Protocol of the Session on April 9, 2008

Denn nach der Rückkehr von Ihrer Reise war von Wachstumsmärkten in China, von Geschäftskontakten, von Einweihungen und von einem Letter of Intent zur Eröffnung eines German Industrial Park zu lesen. Herr Minister, ich frage mich: Haben Sie dabei vielleicht das Thema Menschenrechte aus den Augen verloren? Nur, meine Damen und Herren, dass wir uns nicht falsch verstehen: Ich meine ausdrücklich, dass man Kontakte pflegen soll, gerade als hoher politischer Repräsentant. Aber man soll die politischen Chancen nutzen, die sich dabei ergeben. Man muss Stellung beziehen zu den drängenden Themen Demokratie und Menschenrechte in Ländern, in denen Menschen auf die Straße gehen und mit ihrem Leben dafür büßen, wenn sie dies einfordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, betrifft auch die Partnerschaften des Landes Niedersachsen mit den Provinzen Anhui und Jilin. Bereits nach der denkwürdigen Reise des Präsidiums in der 15. Wahlperiode musste man sich die Frage stellen, welcher Stellenwert der Frage nach den Menschenrechten eingeräumt wurde. Das Gespräch mit Studierenden an der Universität Heifei konnte

nun gerade nicht als Musterbeispiel für freie Meinungsäußerung herhalten.

Wir müssen uns doch fragen: Welchen Sinn sollen solche Partnerschaften haben? Was soll der Sinn von Regierungskontakten in solche Länder sein? Meine Damen und Herren, ich setze Einigkeit in diesem Hause voraus, wenn ich sage: Es kann nicht nur um Wirtschaftskontakte und um möglichst hohe Abschlüsse gehen. Das ist zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich meine, Partnerschaften müssen intensiv zur Verständigung auf gemeinsame Werte genutzt werden. Wir müssen deutlich machen, dass wir Erwartungen haben, die sich weniger auf die Auftragsbücher der Wirtschaft als vielmehr auf die Verbesserung der Lage der Menschen beziehen, die ihre grundlegenden Rechte wahrnehmen wollen. Wir dürfen nicht schweigen zu Haftstrafen, zu Todesstrafen, zu Arbeits- und Umerziehungslagern, zu Zensur und Einschränkungen der Pressefreiheit. Wir müssen uns im Vorfeld der Olympischen Spiele hinter die Athletinnen und Athleten stellen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung für sich reklamieren, die Zeichen der Solidarität setzen wollen und denen durch den Maulkorb des IOC der Ausschluss von den Spielen droht. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Diese Athletinnen und Athleten müssen unsere Unterstützung haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erwarte solche Zeichen auch aus der Wirtschaft. VW mit Niedersachsen als Hauptanteilseigner sponsert die Spiele. Wir würden uns freuen, wenn die 6 000 Kfz, die durch China fahren und zum Teil auch den Staffellauf begleiten, zumindest mit einer Geste der Unterstützung verbunden wären.

Ich habe in der aktuellen Debatte nicht eine Äußerung des Ministerpräsidenten gefunden. Der Kollege Koch - bzw. eigentlich Ex-Kollege - traut sich da deutlich mehr. Man mag ja sonst von ihm halten, was man will.

(David McAllister [CDU]: Der fliegt noch nach Jamaika!)

Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Deutschland hat eine geschichtliche Verpflichtung, zu moralischen Fragen nicht zu schweigen. Wir haben kein Recht, die Wirtschaft vor die Menschenrechte zu stellen.“

(David McAllister [CDU]: Für die Macht tut ihr alles!)

Solche klaren Worte hätte ich mir aus Niedersachsen auch gewünscht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Sohn von den Linken.

Wir begrüßen natürlich das Thema, das die Grünen auf die Tagesordnung gebracht haben.

Herr Sohn, Entschuldigung. - Die Anrede müssten Sie schon verwenden.

Entschuldigung! - Schönen guten Tag, meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich begrüße zunächst, dass das Thema auf die Tagesordnung gebracht worden ist, wobei wir uns, glaube ich, auch einig darüber sind, dass sich das Thema natürlich nicht auf China begrenzen lässt, dass die Frage des Einsatzes für Menschenrechte immer dann eine Rolle spielt, wenn wir Partnerschaften haben. Auch das, was Frau Helmhold als Erwartung an die Landesregierung formuliert hat,

(David McAllister [CDU]: DDR!)

gilt meines Erachtens allgemein. Wenn wir beispielsweise eine Partnerschaft mit den USA haben, dann gehört Guantánamo erwähnt. Das Gleiche gilt auch für Kurdistan hinsichtlich der Türkei und anderes.

Aber das Thema China ist angesprochen. Wir sind uns, glaube ich, auch darin einig, dass dieses Thema, weil es so ernsthaft zu behandeln ist, auch einer ernsthaften Prüfung bedarf. Bei allem, was dazu gesagt wird - das gilt nicht nur für Christen, sondern auch für Gläubige anderer Religionen -, gilt die alte Weisheit, dass man immer aufpassen muss, wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, weil immer drei Finger auf einen selbst zurückzeigen. Insofern muss die Frage, was in Tibet passiert ist - das ist ja Gegenstand der gegenwärtigen Diskussion - gründlich erörtert werden.

