Protocol of the Session on May 14, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass dazu noch mehr gesagt wird. Der Ministerpräsident hat hier eben gesagt, er rechne damit, dass uns die Haushalte um die Ohren fliegen. Er hat auch einige Beispiele dafür genannt, welche Belastungen in Zukunft auf uns zukommen. Man könnte diese Belastungen noch um die zu erwartenden riesigen Zuschüsse für den Gesundheitsfonds in der Zukunft, um die Liquiditätsunterstützung für die Bundesagentur für Arbeit usw. ergänzen. Angesichts dessen frage ich die Landesregierung, wie sie es eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln will, dass sie ihnen einerseits Steuersenkungen verspricht und andererseits für eine Schuldenbremse eintritt. Das ist aus meiner Sicht die Quadratur des Kreises. Dafür möchte ich hier gern eine Erklärung hören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Föderalismuskommission II waren wir uns mit den Vertretern der Grünen darüber einig, dass die ständige Neuverschuldung keine nachhaltige Finanzpolitik ist und dass wir daher möglichst ein Schuldenverbot oder eine Schuldenbremse vorsehen sollten. Von dem Wort „Schuldenbremse“ halte ich nicht allzu viel, denn dieses Instrument gibt es nur in einigen Kantonen in der Schweiz, und dort hat man die Schuldenbremse sofort wieder außer Kraft gesetzt, als sie das erste Mal hätte wirken sollen. Wir haben vorgestern hier einen Vortrag von Herrn Professor Schneider gehört, der sich dazu ebenfalls geäußert hat. Es ist ja so gewesen, dass ein Verschuldungsverbot bis 1969 im Grundgesetz und bis 1972 in der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung gestanden hat. Es beinhaltete, dass Schulden nur im äußersten Notfall oder für Ausgaben für werbende Zwecke - also etwa für Investitionen, die sich selber refinanzieren; so habe ich es jedenfalls verstanden - aufgenommen werden dürfen.

Das hatte zur Folge, dass bis 1970 die gesamte Staatsverschuldung - die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland, der damaligen elf Bundesländer und aller damals in der Bundesrepublik existierenden Gemeinden und Landkreise - 125 Milliarden DM, also etwa 63 Milliarden Euro betrug.

Heute liegen allein das Land Berlin oder das Land Nordrhein-Westfalen deutlich darüber. Wir sind auch nicht weit davon entfernt. Erst danach hat man in der damaligen Großen Koalition angefangen, die Verschuldungsregeln zu ändern. Man hat gesagt: Man darf Schulden auch für Investitionsausgaben machen. Dies geschah in der Annahme, dass bei ständigem Wachstum die Zahlung der Zinsen möglich wäre, was wiederum ein Leben auf Kosten zukünftiger Generationen bedeutet; denn wenn das Wachstum, das die zukünftigen Generationen erzielen, dafür benutzt wird, dass die Zinsen für das bezahlt werden, was ich im Moment ausgebe, so kann das natürlich auch nicht gerecht sein. Deshalb wollen wir zu dem früheren Zustand zurückkehren.

Bei der Einigung in der Föderalismuskommission II haben wir allerdings auch Ausnahmen vorgesehen. Eine Ausnahme bildet z. B. die Verschuldung in konjunkturellen Krisenzeiten. Allerdings soll - das halte ich auch für richtig - die Abzahlung der dann gemachten Schulden ebenfalls vorgesehen werden. Bisher sind wir immer so verfahren, dass neue Schulden jeweils auf alte Schulden daraufgesetzt wurden, ohne dass wir jemals etwas getilgt haben. Gestern oder vorgestern ist in einer Diskussion gesagt worden, dass das Problem nicht darin besteht, Schulden zu machen, sondern darin, dass wir nie etwas getilgt haben. Herr Jüttner, ich glaube, Sie waren es, der das gesagt hat.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist das Problem!)

- Genau, Herr Jüttner, das ist das Problem. Tilgen können Sie aber erst, wenn Sie aufhören, neue Schulden zu machen. Erst dann können die Schulden zurückgezahlt werden. Dorthin müssen wir wieder kommen.

Wir müssen natürlich ein Steuersystem haben, das in der Lage ist, die Menschen zu motivieren, Geld zu verdienen. Wir werden nie ein gerechtes Steuersystem bekommen, weil es keine gerechten Steuern gibt. Das ist nun einmal so.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber ge- rechtere Steuern!)

- Es gibt auch nicht gerechtere Steuern. Vielmehr ist es so, dass man sich politisch auf Steuern einigt, die dann die Gesamtheit der Bevölkerung aufbringen muss, um den Staat, der ja auch aus der Gesamtheit der Bevölkerung besteht, zu finanzieren.

(Zuruf von den LINKEN: Ein schöner schwammiger Begriff!)

