen, dann gehören die Hauptschulen, die Realschulen und die Gymnasien natürlich mit dazu. Es gehören aber auch die Integrierten Gesamtschulen und Kooperativen Gesamtschulen dazu. Das ist doch unser Ansatz. Wir wollen die Weiterentwicklung aller Schulen. Sie sollen qualitativ, inhaltlich und organisatorisch besser werden. Wir wollen Standorte langfristig sichern. Deswegen dieses Gesetz!

In Ihren Debattenbeiträgen - Frau Heiligenstadt, ich habe es schon beim letzten Mal angemahnt; wahrscheinlich haben Sie deshalb entsprechend reagiert - haben Sie fast ausschließlich über Integrierte Gesamtschulen gesprochen. Ja, das ist eine wichtige Einrichtung. 5 % eines Jahrgangs gehen zu dieser Schule - aber nicht mehr und auch nicht weniger.

(Zuruf von der LINKEN: Entscheidend ist doch der Wille! - Weitere Zurufe!)

Frau Heiligenstadt, Sie klammern jedoch 70 bis 80 % der Schülerinnen und Schüler aus. Allein das spricht gegen Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Auch Integrierte Gesamtschulen werden das Abitur nach diesem Gesetz nach zwölf Jahren vergeben. Die Integrierten Gesamtschulen sind Teil unseres staatlichen Schulsystems. Wir wollen im Sinne eines Gleichheitsgrundsatzes sicherstellen, dass alle allgemeinbildenden Schulen, die das Abitur vergeben, dies in der gleichen Zeit tun. Was kann man ernsthaft gegen diese Gleichheit haben, meine Damen und Herren? Was ist gegen die Umsetzung dieses Gleichheitsgrundsatzes einzuwenden? - Schauen Sie einmal in die anderen europäischen Länder, in denen es vielfach integrierte Systeme gibt! Sie tun das doch auch sonst immer, wenn es um schulpolitische Überlegungen geht und es Ihnen gerade passt. Überall da werden das Abitur oder vergleichbare Schulabschlüsse nach zwölf Jahren vergeben.

(David McAllister [CDU]: So ist es!)

Ich bin ganz sicher, dass unsere Gesamtschulen genauso in der Lage sind, das Abitur für schnell lernende Schüler schon nach zwölf Jahren zu vergeben. Das können die Eltern von Kindern, die eine Integrierte Gesamtschule besuchen, auch erwarten. Das werden sie auch erwarten. Warten Sie die Zeit mal ab, meine Damen und Herren! Die Eltern werden dies einfordern. Das kann ich Ihnen heute schon garantieren. Wer vor diesem Hintergrund immer wieder von einer bewussten Zerschlagung der Gesamtschulen redet, der agiert falsch und böswillig.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Das ist eine Unterstellung!)

Ich wundere mich über die Haltung der SPD. Ich habe es auch beim letzten Mal schon angedeutet. In den Jahren 2003/2004 haben wir hier über das achtjährige Abitur an Gymnasien geredet. Damals hat Ihr Fraktionsvorsitzender Sigmar Gabriel für diese SPD-Fraktion erklärt und gefordert: Auch an Integrierten Gesamtschulen muss man das Abitur nach zwölf Jahren machen dürfen. Wir wollen nicht, dass Integrierte Gesamtschulen auf kaltem Wege ausgehebelt werden. - So Sigmar Gabriel 2004!

Ich habe mindestens vier Zitate von Leitern Integrierter Gesamtschulen mitgebracht. Ihre Kernaussage lautet: Bitte gebt uns das Abitur nach zwölf Jahren! Wir wollen nicht von den Gymnasien abgehängt werden. - Das war 2004, meine Damen und Herren. Die Integrierten Gesamtschulen waren damals genauso strukturiert wie heute. Was da

mals richtig war, wird auch heute nicht gleich automatisch zu einer Zerschlagung der Integrierten Gesamtschulen führen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Bloß nichts dazulernen!)