Es wird vielfach gesagt, man wisse nichts Genaues, weil keine westlichen Journalisten vor Ort gewesen seien. Deshalb will ich aus einer Zeitung zitieren, die ich schon längere Zeit abonniert habe

und mit großer Begeisterung lese. Keine Bange, es ist nicht die junge Welt, was man nach dem heutigen HAZ-Artikel vermuten könnte, sondern es ist der Economist. Es ist ein Zufall gewesen, dass der Economist der Einzige war, der zur Zeit des Ausbruchs der Unruhen in Lhasa einen Korrespondenten vor Ort hatte. Er sagt - ein Hoch auf die angelsächsische Journalistiktradition - am Anfang seines sehr ausführlichen Berichts über die Ereignisse, dass er nichts dazu sagen könne, wer den ersten Stein geworfen habe, ob das die Mönche gewesen seien oder umgekehrt, ob zunächst Polizisten die Mönche verprügelt hätten. Er macht dann aber als Augenzeuge, wie gesagt, als westlicher Augenzeuge dieser Ereignisse in einem dreiseitigen Artikel umfangreiche Ausführungen, aus denen ich Ihnen die wesentlichen Sätze zu den Unruhen in Lhasa zitieren möchte:

„Eine Menge von mehreren Dutzend Leuten wütete durch die Straßen. Einige von ihnen jubelten schreiend, während sie Steine auf Läden warfen, deren Eigentümer Han-Chinesen waren,“

- also der Gruppe angehörten, der 90 % der Chinesen zuzurechnen sind -

„und auf vorbeifahrende Taxis, die in Lhasa ebenfalls überwiegend von Hans gefahren werden.“

Er beschreibt dann weiter, wie diese Welle der Gewalt die zentrale Beijing-Straße hoch lief, und fährt dann wörtlich fort:

„Sie zertrümmerten nichttibetanische Geschäfte, warfen die Waren hinaus auf die Straße, stapelten sie und zündeten sie an. Die Menge genoss es, Gasbehälter in die Flammen zu werfen und schutzsuchend wegzurennen, als sie explodierten. Einige riefen: ‚Lang lebe der Dalai Lama’ und: ‚Befreit Tibet’. Viele Stunden lang taten die Sicherheitskräfte wenig. Aber die vielen Hans, die über ihren Läden in den tibetanischen Vierteln wohnten, flohen. Wären sie nicht geflohen, hätte es vielleicht noch mehr Tote gegeben. Die Regierung hat plausibel erklärt, dass 13 Leute durch die Aufständischen getötet wurden. Die meisten von ihnen verbrannten in Feuern. Die Zerstörungen wurden systematisch vorgenommen. Geschäfte, deren

Eigentümer Tibetaner waren, wurden als solche mit traditionellen weißen Schals an den Türöffnern markiert. Sie wurden von den Zerstörungen verschont. Praktisch alle anderen wurden niedergemacht.“

Soweit der Economist zu diesem Fall. Insofern: immer an die drei Finger denken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Althusmann von der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Helmhold hat im Rahmen ihrer Rede deutlich gemacht, dass die Einlassungen von Frau Christine Schneider als Vizefraktionsvorsitzende in Hamburg neben der Spur seien. Herr Dr. Sohn, mit Verlaub: Ich konnte mich bei Ihren Zitaten soeben des Eindrucks nicht erwehren, als wollten Sie ebenso wie Frau Schneider in Hamburg Argumente finden, um das Vorgehen Chinas gegen die Minderheit in Tibet zu rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist eine unzutreffende Feststellung! Das ist schlicht nicht wahr!)

Das wäre ein ungeheuerlicher Vorgang. Er würde aber nicht verwundern; denn einmal mehr können wir feststellen, dass diejenigen, die ihre Wurzeln in sozialistischen Unrechtsregimen haben, mit der Wahrung demokratischer Grundrechte so ihre Probleme haben. Ich nenne so etwas unbelehrbar und rückwärtsgewandt. Ehrlich gesagt: Solche Leute haben in deutschen Parlamenten nichts zu suchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren!

Herr Althusmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Sohn?

Bitte sehr!

Herr Sohn, bitte sehr!

Ich habe nur die Frage, ob Sie - - -

Gehen Sie bitte an das Mikrofon, damit wir alle Sie verstehen können.

Ich habe die Frage, ob Sie die ersten Sätze meines Beitrages gehört haben und vielleicht kurz zusammenfassen könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Althusmann!

Herr Dr. Sohn, gestatten Sie mir die intellektuelle Fähigkeit, dass ich Ihren Worten sehr genau gelauscht habe

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Offen- sichtlich nicht!)

und insofern, Frau Flauger, meine eigenen Rückschlüsse zu Ihren Einlassungen hier gezogen habe. Im Übrigen bleibe ich bei dem, was ich gesagt habe.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Frech- heit! Unbelehrbar!)