Protocol of the Session on February 20, 2009

Frau Helmhold hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Lieber Herr Kollege Riese, Sie sprachen eben über den Köder bzw. das Problem der Anschubfinanzierungen. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie die Anschubfinanzierungen für die Mehrgenerationenhäuser, für die Palliativstützpunkte und auch für die Seniorenservicebüros bewerten, die ja von dieser Landesregierung ins Leben gerufen wurden, und weshalb das jetzt bei den Pflegestützpunkten ein Problem sein sollte.

(Zustimmung von Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE])

Zu dem Vorwurf, dass damit Geld für direkte Pflege entzogen würde: Betrachten Sie es einmal im

System. Frau Groskurt hat das gerade angeführt. Wir haben 30 % Fehlallokationen von Menschen, die im stationären Bereich untergebracht sind, obwohl das gar nicht nötig wäre. Sie können sich vorstellen, wie viel Geld dort unnötig ausgegeben wird, das man durch eine vorherige vernünftige Beratung bzw. ein vernünftiges Assessment einsparen könnte. Wie viel mehr Wert hätte es vor allem für die Betroffenen, wenn sie tatsächlich nur die Versorgung bekämen, die sie bräuchten, und nicht unnötigerweise in eine stationäre Einrichtung gehen müssten mit all den Einschränkungen, die damit verbunden sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Riese verzichtet auf eine Antwort. - Der nächste Redner ist Herr Lammerskitten. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einer Erkenntnis, die ich ganz bewusst an den Anfang meiner Ausführungen stelle, da sie durchaus Seltenheitswert genießt. Wir als CDU-Fraktion sind in der inhaltlichen Beurteilung des heutigen Themas gar nicht so weit weg von dem, was die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag formuliert hat. Das mag freilich auch daran liegen, dass besagter Antrag wiederum nicht weit weg ist von der Praxis unseres Nachbarlandes Nordrhein-Westfalen. Dort regiert bekanntlich eine erfolgreiche schwarz-gelbe Koalition.

Meine Damen und Herren, die Weichen für die Einrichtung von Pflegestützpunkten hat der Bund mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz gestellt, das zum 1. Juli vergangenen Jahres in Kraft getreten ist. Schon bei der vorausgegangenen Beteiligung im Bundesrat hatten alle Bundesländer - schon wieder ein Ereignis mit Seltenheitswert - übereinstimmend festgestellt, dass es keinen Sinn mache, Pflegestützpunkte einseitig durch Pflege- und Krankenkassen zu schaffen. Vielmehr müssten zwingend die örtlichen Träger der Sozialhilfe mit ins Boot geholt werden.

(Roland Riese [FDP]: Das ist richtig! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: So ist es!)

Diesem dringenden Rat ist der Bund mit seinen Regelungen in § 92 c SGB XI nur unzureichend gefolgt. Das ist bedauerlich, jedoch durchaus verständlich, schließlich kann der Bund in seiner Gesetzgebungskompetenz zwar den Pflege- und Krankenkassen Verpflichtungen auferlegen, nicht jedoch den kommunalen Gebietskörperschaften. Zum Ausgleich hat er den Ländern ein Bestimmungsrecht über die Schaffung von Pflegestützpunkten eingeräumt. Dieses Recht wollen wir nutzen zum Wohle aller, die pflegen, und aller, die gepflegt werden müssen. In ihrem Interesse ist es uns wichtig, eine effektive Regelung zu erarbeiten und keine bürokratischen Hürden aufzutürmen, die dann auch noch zusätzliches Geld kosten würden.

(Beifall bei der CDU)

Diesem Anspruch wird der Antrag der Grünen allen inhaltlichen Übereinstimmungen zum Trotz insbesondere im Hinblick auf Absatz 2 nicht ganz gerecht. Wir wollen die Beratungsangebote, die Kommunen und Kassen vor Ort vorhalten und sich bewährt haben - die Seniorenservicebüros sind hier ein Beispiel -, nutzen, darauf aufbauen und sie intelligent vernetzen. Wir wollen neutral agierende Pflegestützpunkte schaffen, die für die Menschen vertraut, bekannt und problemlos erreichbar sind und die hoch qualitativ arbeiten. In diesem Sinne wollen wir modellartig mobile Pflegestützpunkte erproben; denn ein aufsuchender Ansprechpartner ist das Niedrigschwelligste und am ehesten geeignet, Hemmschwellen abzubauen und die Betroffenen da abzuholen, wo sie mit ihren Bedürfnissen stehen.

(Beifall bei der CDU)

Kurzum: Wir wollen den Erfordernissen eines Flächenlandes wie Niedersachsen Rechnung tragen. Wir wollen keine landeseinheitlichen, sondern individuell richtige und passende Lösungen.

(Beifall bei der CDU)

Eine Rahmenvereinbarung zwischen den niedersächsischen Kassen, den kommunalen Spitzenverbänden und dem Land kann den Weg dafür ebnen. Denn wer gute Angebote vor Ort will, kann sie nicht von Hannover aus verordnen, sondern muss die Akteure vor Ort mitnehmen und ihre Akzeptanz erreichen.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Dagegen sage ich doch gar nichts!)

Ein Entwurf für eine solche Rahmenvereinbarung, den das Ministerium entwickelt hat, liegt den Verbänden der Kassen und den kommunalen Spitzenverbänden derzeit vor. Erste Rückmeldungen sind positiv. Das heißt, wir sind auf einem guten Weg, für den wir uns die nötige Zeit nehmen müssen und auch können. Schließlich werden die Bundesmittel - wie schon einige Male erwähnt - für die Schaffung der Pflegestützpunkte bis Mitte 2011 abrufbar sein. Niedersachsen geht also kein Cent verloren, wenn wir auf unnötige Bürokratie verzichten. Anderenfalls drohte das Geld, das mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz zur Verfügung gestellt wird, zu versickern, anstatt zu denen zu fließen, denen es zusteht: den Pflegenden und den Pflegebedürftigen.