Sie sollten bei Ihrer Argumentation zu dieser Frage wieder zu Ehrlichkeit und Redlichkeit zurückkehren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass auch SPD-geführte Landesregierungen auf dem gleichen Weg sind wie wir. Wie absurd der Vorwurf ist, wir wollten Integrierte Gesamtschulen bekämpfen, abschaffen oder kaputt machen - was ich hier wieder alles gehört habe -, erkennen Sie doch daran, dass es in Niedersachsen zum 1. August 2009 insgesamt 14 neue Gesamtschulen geben wird. Ihre Argumentation ist also falsch. Hier passt vieles einfach nicht mehr zusammen. Sie argumentieren nur noch für draußen, aber nicht mehr an Sachlichkeit orientiert. Wir alle haben von besorgten Eltern zahlreiche E-Mails erhalten; ich glaube, zum Schluss wohl aber nur noch unsere Fraktion; ich kann es jedoch nicht genau sagen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nein, haben wir alle gekriegt!)

Wir nehmen diese Petitionen sehr ernst, auch wenn die Mails der Eltern oftmals vorgefertigte Texte waren. Es sind ja oft auch gesteuerte Aktionen. Das macht aber nichts. Wir machen jetzt ganz genau das, was wir in den letzten Wochen schon immer angekündigt haben. Es wird zu einer untergesetzlichen Regelung kommen, die es den Integrierten Gesamtschulen ermöglicht, ihre pädagogischen Grundsätze beizubehalten. Damit es hier keine Interpretationsmöglichkeiten gibt, noch einmal Folgendes: „Untergesetzlich“ heißt, dass eine Verordnung oder ein Erlass für die Schulen die gleiche Verbindlichkeit hat wie ein Gesetz.

Jetzt konkret: Bislang war vorgesehen, bei der Umstellung von dreizehn auf zwölf Jahre eine äußere Differenzierung auf drei Leistungsebenen vorzunehmen: A, B und für die schneller Lernenden Z. - Es war gerade dieses Modell, das bei den Eltern zu großen Protesten geführt hatte. Uns wurde vorgeworfen, dass dieses Differenzierungsmodell auf drei Niveaus die Durchlässigkeit gefährde und die Installierung des dreigliedrigen Schulsystems durch die Hintertür in den Integrierten Gesamtschulen bedeute.

Wir schlagen jetzt folgende Neuerung und Erweiterung vor:

In den Integrierten Gesamtschulen gibt es im Regelfall die äußere Differenzierung auf den eben von mir genannten drei Ebenen.

(Ina Korter [GRÜNE]: Ab wann?)

Die Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen erhalten künftig im Rahmen einer eigenverantwortlichen Gestaltung die Möglichkeit, auf Antrag und unter Vorlage eines entsprechenden pädagogischen Konzeptes in den Schuljahrgängen 5 bis 8 auf die äußere Leistungsdifferenzierung zu verzichten. Die besondere Förderung und Forderung wird durch die Maßnahmen der inneren Differenzierung gewährleistet. Meine Damen und Herren, das ist die Neuerung, die jetzt auf untergesetzlicher Ebene durch Erlass geregelt wird.

Das Abitur wird nach zwölf Jahren erworben. Selbstverständlich werden die Vorgaben der KMK eingehalten. Die Schüler erhalten die entsprechenden Lehrerstundenzuweisungen. Ihnen wird also kein Jahr weggenommen, Frau Heiligenstadt - wenn Sie ein bisschen nachdenken, müsste Ihnen das auch einleuchten -, sondern sie kriegen diejenigen Stunden, die ihnen zustehen.

Mit diesem Vorschlag erhalten die Schulen im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit eine Gestaltungsmöglichkeit, wie sie sie in Niedersachsen in der Geschichte der Integrierten Gesamtschulen noch nie hatten, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit, und darüber wollen wir mit den Integrierten Gesamtschulen reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir können auf viele Modelle verweisen, die uns das zeigen. Die Fürstenauer haben uns ihr Modell vorgestellt, Kollege Reinhold Coenen, auf das man aufbauen kann. In Göttingen-Geismar gibt es eine tolle innere Differenzierung. Auch darauf kann man aufbauen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Nein, nein! Da gibt es keine!)

- Es ist anders. Die machen es demnächst in zwölf Jahren. Aber auch diese Möglichkeit besteht jetzt für alle Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen. Wir bitten unsere Kultusministerin, auch Vertreter der Gesamtschulen in die Arbeitsgruppe zu berufen, die jetzt den neuen Erlass zur Arbeit der Integrierten Gesamtschulen schreiben wird.

Damit halten wir alle unsere Zusagen ein, die wir im Laufe der Debatte gemacht haben. Ich bin mir sicher, dass diese Maßnahmen zu einer deutlichen Entspannung der aufgeheizten Diskussion beitragen werden.

