Meine Damen und Herren, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel führte am 1. Mai aus, dass das Aktenmaterial, das Helmholtz dem Bundesamt für Strahlenschutz überlassen hat, nicht das Niveau hat, das wir in Deutschland kennen und für notwendig erachten. Ähnlich äußerten sich schon im Jahr 2007 BfS, LBEG und NMU. Da drängt sich die Frage auf: Warum hat niemand von denen vorher gehandelt?
Auch die regionale Asse-Begleitgruppe ist an die Fraktionen herangetreten. Wir werden ihre Fragen selbstverständlich aufnehmen. Ich denke, die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Optionenvergleich unterstützen.
Ich möchte aber auch noch darauf hinweisen, dass es im Land Niedersachsen für die Arbeit von Untersuchungsausschüssen bisher nicht, wie dies auf Bundesebene und in anderen Bundesländern der Fall ist, die erforderlichen Rahmenbedingungen gibt, weder strukturell noch finanziell. Wo das fehlt,
Im Übrigen kann ich die Frage der CDU-Fraktion durchaus nachvollziehen, warum Bundesumweltminister Gabriel nicht auf Bundesebene einen Untersuchungsausschuss befürwortet. Von der Zuständigkeit her hätte dies nahegelegen. Ich finde es aber geradezu entzückend, dass das Koalitionsumwelttandem Dürr/Bäumer offensichtlich Appetit auf einen Untersuchungsausschuss bekommt, sogar mit erheblichem Speichelfluss, wenn es darum geht, den Ministern des politischen Gegners am Zeug zu flicken.
Das ist beinahe menschlich. Aber Vorsicht, meine Herren Atomromantiker! Sind Sie so sicher, dass ausgerechnet in Ihrem CDU/FDP-Keller keine Leichen vorhanden sind? - Die fallen dann möglicherweise denjenigen Ministern auf die Füße, die von Ihrer Seite her in dem ganzen Murks mitgerührt haben.
„Die Asse - ein Dreckloch voller Risse“ titelte vorgestern die Neue Presse aus Hannover, den Nagel wirklich auf den Kopf treffend. Zu heilen ist das nicht.
- Ich bin sofort fertig. - Schadensbegrenzung vielleicht. Aber wir brauchen vollen Durchblick, vorbehaltlos und schonungslos. Wir brauchen das Ende von Gorleben und der ganzen unbeherrschbaren Atomtechnik. Packen wir es an! Fangen wir an zu bohren! Glück auf!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was wir hier gehört haben - vor allem auch von Herrn Jüttner -, ist schon ziemlich abenteuerlich. Dass Sie, Herr Jüttner, sich hier jetzt als Oberaufklärer darstellen, ist schon ein starkes Stück.
Bei aller Aufgeregtheit sollten wir uns darüber im Klaren sein, worum es hier überhaupt geht. In der Asse schlummern jetzt 125 000 Fässer schwach radioaktiver Abfälle und ca. 1 300 Fässer mittel radioaktiver Abfälle. Diese Fässer wurden in der Zeit von 1967 bis 1978 eingelagert, das letzte Fass also vor 31 Jahren. Das ehemalige Salzbergwerk ist heute ganz zweifellos zu einer Altlast mit ganz massiven Problemen geworden. Das können wir auch nur mit Erschütterung zur Kenntnis nehmen: korrodierende Fässer, mangelhafte Standsicherheit und Laugenzuflüsse, die zum Teil mit Cäsium 137 kontaminiert sind.
Um es von vornherein klarzustellen: Für das Desaster der Asse sind viele verantwortlich. Politik, Betreiber, Behörden, aber auch Forschung und Wissenschaft haben hier versagt. Wir hätten heute mit größter Wahrscheinlichkeit ein Vielfaches an Fässern mehr in der Asse, wenn nicht der ehemalige Ministerpräsident Dr. Albrecht aufgrund seiner Sicherheitsbedenken im Jahr 1978 die Notbremse gezogen hätte - und zwar entgegen den Absichten der damaligen Bundesregierung - und auf einem ordnungsgemäßen atomaren Planfeststellungsverfahren und auf der jederzeitigen Rückholbarkeit aller Fässer bestanden hätte, meine Damen und Herren.
Seit gut einem Jahr haben wir in einer Vielzahl von Sitzungen des Umweltausschusses die zweifellos beunruhigenden Vorkommnisse in der Asse thematisiert: Laugenkontaminationen, Grenzwertüberschreitungen beim Cäsium, Abpumpen der kontaminierten Salzlauge auf die 950-m-Sohle ohne strahlenschutzrechtliche Genehmigung und auch die Kommunikationsdefizite zwischen dem Landesbergamt und dem Umweltministerium. Hier hat - auch das sage wir in aller Deutlichkeit - das Umweltministerium - ich denke, das kann man wirklich so feststellen - vorbildlich gearbeitet und die einzelnen Sachverhalte unter Zugrundelegung der Aktenlage nach bestem Wissen und Gewissen aufgeklärt. Auch das gehört zur Wahrheit.
Herr Wenzel, was Sie hier aufführen, lässt schlichtweg nur den Schluss zu, dass Sie bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzender manchmal Wahrnehmungsstörungen haben. Das sage ich einmal in aller Offenheit.
Was die Aufklärung durch das Umweltministerium betrifft, danken wir noch einmal insbesondere Herrn Staatssekretär Dr. Birkner ganz herzlich, der sich auch persönlich stark engagiert und uns umfassend informiert hat.