Meine Damen und Herren, Pflege ist ein dringendes Thema in einer Gesellschaft, deren Menschen immer länger leben. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind, dieses Thema zukunftsweisend zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Ross-Luttmann hat jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz können die Länder von ihrem Bestimmungsrecht Gebrauch machen. Das heißt, die Länder können die Kranken- und Pflegekassen durch eine Allgemeinverfügung verpflichten, innerhalb von sechs Monaten wohnortnahe Stützpunkte einzurichten.

Niedersachsen setzt zunächst auf einvernehmliche Regelungen und nicht auf die Verpflichtung.

(Beifall bei der CDU)

Weil für mich die zu Pflegenden und die Angehörigen im Mittelpunkt stehen, geht es mir darum, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen auf ein bestmögliches Beratungsangebot in Niedersachsen zurückgreifen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ich habe Ihnen eben sehr gut zugehört. So ganz habe ich es aber nicht verstanden. Sie tun immer so, als ob es in Niedersachsen noch

überhaupt kein Beratungsangebot gibt. Gehen Sie doch bitte einmal vor Ort und schauen Sie sich um! Das, was Sie gesagt haben, stimmt definitiv nicht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Kommunen, Kassen und Wohlfahrtsverbände, sie alle leisten mit ihren vielfältigen Angeboten schon viel Positives. Diese hervorragenden Angebote, die es bereits jetzt in Niedersachsen gibt, müssen gebündelt und gegebenenfalls vervollständigt werden. Damit befinden wir uns auch im Einklang mit dem Bundesgesetzgeber, der nämlich ausdrücklich vorsieht, dass auf vorhandene, vernetzte Beratungsstrukturen zurückzugreifen ist. Wir brauchen wohnortnahe Beratung für jeden Einzelnen. Aber wir brauchen keine neue, kostenträchtige Bürokratie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben eben gesagt, die Sozialministerin habe sich nicht gekümmert. Auch das ist falsch. Schon am 1. April 2008, also schon drei Monate vor Inkrafttreten des Gesetzes, habe ich gemeinsam mit dem Landespflegeausschuss - das ist für mich das entscheidende Gremium, weil dort die Fachleute vor Ort sind - überlegt, wie wir in einem Flächenland wie Niedersachsen Pflegestützpunkte umsetzen können.

Pflege- und Krankenkassen in Niedersachsen und die kommunalen Spitzenverbände haben viele Gespräche geführt, wie unsere Zielsetzung in Niedersachsen am ehesten erreicht werden kann. Das Sozialministerium hat diese Gespräche stets begleitet, und zwar mit Erfolg!

Gestern haben sich die Verhandlungspartner auf gemeinsame Eckpunkte verständigt. Damit stehen wir kurz vor einem landesweiten Rahmenvertrag zwischen den Verbänden der Pflege- und Krankenkassen in Niedersachsen und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zur Verbesserung des Beratungsangebotes für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige. Auf dieser Grundlage sollen vor Ort Vereinbarungen zwischen den Verbänden der Kassen und dem jeweiligen Landkreis oder der kreisfreien Stadt über die konkrete Einrichtung der Pflegestützpunkte getroffen werden. Eine einvernehmliche Umsetzung von Pflegestützpunkten war für mich von Beginn der Diskussion an der Erfolg versprechende Weg, und zwar durchaus erfolgversprechender als ein Überstülpen in Form einer Allgemeinverfügung. Allerdings - dies sage ich an dieser Stelle ganz deutlich -: Sollten die Stützpunkte vor Ort

nicht zustande kommen, schließe ich dies als letzten Schritt nicht aus.

Meine Damen und Herren, abschließend noch einen Satz zur Anschubfinanzierung des Bundes. Sie wissen: Die Mittel sind bis Mitte 2011 abrufbar. Von daher ist für den Mittelabruf durchaus noch Zeit. Für Niedersachsen ist also kein einziger Cent verloren. Beratungsangebote gibt es schon jetzt vor Ort.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Punkt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Zuständig ist der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist so entschieden worden.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich gerne noch zwei Anmerkungen in eigener Sache machen:

Zum einen beziehe ich mich auf die Debatte am heutigen Vormittag. Ich habe ausweislich des noch unkorrigierten Manuskripts gesagt:

„Aber ich sehe schon einen gewissen Unterschied darin, ob sich Mitglieder des Parlaments gegenseitig ein bisschen ‚fetzen’ oder ob man den Regierungschef so bedenkt, wie Sie es machen.“

Ich lege dabei Wert auf die Feststellung, dass sich der Begriff „gewisser Unterschied“ auf die Wahrnehmung unserer Arbeit in der Öffentlichkeit bezieht und nichts mit einer unterschiedlichen Behandlung von Personen in diesem Haus zu tun hat. Dies ist heute Morgen offensichtlich nicht so herübergekommen. Das tut mir leid.

Zweite Anmerkung: Wenn ich Frau Helmhold kritisiert habe, was den Stil betrifft, dann muss ich auch die Äußerungen von Herrn Dr. Althusmann kritisieren. Auch das ist nicht der entsprechende Stil, den wir hier pflegen. Ich tue dies hiermit nachdrücklich im Nachtrag.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist aber etwas anderes gewesen als „Säuseln“! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wir haben das schon geklärt!)

- Ich sehe, Sie beide haben sich in der Frage schon unterhalten. Das tut sehr gut.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 44 auf:

Kulturelle Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen sichern: Freier Eintritt zu den Landesmuseen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/903