Frau Korter oder andere von der Opposition, Sie haben hier fälschlich davon gesprochen, dass wir Nebelkerzen werfen würden. Dies sind keine Nebelkerzen, sondern dies ist die Möglichkeit, die Arbeit in den Gesamtschulen so zu organisieren, wie es die Eltern und die Schulleiter - jedenfalls in den Gesprächen mit mir - immer gefordert haben. Die Schulleiter sagen uns jetzt, das ist der richtige Weg, um wieder zusammenzukommen; wir freuen uns darauf. Die Eltern sagen uns, das ist der richtige Weg, wir freuen uns darauf. Und auch wir sagen, dass wir uns darauf freuen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber mir ist natürlich klar, Frau Korter und Frau Heiligenstadt, dass Sie als Oppositionsfraktionen sich nicht darüber freuen. Sie freuen sich nicht, weil Ihnen ein parteipolitisches Kampfthema abhanden kommt, das Sie in den letzten Wochen in einer Mischung von Halbwahrheiten und unzulässiger Vereinfachung immer wieder angeheizt haben, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Unverschämt!)

Ich möchte nun etwas zu der Vollen Halbtagsschule und der Verlässlichen Grundschule sagen. Hier ist auch der Gleichheitsgrundsatz zu beachten. 1 676 Grundschulen sind Verlässliche Grundschulen, 126 Grundschulen sind noch Volle Halbtagsschulen. Mit der Änderung des Schulgesetzes bewirken wir, dass alle Grundschulen zukünftig nach den gleichen Grundsätzen arbeiten. Ich weiß, wie gut Volle Halbtagsschulen arbeiten - ich habe daran mitgewirkt -, ich weiß aber auch, wie gut Verlässliche Grundschulen arbeiten. Schauen Sie sich einmal die Inspektionsberichte und die Vergleichsarbeiten an. Allen diesen Schulen wird bescheinigt, dass sie gute Arbeit leisten.

Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, es ist unseriös, diese beiden Schulen gegeneinander auszuspielen. Damit werden Sie niemandem gerecht. Das muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Der Wort- bruch liegt bei Ihnen, Herr Klare!)

Die Umwandlung der Vollen Halbtagsschulen in Verlässliche Grundschulen erfolgt zum Beginn des Schuljahres 2010. Damit werden die Schulen genügend Zeit haben, ihre Konzepte umzustellen. Wir unterbreiten den Schulen zudem das Angebot, Ganztagsschule zu werden, also zusätzliche Unterrichtsstunden in ihren Schulen zu erhalten.

Selbstverständlich wird der Unterricht an den Verlässlichen Grundschulen von Lehrkräften erteilt. Dies gilt selbstverständlich auch für den Förderunterricht. Die Betreuung wird von pädagogischen Mitarbeitern erbracht. Gute pädagogische Mitarbeiter an den Schulen sind ein Gewinn für unsere Kinder. Dazu brauche ich gar nicht auf die Praxis in den PISA-Siegerländern zu verweisen. Es reicht, wenn wir in unsere Ganztagsschulen schauen. Auch dort sind außerschulische Partner mit großem Erfolg tätig. Wir wissen doch alle, dass es gut ist, wenn neben Lehrkräften auch andere pädagogische Kräfte an der Erziehung und Bildung mitwirken. Dazu muss man sich doch dann auch bekennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, die Verlässlichen Grundschulen haben seit 2000 ihre Chancen genutzt. Damit sage ich nichts gegen Volle Halbtagsschulen, und damit mache ich den Eltern auch keine Angst. Wir müssen sie auf ihrem Weg mitnehmen.

Hören Sie also bitte auf, mit falschen Behauptungen gegen Verlässliche Grundschulen zu polemisieren. Damit werden Sie niemandem gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen, Herr Jüttner und Frau Heiligenstadt, müssen Sie sich hier nicht als die großen Kämpfer für Volle Halbtagsschulen aufspielen. Schließlich hat die SPD-Landesregierung - mit Ihnen, Herr Jüttner, als Minister - im Jahr 2000 die Umwandlung der Verlässlichen Grundschulen betrieben. Unter Ihrer Regierung sind weit über 50 % der Vollen Halbtagsschulen zu Verlässlichen Grundschulen geworden. Das gehört zur Wahrheit dazu. Da können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)