Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich dafür werben, den Hochschulen die Entscheidung über die Einrichtung bestimmter Studiengänge zu überlassen und auch den Studierenden die Wahl zu lassen, welchen Abschluss sie für sich anstreben. Es ist keine Staatsaufgabe, das zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Heinen-Kljajić. Ich rufe Sie auf. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist alles gesagt. Deshalb kann ich mich auch kurzfassen.
Herr Perli, Ihr Gesetzentwurf führt Bologna schlicht und ergreifend ad absurdum. Bei jedem weiteren Versuch, Ihren Gesetzentwurf zu verteidigen, widersprechen Sie sich ein ums andere Mal. Sie beschreiben zudem einen Notstand, den es so gar nicht gibt.
Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, dass Sie uns im Ausschuss Ihre Argumentation schriftlich dargelegt haben; das hat das noch einmal sehr deutlich gemacht. Da gestehen Sie z. B. ein, dass es für eine Hochschulplanung unsinnig ist, Masterplätze für alle potenziellen Bachelorabsolventen vorzuhalten. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Masterstudiengänge heute gar nicht ausgelastet sind - es gibt noch keinen Fall, in dem jemand abgewiesen wurde -, sagen Sie dann, das Angebot solle sich an der Nachfrage ausrichten. Ich frage Sie: Wozu einen virtuellen Rechtsanspruch auf etwas einführen, wofür der Bedarf gar nicht formuliert wird?
Den Rechtsanspruch auf einen Masterstudienplatz machen Sie davon abhängig, dass ein fachlich einschlägiger Master an dieser Hochschule angeboten wird. Mit anderen Worten: Wer die falsche Hochschule gewählt hat, hat schon einmal Pech gehabt und kann seinen Rechtsanspruch vergessen. Auch von daher ist es unlogisch, einen Rechtsanspruch zu formulieren.
Den Gipfel Ihrer Argumentationsakrobatik erreichen Sie, wenn Sie dann eingestehen, dass die Wechselmöglichkeiten von externen Bachelorabsolventen zu einem Masterstudiengang eingeschränkt würden, als Gegenargument aber anführen, das gelte nicht für Wechselmöglichkeiten von einer Hochschule weg. Lieber Herr Perli, von einer Hochschule wegzugehen, um einen Masterstudiengang anzutreten, hat nur Sinn, wenn man auch irgendwo hingehen kann. Was ist das für eine krude Logik?
Werte Kollegen von der Linken, alle drei Beispiele machen deutlich, dass Sie entweder die Studienreform mit Bachelor und Master nicht verstanden haben oder aber längst selbst nicht mehr glauben, was Sie uns hier erzählen. Dieser Gesetzentwurf sollte jetzt endlich seiner verdienten Würdigung zugeführt werden. Wir werden ihn ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Perli, überraschend werden auch wir bei der Ablehnung des Gesetzentwurfes Ihrer Fraktion bleiben. Die Ausschussberatungen haben aus unserer Sicht keine neuen Erkenntnisse gebracht, obwohl Sie sich - das muss man sagen - wirklich bemüht haben, auch mithilfe einer Matrix Ihre Argumentation noch einmal darzulegen. Nichtsdestotrotz ist es dabei geblieben: Wir lehnen den Gesetzentwurf heute ab.
Sie, Herr Perli, hatten im Ausschuss den Vorwurf erhoben, die anderen Fraktionen hätten sich mit Ihrem Gesetzentwurf nicht beschäftigt. Das möchte ich an dieser Stelle eindeutig zurückweisen. Vielleicht liegt es - da sollten Sie einmal in sich gehen - eher an der Qualität und an der Sinnhaftigkeit des Gesetzentwurfes, dass alle anderen Fraktionen Nein gesagt haben.
Der Vorschlag, den Masterzugang für jeden ohne Qualitätshürden vorzuhalten, ist absurd und konterkariert die Zielsetzung des Bologna-Prozesses. Das haben meine Vorredner schon gesagt. Wir als FDP-Fraktion wollen mehr Flexibilität, mehr Mobilität und mehr Tempo im Studium.
Sie argumentieren, dass mit Ihrem Gesetz niemand dazu verpflichtet würde, einen Masterstudiengang aufzunehmen. Das ist zwar formal richtig, aber Sie würden damit dennoch falsche Anreize schaffen. Sie wollen den Bachelorabschluss als ersten berufsqualifizierenden Abschluss nicht etablieren. Wir wollen das. Diffamierungen und Diskriminierungen wie die Bezeichnung Schmalspurstudium helfen keinem Studierenden in unserem Land.
Wir wollen unsere Studierenden auf den Beruf und auf die berufliche Realität optimal vorbereiten. Dazu gehört auch, dass Leistungen erwartet werden und diese dann auch belohnt werden. Diesen Weg wollen wir in Niedersachsen erfolgreich weitergehen.
Danke schön, Herr Grascha. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Stratmann das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Perli, nach Ihren Ausführungen und dem abschließenden Hinweis auf Neil Armstrong und die Mondlandung habe ich gedacht: Jetzt bestreitet er auch noch, dass diese Mondlandung jemals stattgefunden hat.
Denn das war, wenn ich das so sagen darf, ungefähr das Niveau, auf dem Sie sich bewegt haben. Ich finde, in der demokratischen Auseinandersetzung fährt man immer gut, wenn man sich selber fragt, ob man mit seinen Argumenten noch richtig liegt, wenn alle anderen - in diesem Fall SPD, Grüne, FDP und CDU - sehr überzeugend darlegen, dass die eigenen Ausführungen nicht von besonderer Sachkenntnis geprägt waren.
