Keine Schließung der Lkw-Reifenproduktion der Continental AG in Hannover - Arbeitsmarktpolitische Instrumente nutzen und eine langfristige Strategie entwickeln - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1041
Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Wirtschaftsausschuss damit zu befassen. Gibt es noch weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Wer also so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Vielen Dank.
Besprechung: Hochschulzugang und Bildungschancen in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/590 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/885
Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einem der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält die Landesregierung das Wort.
Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt mir die Wortmeldung von Herrn Möhle vor. Herr Möhle, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland braucht mehr Akademikerinnen und Akademiker. Auch Niedersachsen wird in Zukunft einen größeren Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften haben. Geht es nach dem Willen von Bund und Ländern, dann sollen 40 % der Kinder eines Altersjahrganges zu einem Studium geführt werden.
Das ist im Interesse unser Wirtschafts- und Innovationskraft. Über diese Zielsetzung besteht eine grundsätzliche Übereinstimmung. Über die Frage, in welcher Art und Weise dieses Ziel sinnvoll verfolgt wird und unter Anwendung welcher Instrumente möglichst effizient mit den vorhandenen Ressourcen umgegangen wird, wird noch zu reden sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, inwieweit bestimmt die soziale Herkunft eines Menschen seine Chancen auf ein Studium? Wie wichtig ist der Bildungsstand der Eltern? Wie gestaltet sich die Verwendung der Studiengebühren? Wie viele Studierende beenden ihr Studium? Was machen sie anschließend? - Das sind die zentralen Fragenkomplexe, die uns bewegen und die im Zusammenhang mit der uns heute vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage behandelt werden sollten.
Die Antworten bestätigen unsere Sorgen um die Entwicklung der Zahl der Studierenden in Niedersachsen in vollem Umfang. Im Rahmen des Hochschulpaktes muss Niedersachsen bis zum Jahre 2010 insgesamt 11 210 zusätzliche Studienanfänger gewinnen. Das ist Ihnen, Herr Minister Stratmann, bekannt. Ich habe das Gefühl, Sie verdrängen das gelegentlich. Schon im Jahr 2007 ist das Zwischenziel nicht erreicht worden und, wie wir seit letzter Woche nach einer Meldung des Statistischen Bundesamtes wissen, auch 2008 nicht. Auch 2008 hinkt Niedersachsen weit hinter der im Hochschulpakt vereinbarten Zielmarke von 2003 hinterher. Ein Plus von 3 000 Studierenden wäre 2008 nötig gewesen. Real waren es gerade einmal 1 166. Das, sehr geehrter Herr Minister Stratmann, reicht bei Weitem nicht aus.
Auch wenn Sie den Anstieg der Studienanfängerquote um 4,3 % in einer Presseerklärung als Erfolg feiern, ist dies nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite zeigt nämlich den Bundesdurchschnitt, der immerhin 7 % beträgt. Die Studienanfängerquote, also der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung, beträgt in Niedersachsen lediglich 30,3 %. Zum Vergleich: Die bundesweite Quote beträgt 39,3 %. Wir liegen hier mit neun Prozentpunkten Rückstand deutlich dahinter. Statt angesichts dieses Rückstandes etwas nachdenklich zu werden, feiern Sie Ihre Studiengebühren ab.
Wie Sie diese katastrophale Entwicklung der Studienanfängerquote als das erfolgreiche Resultat der Einführung von Studienbeiträgen erklären wollen, ist mir absolut schleierhaft. Sie haben die Latte nicht einmal gerissen; Sie sind deutlich darunter durchgeflogen.
Sie verweisen auf den doppelten Abiturjahrgang und den damit verbundenen Anstieg der Studierendenquote und der Studienanfängerquote. Dies ist aber nur ein Einmaleffekt. Unter dem Strich beginnen doch nicht mehr junge Menschen eines Altersjahrgangs ein Studium. Es fangen einfach nur zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig mit dem Studium an, und auch das nur, wenn es gelingt, für
jede Studierwillige und jeden Studierwilligen einen entsprechenden Studienplatz anzubieten. Das muss gelingen, weil wir genau diese jungen Menschen brauchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu dem eigentlichen Skandal unseres Bildungssystems.
Die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes zeigt deutlich: Die individuelle Begabung eines Kindes ist nicht entscheidend für die Frage, ob es ein Hochschulstudium aufnimmt. Entscheidend ist der Bildungsstatus der Eltern, und ganz entscheidend ist der Hochschulabschluss der Eltern. Das müssen wir ändern.
Ich möchte einige wichtige Daten nennen. 17,7 % der Eltern der Studierenden in Niedersachsen verfügen über einen Hauptschulabschluss, 30,2 % über die mittlere Reife und 50,1 % über die Hochschulreife. 31,4 % der Eltern der Studierenden in Niedersachsen haben einen Facharbeiterabschluss oder eine abgeschlossene Lehre, 22,3 % haben eine Meisterprüfung absolviert oder einen Fachhochschul- oder Technikerabschluss erworben, 43,5% der Eltern haben einen Hochschulabschluss erreicht.
