Man gibt sich hier Mühe und versucht, die Fragen sachlich zu beantworten, aber Sie vollführen hier ein Schauspiel.
Weitere Nachfragen zu der ersten Mündlichen Anfrage liegen nicht vor. Bevor ich die zweite Frage aufrufe, hat Herr Kollege Jüttner nach § 76 der Geschäftsordnung das Wort. Herr Kollege Jüttner, Sie wissen, was Sie in diesem Rahmen sagen dürfen. Ich brauche Ihnen das nicht noch zu verlesen. Sie haben das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Herrn Sander eben den Vogel gezeigt habe. Das war nicht in Ordnung. Zur Erklärung dessen, was mich so aufgebracht hat, möchte ich zwei Sätze hinzufügen.
Herr Sander hat zum Ausdruck gebracht, dass wir ein Zwangsgesetz verabschiedet haben, das vor Gericht gescheitert ist. Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht 1998 die Abfallabgabe in mehreren Bundesländern - auch CDU-regierten Bundesländern - einkassiert hat, weil aufgrund von Bundesrecht landesrechtliche Möglichkeiten nicht mehr gegeben waren. Das galt für SPD-regierte Länder ebenso wie für CDU-regierte Länder. Dass die Tatsache, dass wir 1990 einen mit der Wirtschaft auf freiwilliger Basis vereinbarten Fonds haben auslaufen lassen und dass wir ihn wie Baden-Württemberg in ein Gesetz überführt haben, von Herrn Minister Sander nun genutzt wird, um so zu argumentieren, dass im Jahre 2009 die Wirtschaft deshalb keine freiwillige Vereinbarung mehr mit dem Umweltministerium eingehen könne, dass wir also aufgrund des Verfahrens aus dem Jahre 1990 schuld daran seien, dass die Wirtschaft mit ihm heute keine Vereinbarung treffen könne, kann ich mir nicht vorstellen. Ich dachte, Ihr Einfluss sei gewichtiger.
„Firmen wollen weniger Bürokratie - Mittelständler geben schwarz-gelber Landesregierung schlechte Noten“
Diese Frage wird von Herrn Kollegen Will und weiteren Mitgliedern der SPD-Landtagsfraktion gestellt. Zur Einbringung hat sich Herr Will gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Firmen wollen weniger Bürokratie - Mittelständler geben schwarz-gelber Landesregierung schlechte Noten“ war der Titel eines Artikels vom 6. März 2009 in der Neuen Presse. Im Mittelstandsbarometer der Beratungsfirma Ernst & Young haben 44 % der befragten niedersächsischen Unternehmen die Arbeit der Landesregierung als schlecht oder eher schlecht bewertet. Damit belegt Niedersachsen nur noch Platz 12 aller 16 Bundesländer bei der Zufriedenheit des Mittelstandes mit seiner Landesregierung. Besonders die Bereiche Bildungspolitik und Infrastruktur wurden in Niedersachsen schlecht bewertet. „Bildungspolitik ist regelmäßig ein Stein des Anstoßes“, sagte der Autor der Studie.
Obwohl ein Großteil der Befragten mit den langfristigen Rahmenbedingungen des Landes zufrieden ist, wünschten sich die Unternehmen einfachere, unbürokratischere und verlässliche Strukturen.
Die Landesregierung hatte bereits im Jahr 2004 einen Beschluss zur Einsetzung einer Projektgruppe Entbürokratisierung gefasst, die ursprünglich im zweiten Quartal 2005 ihre Ergebnisse vorstellen sollte. Tatsächlich konnte die Staatskanzlei erst am 17. Oktober 2006 einen eher enttäuschenden Zwischenbericht vorlegen. Die Erfolge der Projektgruppe werden offenbar auch von der Wirtschaft kritisch betrachtet. In der Zeitschrift Die Baustelle, Ausgabe Februar 2008, äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen, Hans Espel, folgendermaßen:
„Die abgeschafften Vorschriften kennt keiner, weil sie offenbar keine praktische Relevanz hatten. In der letzten Legislaturperiode hat sich der jährliche Umfang des Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblattes von 476 auf 785 Seiten verdickt.“
1. Wie erklärt sich die Landesregierung die stark gestiegene Unzufriedenheit gerade des Mittelstandes mit ihrer Arbeit?
2. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung angesichts der Kritik aus dem Mittelstand für ihre künftige Schulpolitik, die Verbesserung der Infrastruktur und den Bürokratieabbau?
