Protocol of the Session on January 14, 2009

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal an die Debatte über den Kinderlärm erinnern. Glauben Sie wirklich ernsthaft, dass Vermieter in einer solchen Situation künftig ohne Not zum Bau von Kinderspielplätzen schreiten werden, wenn sie befürchten müssen, dass Nachbarschaftsstreitigkeiten provoziert werden? Vielleicht steckt hinter der Dezimierung der Zahl der Spielplätze aber ein ganz anderer Ansatz. Vielleicht ist diese Dezimierung eine neue Maßnahme unseres Innenministers im Kampf gegen Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen. Schließlich sind diese ja immer auf den Spielplätzen anzutreffen. Ich denke, konsequenterweise müssten dann auch die Bushäuschen endlich zugenagelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Weg, den Sie hier vielleicht etwas unbedacht eingeschlagen haben, ist nicht der Weg, der ins Kinderland Niedersachsen führt. Dieser Weg führt höchstens ins Stubenhockerland Niedersachsen.

In unserem Gesetzentwurf haben wir nun die verschiedenen sinnvollen Formulierungen der unterschiedlichen Landesbauordnungen kombiniert. So soll die Spielplatzpflicht ab der dritten Wohnung eingeführt werden. Das ist moderat. Bisher galt in Niedersachsen die Pflicht schon ab der zweiten Wohnung. Ab 50 Wohnungen müssen allerdings auch Spielgelegenheiten für ältere Kinder geschaffen werden. Das ist eigentlich auch notwendig, da der Computer ja eher die älteren und nicht die Kleinstkinder lockt. Wir wollen allerdings keine wirklichkeitsfremden Regularien schaffen. Deswegen werden Single-Einraumwohnungen nicht mitgezählt. Schließlich ist bei ihnen nicht damit zu rechnen, dass dort Kinder wohnen. Auch Wohnanlagen, die als Seniorenwohnanlagen konzipiert sind, sind nicht von dieser Regelung betroffen. Befindet sich bereits ein Kinderspielplatz in unmittelbarer Nähe, gilt die erwähnte Pflicht selbstverständlich auch nicht.

Gibt es allerdings keine Ausnahmetatbestände, wie ich sie gerade aufgeführt habe, dann muss eine Spielplatzfläche vorgehalten werden. Das ist im Interesse der Kinder, das ist im Interesse der Eltern und auch im Interesse der Kommunen.

Im Übrigen erhalten die niedersächsischen Kommunen mit unserem Entwurf auch die Möglichkeit, eigene Spielplatzsatzungen zu verabschieden, sodass Anforderungen, was die Größe und die Ausstattung angeht, vor Ort weiterentwickelt werden können. Bisher gab es nur die Möglichkeit, Satzungen betreffend Vorgärten, Werbeanlagen oder Stellplätze zu verabschieden.

Warum liegen uns die Spielplätze so am Herzen? - Der eine oder andere von Ihnen mag vielleicht denken: Als ich klein war, gab es noch keine Spielplätze. Wir sind aber auch groß geworden. - Damals herrschte aber einfach nicht die heutige Verkehrssituation.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie konnten Brennball auf der Straße spielen, und Sie brauchten keine Spielstraßen. Sie brauchten keine Spielplatzgesetze oder einschlägige Paragrafen. Diese Zeiten sind aber vorbei. Ich denke, dass Sie das eigentlich auch gemerkt haben sollten. Unsere Kinder brauchen heute mehr denn je Schutzräume. In den Städten gibt es scharfe Kon

flikte betreffend die Nutzung des öffentlichen Raums. Jeder Quadratmeter zählt. In Hannover kostet der Quadratmeter Bauland ja bekanntlich bis zu 500 Euro. Darüber hinaus wird auch noch Parkraum benötigt. Auch die Hundebesitzer brauchen Platz, um mit ihren Hunden Gassi zu gehen. Wo bleiben aber letztlich die lobbylosen Kinder?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Kinderhilfswerk aus Berlin hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass Niedersachsen durch den von mir erwähnten letzten Beschluss sogar einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention begangen haben könnte. In dieser Konvention heißt es nämlich in Artikel 31: Die Vertragsstaaten fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung.

