Protocol of the Session on May 13, 2009

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen also zukunftsfähige innovative Alternativen in der öffentlich geförderten Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen perspektivisch keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben bzw. der für sie nicht besteht. Eine solche Alternative ist der Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor.

(Beifall bei der LINKEN)

In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gibt es ihn bereits, und zwar mit großem Erfolg.

Wir fordern daher die Landesregierung auf, bis Ende dieses Jahres erst einmal 5 000 Vollzeitstellen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu schaffen. In den Folgejahren muss dieser Umfang deutlich ausgeweitet werden.

Diese Vollzeitstellen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sind natürlich sozialversicherungspflichtig und tarifgebunden. Es wird mindestens ein Gehalt von 1 400 Euro gezahlt.

Diese Vollzeitstellen sind krisensicher; denn parallel zur anhaltenden Massenarbeitslosigkeit existiert ein umfangreicher Bedarf an gesellschaftlich notwendiger Tätigkeit im sozialen, medizinischen, kulturellen, ökologischen und im Bildungsbereich, der gegenwärtig nicht gedeckt wird, kurz: im Nonprofitbereich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vergabe dieser öffentlich geförderten Vollzeitstellen soll transparent und nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen. Begleitende Qualifizierungsmaßnahmen sollen dazu beitragen, Arbeitsplatzanforderungen und persönliche Voraussetzungen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Übereinstimmung zu bringen.

Um diese Vollzeitstellen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu finanzieren, sollten vor allem die im Rahmen des Sozialgesetzbuches II vorgesehenen passiven Leistungen wie Grundsicherung und Kosten der Unterkunft sowie aktive Leistungen bei Erwerbslosigkeit zusammengeführt werden. Ergänzt wird dies durch staatliche Zuschüsse.

Unsere Gesellschaft, meine Damen und Herren, sollte es sich nicht leisten, einen wachsenden Teil der Bevölkerung sehenden Auges der Perspektivlosigkeit zu überlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher wird es sich in jedem Fall lohnen, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor ist dafür ein gangbarer Ansatz.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile nun dem Kollegen Schminke von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Idee, öffentliche Beschäftigung durch Anreiz zu fördern, ist insbesondere für den zweiten Arbeitsmarkt nur dann sinnvoll, wenn sie die betroffenen Menschen mit Bildung, Ausbildung und Weiterbildung auf das Erwerbsleben vorbereitet, wenn Mitnahmeeffekte vermieden werden und vorhandene Beschäftigung nicht gefährdet oder gar verdrängt wird und wenn sie irgendwann in den ersten Arbeitsmarkt einmündet, meine Damen und Herren. Nur dann ist es sinnvoll.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind uneingeschränkt dafür, alle Mittel und Wege auszuloten, um Langzeitarbeitslose aus ihrem Schicksal herauszuholen. Allerdings lehnen wir Konzeptionen strikt ab, die den Leuten nicht weiterhelfen, weil sie sich mit diesen Maßnahmen wie in einem Hamsterrad ständig drehen, ohne das eigentliche Ziel, den ersten Arbeitsmarkt, überhaupt erreichen zu können. Damit helfen wir den Leuten überhaupt nicht, Frau Weisser-Roelle. Darum lehnen wir diesen Antrag heute entschieden ab.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung hat sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht, indem der erste Arbeitsmarkt durch das verlängerte Kurzarbeitergeld einschließlich der Erstattung des 50prozentigen Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung bei Kurzarbeit spürbar entlastet wurde. Das war eine gute Entscheidung, wie wir meinen.

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Nein. - Ich glaube, das ist in diesem Hause völlig unbestritten.

Bis Ende 2010 werden im Bundeshaushalt 1,2 Milliarden Euro für die Aktivierung und Qualifizierung von Arbeitsuchenden bei Trägern der Grundsicherung eingesetzt. Weitere 770 Millionen Euro werden der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt. Das ist in der Tat, wie wir meinen, gut investiertes Geld, weil es präventiv wirkt.

Exakt solche Ansprüche haben wir Sozialdemokraten, wenn wir öffentliche Gelder einsetzen, meine

Damen und Herren. Genau das macht den Unterschied zu Ihnen und zu dem aus, was Sie in Ihrem Antrag durchzubringen versuchen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen nicht dauerhaft wie Sie subventionieren, ohne konkret für die Menschen etwas zu bewirken. Darum lehnen wir den Antrag ab.