Ferner sind wir der Überzeugung, dass auch alle weiteren Fragen, die mit der Asse zusammenhängen - z. B. die Fragen zum Inventar und zur Standsicherheit, aber auch zur Arbeitssicherheit der Bediensteten -, durchaus auch weiterhin im Umweltausschuss aufgeklärt werden könnten. Dies ist bis vor Kurzem auch die Auffassung der SPD gewesen. Herr Jüttner hatte ja selbst erklärt, dass es aufgrund der intensiven Arbeit des Umweltausschusses keinen Bedarf für einen Untersuchungsausschuss gebe. Wörtlich wird er in der Osnabrücker Zeitung vom 10. September 2008 zitiert:
„Mit einer politischen Schlammschlacht und gegenseitigen Schuldzuweisungen über die nächsten Monate hinweg würden wir wertvolle Zeit verlieren und den Menschen in der betroffenen Region nicht weiterhelfen.“
Herr Jüttner weiter: Die Konzentration müsse nun der Lösung der drängenden Probleme in der Asse gelten. - Herr Jüttner, dies war eine klare Ansage. Vor allem war es durchaus anzuerkennen - auch das sagen wir ganz deutlich -, dass Sie gleichzeitig auch eigene Versäumnisse zu Ihrer Zeit als Umweltminister von 1998 bis 2003 eingeräumt haben. Ihr Eingeständnis, Sie hätten nicht dafür gesorgt, dass die Asse nach Atomrecht statt nach Bergrecht behandelt wurde, ist allemal bemerkenswert.
Man fragt sich jetzt natürlich, warum die SPD zu dieser Kehrtwendung gekommen ist und nunmehr, wie man hört, nach quälerischen Diskussionen
doch noch einen Untersuchungsausschuss will. Angeblich neue Funde, nämlich Tierkadaver, arsenhaltige Pflanzenschutzmittel und Abfälle der
Bundeswehr, so war zu lesen, hätten jetzt diesen Sinneswandel bewirkt. Dabei kommt es natürlich überhaupt nicht mehr darauf an, dass diese Funde längst in einem Abschlussbericht der GSF aufgeführt worden waren und dieser Abschlussbericht dem BMU bereits im Frühjahr 2007, also vor zwei Jahren, zugestellt wurde. Dieser Abschlussbericht ist im Übrigen auch ins Internet eingestellt worden.
Es kommt bei der SPD und bei den Grünen auch nicht mehr darauf an, dass das Verbringen der Tierkadaver - es handelt sich um radioaktiv kontaminierte Versuchstiere - bereits in einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 5. April 1967, also von vor 42 Jahren, öffentlich gemacht worden war. Auch das ist ein alter Hut. Vor allem ist das Verbringen dieser Tierkadaver sowie der Abfälle der Bundeswehr nach den damaligen Vorschriften völlig legal entsorgt worden.
Als ehemaliger Minister, Herr Jüttner, wissen Sie natürlich um diesen Sachverhalt. Entsprechend antworteten Sie auch auf eine Frage eines Journalisten, was man jetzt an Erkenntnissen von einem Untersuchungsausschuss zur Asse erwarten könne. Dazu sagte Herr Jüttner wörtlich: „Das müssen Sie Herrn Gabriel fragen.“
Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen. Allerdings dürfte hier der eigentliche Grund zu sehen sein, warum die SPD jetzt den Untersuchungsausschuss will. Gabriel erklärte am 18. April 2009 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, dass wöchentlich etwas Neues aus der Asse hochkocht. Wir kennen natürlich Herrn Gabriel und wissen, wie er gelegentlich auch mit der Wahrheit umgeht.
All das, was angeblich neu hochkocht, liegt seit, wie gesagt, zwei Jahren in seinem Ministerium, aufgelistet in dem Abschlussbericht, vor. Hier einzelnes Inventar herauszugreifen und als etwas Neues zu verkaufen, ist schon ziemlich dreist, meine Damen und Herren.
Dass es Herrn Gabriel eben nicht um die Sache geht, sondern darum, Hysterie zu erzeugen, Ängste zu schüren und die Menschen bewusst und gezielt zu verunsichern, das haben wir im Zusammenhang mit dem Verbringen von Lauge zur Verfüllung gerade der Bergwerke in Niedersachsen im Ausschuss leider feststellen müssten. Mit seiner unglaublichen Behauptung, es werde radioaktiv verseuchtes Wasser in die Bergwerke gepumpt, hat er ganz bewusst den Eindruck erwecken wollen, dass hier Grenzwerte überschritten seien und etwas Rechtswidriges passiere. Natürlich war das eine bewusste Falschmeldung, weil es Herrn Gabriel, aber auch Herrn Wenzel, der allen Ernstes behauptet, in der Asse würden auch hochradioaktive Abfälle eingelagert, nicht darum geht, Sachaufklärung zu betreiben und eine sachliche Debatte über die Vorgänge in der Asse zu führen. Ihnen geht es ganz allein darum, die Menschen aufzuhetzen und hier im Land eine Katastrophenstimmung zu verbreiten.
- Ja, es ist so. - Herr Gabriel ist nichts weiter als eine Paniklokomotive. Er hat den innerparteilichen Machtkampf gegen Herrn Jüttner gewonnen.
Dass Herr Gabriel - die Asse liegt ja auch in seinem Wahlkreis - so von Berlin in Ihre Landtagsfraktion hineinregiert, Herr Jüttner, ist schon bemerkenswert und spricht von einem ziemlich armseligen Selbstbewusstsein Ihrer Fraktion.