3. Welche greifbaren Erfolge, die bei der Wirtschaft auch tatsächlich entlastend wirken, hat die Arbeit der Projektgruppe Entbürokratisierung in den letzten Jahren vorzuweisen, und welche weiteren Ziele werden verfolgt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Jahr 2003 veröffentlicht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young jährlich das sogenannte Mittelstandsbarometer. Dabei handelt es sich um die Ergebnisse einer telefonischen Befragung des - so die Verfasser - gehobenen Mittelstandes. Befragt wurden Unternehmen mit einer Zahl von 30 bis immerhin 2 000 Beschäftigten. Kleinere Unternehmen, die ja bekanntlich den bei weitem überwiegenden Teil unserer mittelständischen Wirtschaft ausmachen, blieben also außer Betracht. Das Schwergewicht der Befragung lag deutlich im Bereich der Dienstleistungswirtschaft. Immerhin 70 % der befragten Unternehmen kommen aus dem Bereich Dienstleistungen und Handel. Aus dem gewerblichen Bereich kamen lediglich 30 %. Auch das sollte man bei der Bewertung der Ergebnisse nicht außer Acht lassen.
Die aktuelle Befragung stammt aus dem Dezember 2008. Die Auswirkungen der Finanzkrise waren also bereits zu spüren. Auch wenn die befragten Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage weit überwiegend noch als gut oder eher gut bezeichneten, fielen die Erwartungen für die Zukunft durchweg deutlich skeptischer aus. Die Ergebnisse stellen von daher sicherlich eine Momentaufnahme dar, die in ihrer Aussagekraft, bezogen auf die positiven und -ich sage das ausdrücklich - die weniger positiven Ergebnisse, nicht überbewertet werden sollten.
In Niedersachsen wurden anhand der Kriterien der Prüfungsgesellschaft 212 Unternehmen befragt; angesichts von insgesamt 267 000 Unternehmen in Niedersachsen also eine relativ schmale Basis.
Feststellen lässt sich zunächst, dass die überwiegende Zahl der befragten Unternehmen ein positives Urteil fällt, d. h. die Lage als gut oder eher gut einschätzt. Die Ergebnisse im Einzelnen: 70 % bewerten die Rahmenbedingungen als positiv, 67 % die Infrastruktur, 59 % die Förderpolitik der Landesregierung, 56 % die Mittelstandspolitik, und 52 % bewerten die Bildungspolitik der Landesregierung als positiv. Ich finde, die Ergebnisse können sich nach wie vor sehen lassen.
Die Große Koalition in Berlin wäre froh, wenn sie auf ähnlich positive Zahlen verweisen könnte. Da sieht das Bild ganz anders aus. Die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung?“ beantworteten im ARD-Deutschlandtrend im März 2009 nur 36 % der Befragten mit zufrieden, 62 % waren eher unzufrieden.
Selbst wenn wir an der einen oder anderen Stelle im Ranking des Mittelstandsbarometers nach unten gerutscht sind, so müssen wir doch auch ehrlicherweise zugeben, dass die ermittelten Werte für die einzelnen Bundesländer so eng beieinander liegen, dass man hier nicht wirklich von gravierenden Unterschieden sprechen kann.
Zu 1: Hierzu habe ich in der Vorbemerkung schon einiges gesagt. Die Mittelstandspolitik der Landesregierung wird von 56 % der befragten Unternehmen positiv bewertet. Im Vorjahr waren es 67 %. Offensichtlich hat sich die Stimmung im Laufe des vergangenen Jahres eingetrübt. Das überrascht aber nicht, wenn man die gesamtwirtschaftliche Lage betrachtet. Die Landesregierung wird jedenfalls daran festhalten, die Wirtschaftspolitik konsequent auf den Mittelstand auszurichten. Das heißt: Verbesserung der Rahmenbedingungen, Abbau von Hemmnissen, Reduzierung von Belastungen und eine auf nachhaltige Stärkung der Unternehmen ausgerichtete Förderpolitik.
Zu 2: Bildung, Infrastruktur und Bürokratieabbau waren und sind Schwerpunkte niedersächsischer Mittelstandspolitik. Das überwiegend positive Urteil der befragten Unternehmen bestätigt uns darin.
Ich will es wiederholen: Die Bildungspolitik der Landesregierung wird mehrheitlich als positiv gewertet. Im Ländervergleich liegt Niedersachsen damit unverändert auf dem siebten Platz von 16 Bundesländern. Die Landesregierung wird den konstruktiven Dialog mit dem Mittelstand zur weiteren Optimierung fortsetzen.
Im Bereich der Infrastruktur liegt der Zufriedenheitsgrad sogar bei 67 %. Hier von „Kritik aus dem Mittelstand“ zu reden, entbehrt jeder Grundlage. Für die niedersächsische Verkehrs- und Infrastrukturpolitik hat der weitere Ausbau des Verkehrsnetzes zur Verbesserung der Mobilität und der wirtschaftlichen Entwicklung im Land nach wie vor erste Priorität. Das sichert für die mittelständische Wirtschaft Standortvorteile. Davon profitieren auch die mittelständisch ausgerichtete Bauwirtschaft und die damit verbundenen Arbeitsplätze. 10 Millionen Euro für Bauinvestitionen sichern in der Bauwirtschaft 250 Arbeitsplätze.