Die Linken wollen gesellschaftlich sinnvolle Arbeit - dies haben Sie gerade betont - im Nonprofitbereich, die öffentlich steuerlich finanziert und vornehmlich staatsfern organisiert werden soll; dies haben Sie hier gesagt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist klug!)

Die Träger der freien Wohlfahrtspflege, Sozialprojekte, Bürgerinitiativen und Vereine sollen Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten. Es soll ein Beschäftigungszuschuss von bis zu 75 % des tariflichen Arbeitsentgelts - dies haben Sie gerade gesagt -

(Beifall bei der LINKEN)

durch die Träger gewährt werden. Ich frage Sie, Herr Dr. Sohn: Wer trägt dann die anderen 25 % der Kosten. Die von Ihnen vorgeschlagenen Arbeitgeber haben die notwendigen Mittel in der Regel ohnehin nicht. Sie haben die Mittel auch nicht nach 12 oder vielleicht 24 Monaten, wenn die Maßnahme zu Ende ist. Was folgt dann? Wer zahlt dann?

Wenn wir Ihrem Berliner Modell folgen würden, müsste die öffentliche Hand

(Zuruf von Kreszentia Flauger [LIN- KE])

- das haben Sie ja vorgeschlagen - die Kofinanzierung über Steuergelder sicherstellen. Wir werfen die Frage auf: Wie viel Geld benötigen Sie denn für 5 000 Stellen, die Sie aus dem Konjunkturpaket II insgesamt fördern wollen? - Keine Antwort!

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Wie hoch setzen Sie denn die Vollzeitlöhne an? Sie sprachen eben von Tariflöhnen. Keine Antwort! Sie können diese Fragen selber nicht beantworten. Genau diese Fragen müssen wir aber beantwortet bekommen, bevor wir uns auf solche Spielchen einlassen.

Wir kommen zu dem Ergebnis, dass Sie zwar nach außen hin wieder sagen, Sie wollten Gutes bewir

ken, dass Sie aber erneut keinen Plan haben, woher das benötigte Geld eigentlich kommen soll. So geht es nicht. Das ist keine anständige und vernünftige Politik.

(David McAllister [CDU]: Das ist eine ganz neue Erkenntnis bei Ihnen!)

Unsere Fragen konnten Sie auch im Ausschuss nicht beantworten. Ganz ehrlich gesagt: Nur dicke Backen, weil man auf der moralischen Ebene diskutieren will, führen in der Praxis zu nichts, Herr Dr. Sohn. Was Sie machen wollen, bedeutet Finanzchaos bei Wolkenkuckucksheim. Einen solchen Antrag können wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Zu dem Beitrag von Herrn Schminke liegt mir die Wortmeldung zu einer Kurzintervention von Herrn Humke-Focks vor. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne es aus anderen Zusammenhängen, dass gerade eine sich als links stehend bezeichnende Person wie ein Gewerkschaftsfunktionär vorgeschickt wird, um eine Speerspitze gegen linke Positionen zu bilden. Das wundert mich nicht. Das Bild vom Hamsterrad ist vollkommen falsch. Die Projekte, die gefördert werden sollen, sind vernünftige Projekte im Nonprofitbereich. Gerade Vereine, Verbände etc. würden davon profitieren. Auch wenn das Land die fehlenden 25 % der Mittel tragen würde, würde es noch sparen, weil viele Ausgaben, die langfristig anfallen würden, wegfielen. Von einem Spielchen der Linken zu reden ist ungeheuerlich, insbesondere wenn ein Gewerkschafter sich so äußert. Wenn Sie einem Kurs gegen Ehrenamt und Entprofessionalisierung von Arbeit und dem Ausbluten von Vereinen und Verbänden Vorschub leisten und sich damit zur Speerspitze gegen linke Politik machen, ist das eigentlich erbärmlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau König von der FDP-Fraktion hat das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor ist kein probates Mittel, um Menschen langfristig in sozialversicherte Beschäftigung zu bringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ganz im Gegenteil, dann würden einige Ausgewählte bevorteilt und andere benachteiligt. Ich möchte einfach einmal fragen, nach welchen Kriterien Sie die 5 000 Menschen auswählen wollen. Dieser Kreis umfasst ja sicherlich nicht alle, die übrig geblieben sind. Ist das dann Ihr Klientel? Oder wie soll ich es interpretieren?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das sind die am schwersten Vermittelbaren!)