Was heißt das? - Ganz entscheidend ist der Bildungsabschluss des Vaters. Kinder von Akademikern schaffen zu 83 % den Hochschulzugang, während die Kinder von Nichtakademikern nur zu 23 % dieses Ziel erreichen. Man ist versucht, jedem Kind einen Beamten mit Hochschulabschluss zum Vater zu wünschen. Das lässt die Chancen auf einen Hochschulzugang auf stolze 95 % anwachsen. Das kann doch wirklich nicht sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ihn leider immer noch, den Bildungstrichter, die mehrfache Selektion, in deren Ergebnis die Chancen der Kinder von Akademikern und der von Nichtakademikern deutlich auseinanderdriften. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Rekrutierungspotenziale bei den Kindern aus bildungsnahen
Aber wie kann es gelingen, die zusätzlichen Studierenden, die wir so dringend brauchen - nämlich diejenigen, deren Eltern weder ein Abitur noch ein abgeschlossenes Studium vorweisen können -, für ein Hochschulstudium zu gewinnen? - Die Antwort der Landesregierung: Weiterführung des sogenannten Zukunftsvertrages, Schaffung zusätzlicher Studienmöglichkeiten für die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs und das Hoffen auf zusätzliche Bundesmittel für mehr Personal in der Lehre. - Das hört sich zunächst gut an. Natürlich müssen die Qualität der Ausbildung an den Hochschulen und der Studienerfolg verbessert werden. Aber die Voraussetzungen für mehr Studierende aus den gerade angesprochenen Bereichen verbessern Sie hierdurch natürlich nicht.
Deshalb reicht das so nicht aus, Herr Minister Stratmann. Wenn wir nach der Welle des doppelten Abiturjahrgangs die Studienanfängerquote von 40 % nachhaltig halten wollen, müssen wir doch zunächst einmal die Voraussetzungen für junge Menschen schaffen, ein Studium überhaupt anzustreben. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Dafür brauchen wir mehr Chancengleichheit auf dem Weg zur Hochschulbildung und weniger soziale Selektivität auf dem Weg dahin.
Natürlich fängt das schon in der Schule an. Herr Minister, ich billige Ihnen gerne zu, dass das, was auf dem Weg dahin alles schief läuft, nicht immer in der Verantwortung Ihres Ressorts liegt. Es liegt in der Verantwortung der gesamten Landesregierung, und die sieht tatenlos zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Voraussetzung für mehr Studierende sind mehr Abiturienten. Dafür müssen wir die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems erhöhen, um noch mehr junge Menschen zum Abitur führen zu können. Genau das passiert zurzeit aber gerade nicht.
Ein weiterer Punkt betrifft die Finanzierbarkeit eines Hochschulstudiums. 40 % der derzeit Studierenden sehen ihre Studienfinanzierung als tendenziell unsicher an. Einen Job neben dem Studium auszuüben, ist im engen Zeitraster der Bachelor- und Masterstudiengänge kaum mehr machbar. Deshalb müssen jetzt die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen sich
auch Kinder einkommensschwacher Eltern ein Studium ohne Nebenjob leisten können. Die holen wir nur mit einem starken BAföG und einem Verzicht auf die Erhebung von Studienbeiträgen an die Hochschulen.
Meine Damen und Herren, ich möchte dem nächsten Tagesordnungspunkt nicht unnötig vorgreifen. Frau Dr. Andretta wird auf das Thema der offenen Hochschule noch eingehen. Nur der Vollständigkeit halber ein paar Sätze: Es muss doch auch unser Ziel sein, mehr Quereinsteiger für ein Studium zu gewinnen. Gut ausgebildete Techniker, Meister und Kaufleute sind doch ein Potenzial, um das es sich mit kreativen Konzepten zu werben lohnt. Der Anteil der beruflich Qualifizierten unter den Studierenden ist auf 1,65 % gesunken. Warum ist ein Studium für diese Zielgruppe so wenig interessant? - Sicherlich liegt es auch an der mangelnden Durchlässigkeit von der Berufsbildung zur Hochschule. Ich bin überzeugt, dass Niedersachsen es sich im Hinblick auf Innovationskraft, im Hinblick auf Wachstum und die nachhaltige Sicherung des Wohlstands im Land nicht leisten kann, diese Potenziale zu verschenken.
Zusammenfassend möchte ich sagen: super Material, von hervorragenden Mitarbeitern zusammengestellt. Wir warten auf die konzeptionelle Umsetzung.
Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung wird jetzt von Herrn Stratmann vertreten. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Möhle, zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie sich in Teilen bemüht haben, das Thema etwas differenzierter zu betrachten. Natürlich haben Sie immer das Recht, meine Politik und die meiner Kollegen zu kritisieren. Aber ich finde, man ist nur dann wirklich glaubwürdig, wenn man auch an den Stellen, an denen man Lob verdient hätte, dieses Lob auch einmal ausspricht. In Bezug auf Ihr letztes Thema, nämlich das Thema Offene Hochschule, Durchläs
sigkeit und Hochschulzulassung, kann man wirklich sagen - das können Sie sich von Ihren Kollegen Zöllner, Doris Ahnen und anderen aus den SPD-geführten Ländern bestätigen lassen -, dass Niedersachsen dort eine Vorreiterrolle eingenommen hat.