Wir werden in der nächsten Legislaturperiode in Berlin hoffentlich eine Steuerreform bekommen, die die Besteuerung zwar nicht einfach macht, sie aber etwas vereinfacht und die die Ungerechtigkeit, dass die mittleren Leistungsträger, die Facharbeiter, die meisten Steuern bezahlen, etwas abbaut. Wir werden immer Steuern zahlen müssen; denn sonst kann der Gesamtstaat nicht funktionieren.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt!)

Man kann natürlich darüber diskutieren, wie hoch die Steuern im Einzelfall sein müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Kollegin Geuter von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Haushaltssperre nicht annähernd ausreichen wird, um die zu erwartenden Einnahmeausfälle zu kompensieren, frage ich die Landesregierung: Gibt es Überlegungen, einige der geplanten Investitionen zur Disposition zu stellen, und wie weit sind diese Überlegungen gediehen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Frage habe ich schon im Haushaltsausschuss beantwortet. Wir können nicht auf der einen Seite ein Konjunkturprogramm auflegen, in dem wir zusätzliche Investitionen vorsehen - das Wort „zusätzlich“ bedeutet ja, dass wir daneben auch die Investitionen tätigen, die bisher vorgesehen sind -, und auf der anderen Seite jetzt voll auf die Bremse treten, um Arbeitsplätze zu vernichten. Das wäre sehr kontraproduktiv. Darauf hat der Ministerpräsident gerade hingewiesen. Es ist richtig, die Investitionen zu tätigen, um die Arbeitsplätze zu stabilisieren bzw. neue Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb wird es das bei den Investitionen nicht geben.

Ich habe auch schon im Haushaltsausschuss ausgeführt, dass diese Haushaltssperre naturgemäß nicht ausreichen wird, die erwarteten Steuermindereinnahmen auf der Ausgabenseite auszugleichen. Andererseits höre ich, nachdem die Haushaltssperre seit wenigen Tagen in Kraft ist, jetzt schon, dass in einigen Bereichen der Weltuntergang droht. Das kann eigentlich noch nicht der Fall sein, weil die Haushaltssperre gerade vier Wochen alt ist. Manchmal hat man den Eindruck, dass der Tsunami kommt und einige noch versuchen, am Strand mit Handtüchern die Liegen in der ersten Reihe zu besetzen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist aber makaber!)

Wir müssen uns schon einigen, welchen Weg wir gemeinsam gehen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Kollege Dreyer von der CDU-Fraktion stellt eine weitere Zusatzfrage.

(Markus Brinkmann [SPD]: Das ist doch jetzt ein Bildungspolitiker!)

Lieber Kollege Brinkmann, als Diplom-Ökonom hat man natürlich Erfahrung in Sachen Wirtschaft.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Vorbemer- kungen sind hier nicht gestattet!)

Da die Landesregierung in ihrer Antwort noch einmal auf die Neuverschuldungssituation in 2002/2003 hingewiesen hat, frage ich sie, wie damals das wirtschaftliche Umfeld war, und bitte um Erläuterung.

(Beifall bei der CDU - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Was können wir dar- aus lernen?)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten damals die Situation, dass es durch gewollte und ungewollte Folgen der damaligen Steuerreform Steuerausfälle in Höhe von etwa 2 Milliarden Euro gab. Dabei sind viele Fehler gemacht worden - das will ich nicht kritisieren -; das hat man hinterher auch eingesehen. Aber damals

hat man darauf weder mit Ausgabensperre noch mit Haushaltssperre noch mit Vorsorge reagiert, sondern im Jahre 2002 einen Finanzierungsnachtrag aufgelegt, der meines Wissens am 15. Dezember verabschiedet worden ist und noch nicht einmal das zu erwartende Defizit abgedeckt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Dr. Siemer von der CDU-Fraktion stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der sehr sorgfältigen Haushaltspolitik der Landesregierung

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Kurt Herzog [LINKE]: Bitte noch einmal!)

frage ich, zu welchen Mehrausgaben die Vorschläge der Opposition führen würden und wie diese Vorschläge der Opposition für Mehrausgaben und zusätzliche Maßnahmen den Haushalt belasten würden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Fragen Sie doch einfach uns! - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

Herr Minister Möllring, bitte!

Die Forderungen der Opposition führen Gott sei Dank nicht zu Mehrausgaben, weil sie vernünftigerweise von der Mehrheit jeweils abgelehnt werden.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Dr. Althusmann von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Herr Minister, welche Maßnahmen hat die Landesregierung bereits im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2009 ergriffen, um die sich schon frühzeitig für den Landeshaushalt abzeichnenden Einnahmeausfälle möglichst abzufedern bzw. davor zu schützen?

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das würde mich allerdings auch interessie- ren!)

Wie beurteilen Sie eigentlich die offensichtliche Schadenfreude der Opposition auf dieser Seite angesichts einer dramatischen Situation für alle öffentlichen Haushalte in Deutschland?

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Unverschämter Vorwurf! - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Unruhe)

Herr Minister Möllring, bitte!