Protocol of the Session on May 14, 2009

Nächster Redner ist Herr Dürr. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Schachtanlage Asse II ist eine radioaktive Altlast. Da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Die elf Jahre der Einlagerung von 1967 bis 1978 waren ein Fehler. Der von Ministerpräsident Albrecht angeordnete Einlagerungsstopp vor über 30 Jahren war die wahrscheinlich beste Entscheidung in der Geschichte dieses Bergwerks.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dennoch ist es die Aufgabe unserer Generation, diese Altlast sicher zu schließen.

Egal wie wir hier in diesem Hause zu den Dingen stehen, meine sehr verehrten Kollegen, es gibt dazu überhaupt keine Alternative. Die Sicherheit der Menschen und der Umwelt muss im Mittelpunkt unserer Entscheidung hier im Hause stehen. Sie wissen, dass wir einen rückwärts gewandten Untersuchungsausschuss - und nichts anderes kann ein solcher Ausschuss leisten - nicht für das geeignete Mittel halten, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Was sagt denn Herr Nacke dazu?)

Herr Dürr, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Flauger?

Nein, danke. - Aber wir werden diesen Weg mitgehen. Wenn eine qualifizierte Minderheit dieses Hauses einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wünscht, wird es darin eine konstruktive Mitarbeit der Regierungsfraktionen geben.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das sagt ihr je- des Mal!)

Die Motive insbesondere der SPD-Landtagsfraktion, auf einmal einen solchen Ausschuss einrichten zu wollen, sind allerdings interessant. Betroffen sind eigentlich zwei Bundesministerien, das Bundesforschungsministerium und das Bundesumweltministerium. Sie waren oder sind Betreiber der Schachtanlage Asse II. Es ist schon interessant, warum Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einen Untersuchungsausschuss im Land fordert, einen solchen aber auf Bundesebene so vehement ablehnt. Seine Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, verfügt über umfangreiche Informationen. Wenn Herr Gabriel aufklären wollte, könnte er es selbst in die Hand nehmen. Mittlerweile wissen wir, dass das Bundesamt über mehr Informationen verfügt, als der Öffentlichkeit bekannt sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In der vergangenen Woche sind Dinge bekannt geworden, die uns alle haben aufschrecken lassen. Seit Ende letzten Jahres gibt es eine Liste mit 200 Störfällen in der Asse, die offensichtlich in den Akten verschwinden sollte, um sie zu gegebener Zeit öffentlichkeitswirksam zu vermarkten. Das

Bundesamt für Strahlenschutz ist seit Anfang dieses Jahres Betreiber der Schachtanlage Asse II und gleichzeitig im Rahmen der Eigenüberwachung für die Atomaufsicht zuständig. Kleinlaut musste das Bundesamt zugeben, dass ihm die Liste von Anfang an bekannt war, meine Damen und Herren.

(Jörg Bode [FDP]: Hört, hört! - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: So ist es!)

Nach den Einlassungen des Bundesumweltministers in den vergangenen Wochen müssen wir jetzt davon ausgehen, dass er diese Liste bewusst zurückgehalten hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Gabriel wollte steuern, wann die Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Er wollte und will weiterhin der Regiemeister dieser Inszenierung sein.

Das Wort „Unverantwortlichkeit“, Herr Kollege Jüttner, ist in diesem Zusammenhang beinahe schon Schönfärberei. Aber wir werden Herrn Gabriel einen Strich durch seine Rechnung machen.

Bei Herrn Gabriel ist es ja immer das gleiche Prinzip, ob bei der Konzentration des Tritiums, von der das Bundesumweltministerium ebenfalls im Vorfeld wusste, oder beim Thema Verbringung von Laugen in das Bergwerk Mariaglück. Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen: Gabriel hat im Sommer 2008 wörtlich von radioaktiv verseuchtem Wasser gesprochen, das zur Verfüllung der Grube Mariaglück eingelassen wird. Später musste er nicht nur zugeben, dass die Grenzwerte unterschritten waren, sondern er hat die Laugentransporte nach Mariaglück selbst wieder angeordnet, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Bundesumweltminister täuscht die Öffentlichkeit, er trickst an allen Ecken und Enden. Er hält die Dinge zurück, um sich selber bis zum 27. September zu inszenieren. Er spielt mit uns allen ein Spiel, das nur einer Sache dient, seinem eigenen Bundestagswahlkampf hier in Niedersachsen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das kann man, Herr Jüttner, eigentlich nicht einmal mehr „Skandal“ nennen. Das ist tatsächlich ein Missbrauch der Parlamente auf Landes- und Bundesebene! Das ist ein Missbrauch der betroffenen