In der Tat liegt bei Ihnen ein völliges Missverständnis im Hinblick auf Bologna-Strukturen vor. Sie führen diese Strukturen vollständig ad absurdum. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass auch ich als zuständiger Ressortminister natürlich anerkenne und weiß, dass wir, lieber Wolfgang Wulf, eine stärkere Verschulung haben und dass die Studentinnen und Studenten heute einem größeren Stress ausgesetzt sind, als es etwa zu unseren Zeiten der Fall war. Das alles muss zugegeben werden. Das alles nehmen wir auch zur Kenntnis.
Ich finde, es muss auch gesagt werden dürfen, dass dies in der Tat auch auf Ebene etwa der Kultusministerkonferenz Diskussionen nach sich ziehen muss. Und das tut es auch. Nach vier Jahren Bologna - Niedersachsen ist ja zusammen mit Berlin das Bundesland, das in diesem Bereich die meisten Erfahrungen hat sammeln können - müssen wir solche Fragen stellen. Die Hochschulen sind ja dafür verantwortlich - auch daran will ich Sie erinnern - und vor Ort dafür zuständig, Bologna auszugestalten. Wenn Hochschulen auf die Idee kommen, alle sechs Wochen Prüfungen abzuverlangen, dann basiert das nicht auf einer Vorgabe des Wissenschaftsministeriums, sondern entscheiden das die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie und ihrer Selbstständigkeit selbst. Das tun sie zum Teil sehr unterschiedlich. Das hat zur Folge, dass die Mobilität in gewisser Weise einge
schränkt ist - das räume ich ein. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, inwiefern das tatsächlich sinnvoll ist.
Über diese Fragen müssen wir in der Bundesrepublik Deutschland diskutieren. Da muss mit Sicherheit an der einen oder anderen Stellschraube nachjustiert werden. Das wird Ihnen jeder Kollege bestätigen. Ich hätte es viel besser gefunden, wenn Sie Ihren Gesetzentwurf ein Stück weit auf dieses Thema konzentriert und nicht mit einem Rundumschlag die ganze Systematik infrage gestellt hätten. Damit haben Sie eigentlich unter Beweis gestellt, dass Sie es nicht verstanden haben.
Vorhin kam ein Zwischenruf, wenn es darum ginge, Eliten zu fördern, dann seien wir sofort mit dabei. - Dazu kann ich nur sagen: Gerade Bologna trägt doch über die berufsqualifizierenden Bachelorstudiengänge, die künftig mehrheitlich an den Fachhochschulen angeboten werden, dazu bei, die Chance zu verstärken, eine Klientel an unsere Hochschulen zu ziehen, die wir bisher eher nicht erreicht haben.
Es findet genau das Gegenteil von dem statt, was Sie kritisieren. Ich bitte Sie als Linke, das einmal zu berücksichtigen.
- Lieber Herr Adler, ich kenne ja auch Ihre Biografie. Sie haben Anfang der 1970er-Jahre zu den Gründungsmitgliedern der Universität Oldenburg gehört. - Sie verbrüdern sich gerade mit den Leuten, die Sie Ihr ganzes Leben lang bekämpft haben. Ich könnte Ihnen entsprechende Einlassungen zitieren, die extrem reaktionär sind, was dieses Thema anbelangt. Mit solchen Leuten marschieren Sie gerade gemeinsam - darüber sollten Sie sich im Klaren sein. Das muss hier gesagt werden.
Im Übrigen ist inhaltlich alles ausgeführt. Ich bin dankbar, dass dieser Gesetzentwurf fast einvernehmlich zurückgewiesen wird.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sehr substanziierter Vortrag!)
Danke schön, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die allgemeine Aussprache.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/415 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Einzige (abschließende) Beratung: Orientierungshilfe für lebenslanges Lernen schaffen - Modellprojekte für Bildungsberatung einrichten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/651 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/866 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/889
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme in geänderter Fassung. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE hat eine Annahme in einer weitergehenden geänderten Fassung zum Ziel.
Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Heinen-Kljajić. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lebenslanges Lernen wird in Bildungsdebatten als das zentrale Lösungskonzept gehandelt. Es soll individuelle Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, gesellschaftliche Teilhabechancen verbessern, den Fachkräftemangel beheben und die Beschäftigten trotz demografisch bedingter Überalterung auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik halten.
Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? - Ich glaube, vermeintliche Schulversager oder Menschen ohne Ausbildung werden das Konzept lebenslanges Lernen eher als Androhung denn als Chance begreifen. Aber auch diejenigen, die über eine Ausbildung verfügen, nutzen die Chancen des lebenslangen Lernens nur unzureichend. Deutschland
hat eine allgemeine Weiterbildungsquote von 43 %. Davon sind allein 30 % nur betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen. Das heißt, im internationalen Vergleich liegen wir auf einem der hinteren Plätze.
Vor allem aber nimmt die Teilnahmewahrscheinlichkeit dramatisch ab, je geringer die eigene Vorbildung und je höher das Alter ist. Hinzu kommt, dass wir nach wie vor einen viel zu hohen Anteil junger Menschen haben, die zwar die intellektuellen und formalen Voraussetzungen für eine höher qualifizierte Ausbildung erfüllen, aber sie für sich selbst nicht nutzen. Wir müssen also feststellen, dass es nicht reicht, die formalen Zugangskriterien zu senken, wenn wir unser Bildungssystem durchlässiger machen wollen.