Was den Bürokratieabbau angeht, so will ich ausdrücklich erwähnen, dass die Frage der Bürokratie nicht nach Ländern abgefragt wurde. Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe. Es gilt, Hemmnisse aus dem Weg zu räumen und Belastungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, damit sich die Unternehmen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Die Landesregierung prüft daher fortlaufend Entlastungspotenziale. Seit dem Amtsantritt der Landesregierung 2003 wurde die Anzahl der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Lande um mehr als 50 % reduziert. Vieles passierte ganz unbemerkt, weil es um die Abschaffung überflüssiger Normen ging. Aber der Dschungel wurde gelichtet. Ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg.
In diesem Zusammenhang auch der Hinweis, weil Sie es selber angesprochen haben: Aus der Seitenzahl des Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblattes auf den Bestand an geltenden Rechtsnormen zu schließen, wie Sie es in der Vorbemerkung getan haben, wäre eine Fehleinschätzung. Das Gesetz- und Verordnungsblatt ist ein Verkündigungsblatt und keine Rechtssammlung. Das heißt, es enthält die Gesetze und Ver
ordnungen, die im jeweiligen Jahr geändert, neu gefasst, neu erlassen oder auch aufgehoben worden sind. Dass das von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann, liegt in der Natur der Sachen. Rückschlüsse auf ein Anwachsen der Normen, also auf eine vermeintliche Vorschriftenflut, können daraus definitiv nicht gezogen werden.
Das Wirtschaftsministerium hat im Übrigen in den vergangenen Jahren den Bürokratieabbau zur Entlastung der Wirtschaft durch Streichung oder Umänderung unnötig kostenträchtiger oder übermäßig komplex ausgestalteter Einzelvorschriften sowie durch die Vereinfachung von Verfahrensvorschriften vorangetrieben. Hierzu wurde nach mehreren Etappen im Januar 2008 ein Abschlussbericht vorgelegt. Die Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen hat allerdings ihre Grenzen, da rund 80 % der Maßnahmen Bundesrecht betreffen, z. B. Arbeits- und Tarifrecht, Steuern, Umweltrecht oder Statistik. Aber aus unserer Sicht geht die Arbeit weiter. Das Wirtschaftsministerium entwickelt gemeinsam mit der Wirtschaft im Rahmen eines Dialogforums Lösungsansätze. Dabei wird der Bürokratieabbau anhand aktuell auftretender Problemstellungen weiter vorangetrieben.
Zu 3: Die von der Landesregierung zugunsten der mittelständischen Wirtschaft umgesetzten oder durch die aktive Mitgestaltung der Mittelstandsentlastungsgesetze - abgekürzt: MEG I bis III - des Bundes sowie durch die Einbringung von Vorschlägen in den Bundesrat initiierten Rechtsänderungen umfassen das gesamte Spektrum bundes- und landesrechtlicher Regelungsbereiche. Schon daran zeigt sich die Vielfältigkeit der bürokratischen Belastungen, aber auch die unbedingte Notwendigkeit eines als Daueraufgabe zu verstehenden Bürokratieabbaus.
Die nachfolgend aufgeführten Beispiele veranschaulichen, wie nachhaltige Verbesserungen für die einzelnen Wirtschaftszweige erreicht wurden: Wegfall der Genehmigungspflicht bei mobilen Verkaufswagen, Freistellung von Werbeanlagen bis 10 m Höhe von der Genehmigungspflicht, auf Vorschlag von Niedersachsen Beschränkung auf drei Stichproben im Jahr für statistische Erhebungen in Kleinunternehmen bis 49 Beschäftigte im Rahmen der Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetzes, die Erhöhung des Schwellenwertes für die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten im Rahmen des Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetzes, eine neue Arbeitsstättenverordnung mit spürbaren Ent
lastungen von bisher bestehenden bürokratischen Anforderungen, seit 1. Januar 2006 keine Doppelbesichtigung in niedersächsischen Betrieben durch Arbeitsschutzkontrolleure der Berufsgenossenschaften und der Staatlichen Gewerbeaufsicht und keine Vorgaben von Sperrzeiten im Gaststättengewerbe durch das Land mehr, die vereinfachte Ausgabe von Werkstattkarten für die digitalen Kontrollgeräte im Lkw-Verkehr seit 1. Mai 2006.
Meine Damen und Herren, diese Auflistung ließe sich fortführen, aber bereits diese Beispiele zeigen, dass sowohl im Detail wie auch in der Summe die bisherige Arbeit der Landesregierung zum Bürokratieabbau nachhaltig und erfolgreich war. Diesen Weg werden wir weitergehen. Ich will nochmals darauf hinweisen, dass sich diese Studie mit vielen Fragen des Mittelstandes beschäftigt hat, aber nicht explizit mit der Frage des Bürokratieabbaus, bezogen auf das Bundesland Niedersachsen. Dazu gibt es andere Studien, beispielsweise von der Wirtschaftswoche. Darin belegt Niedersachsen regelmäßig vordere Plätze: im Jahre 2008 Platz 5, im Jahre 2007 sogar Platz 1. Ich glaube, das zeigt, dass die Landesregierung den Bürokratieabbau sehr ernst nimmt.