Menschen! Das ist eine Art der Skrupellosigkeit, wie sie mir noch nie untergekommen ist!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sein jüngstes Opfer ist die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag.

(Gudrun Pieper [CDU]: Vorneweg Herr Jüttner!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich appelliere an Ihre Verantwortung für unser Land: Wir dürfen uns nicht vor den Karren von Sigmar Gabriel spannen lassen! Die Menschen in der Region Wolfenbüttel und in ganz Niedersachsen haben Besseres verdient!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn man heute, im Mai 2009, einmal liest, was vor nicht allzu langer Zeit genau an dieser Stelle gesagt wurde, ist das schon interessant.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: So eine er- bärmliche Verteidigungsstrategie, Herr Dürr, tut schon weh!)

Ich will zitieren:

„Würden wir einen Untersuchungsausschuss einrichten, würden wir sämtliche Strukturen zerstören. Mit einem Untersuchungsausschuss, der ja erst eingerichtet werden müsste, würden wir die Strukturen auf Kreis- und auf Landesebene zerstören.“

Und weiter:

„Eine Lösung, wie sie sich jetzt auf Bundesebene zwischen dem Forschungsministerium, dem Niedersächsischen Umweltministerium und dem Bundesumweltministerium ergeben hat, wäre bei einem Untersuchungsausschuss in ganz weiter Ferne. Genau das wollen wir nicht.“

Markus Bosse am 17. September 2008 an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber es gibt ja noch andere Fundstellen, z. B. folgende:

„Das, was die Grünen in ihrem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert haben, ist weitestgehend aufgeklärt.“

„Es gibt im Übrigen Fragestellungen, die ein PUA in Niedersachsen gar nicht aufklären könnte, weil sie hier überhaupt nicht ressortieren. Ich stelle fest: Das Thema ist aus guten Gründen sozusagen weitergewandert. Die Zuständigkeit für das Ganze liegt jetzt beim Bund. Welchen Stellenwert hat dann eine monatelange Beschäftigung mit den Details? - Die Ergebnisse, die herauskommen könnten, sind klar.

Und weiter:

„Die Frage, die sich uns gestellt hat, ist die Frage des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag. Ich sehe mich heute imstande, eine politische Bewertung vorzunehmen. Wenn Herr Wenzel das nicht kann, weiß ich nicht, warum. Das ist die Konsequenz, die ich daraus ziehe.“

Es geht weiter:

„Herr Wenzel, ich soll Ihnen das von den Mitgliedern meiner Fraktion ausdrücklich sagen, die auch überlegt haben, ob ein PUA sinnvoll sein kann: Die Mitglieder meiner Fraktion möchten von Ihnen öffentlich nicht weiter in dieser Weise vereinnahmt werden. - Das sage ich, damit das klar ist.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Björn Försterling [FDP]) “ Das war Wolfgang Jüttner am 17. September 2008 in diesem Hause. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Jüttner, der Grund für diesen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist doch nicht ein plötzlicher Meinungswechsel des Fraktionsvorsitzenden der SPD hier im Landtag. Herr Jüttner, ich will es deutlich sagen, weil es auch nach der heutigen dpa-Meldung über den Streit in der SPD Niedersachsen nicht anders gesagt werden kann:

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Jetzt kommt der Wahlkampfteil der Rede oder geht es jetzt zur Sache?)

Es ist Ihre politische Schwäche in Ihrer Fraktion und in Ihrer Landespartei!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Uns ist ja bewusst, welcher innerparteiliche Druck dort aufgebaut worden ist.