Nun zum Thema Bewegungsmangel. Aktuelle Studien belegen, dass 12 % der Kinder überhaupt nicht an der frischen Luft spielen. Nicht einmal am Tag gehen sie hinaus. Demgegenüber verbringen 40 % der Kinder mindestens eine Stunde am Tag vor elektronischen Geräten. Die Kinder sind ohne Zweifel im Medienzeitalter angekommen. Sie sind feinmotorisch geschickter, aber sie sind körperlich weniger fit. Professor Bös, der Leiter des Instituts für Sportwissenschaften an der Universität in Karlsruhe, hat dazu geforscht. Sein Fazit ist: Der Leistungsstand von Kindern hat sich in den letzten 30 Jahren um 14 % reduziert. Dieser Trend setzt sich fort.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Im Übrigen sind - ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt beim Thema Kinderschutz - bewegungserfahrenere Kinder auch wesentlich weniger unfallgefährdet.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Ich denke, wir müssen dieser Tendenz des zunehmenden Bewegungsmangels entgegentreten. Die Kultusministerin sieht das auch so. Ich möchte ein Zitat von Frau Heister-Neumann aus der Nordwest-Zeitung vom 11. November des vergangenen Jahres hier vortragen. Sie sagte:

„Für unser Sozialsystem ist es ein Sprengsatz, wenn immer mehr Kinder unter Bewegungsmangel, Adipositas und den Folgeerkrankungen leiden.“

Sie weist darauf hin, dass die Landesregierung bis 2010 ein neues Programm mit dem Titel „Lernen braucht Bewegung“ aufgelegt hat. Herr Busemann hat in der vergangenen Wahlperiode sogar Fitnesslandkarten erstellen lassen. Dadurch ist zwar noch kein einziges Kind fitter geworden, aber immerhin, das war ein erster Schritt.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das war toll!)

Wie passt das dann aber mit der ersatzlosen Streichung des Spielplatzgesetzes zusammen?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Ich frage mich wirklich, ob die Ministerien dieser Landesregierung ihre Arbeit überhaupt koordinieren. Ich kann nur appellieren: Geben Sie sich einen Ruck! Unterstützen Sie unsere Forderung nach einem Spielplatzparagrafen in der Niedersächsischen Bauordnung! Bügeln Sie die Fehler aus, die Sie im letzten Plenum begangen haben,

(Reinhold Coenen [CDU]: Das war kein Fehler!)

damit Niedersachsen ein Kinderland und nicht ein Stubenhockerland wird!

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nächste Redner ist Herr Lammerskitten für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Außerkraftsetzung des Niedersächsischen Gesetzes über Spielplätze hat die Gemüter schon im Dezember erhitzt, und zwar durchaus mit Recht; denn überall, wo es um Kinder und um die Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft geht, ist Engagement notwendig und zukunftssichernd.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Erkenntnis ist in den vergangenen Jahren Gott sei Dank zum gesellschaftlichen Konsens geworden. Dieser Erkenntnis tut es auch keinen Abbruch, wenn wir den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ablehnen werden. Eine Regelung, wie sie in diesem Gesetzentwurf für Spielplätze gelten soll, entspricht nicht mehr dem, woran sich Familienfreundlichkeit heute festmacht.

(Beifall bei der CDU)

Familienfreundlichkeit hat heute ganz viel mit Flexibilität und mit bedarfsgerechten Angeboten zu tun. Wer sollte den Bedarf, der sich ja in nahezu jeder Familie individuell darstellt, besser beurteilen können als diejenigen, die in den Kommunen vor Ort Verantwortung tragen? Ich jedenfalls maße mir nicht an, von hier aus beurteilen und vorschreiben zu können, an welchem Hochhaus in Göttingen oder an welchem Mehrfamilienhaus in einem Kurort an der Küste sinnvollerweise ein Spielplatz einzurichten ist oder ob dort nicht vielleicht ein Treffpunkt für Jugendliche oder für ältere Menschen besser am Platz wäre.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich für meinen Teil - das gilt für meine Fraktion gleichermaßen - möchte keiner Kommune einen Spielplatz aufs Auge drücken, von dem bei ein wenig Ortskenntnis abzusehen ist, dass er nicht benötigt und entsprechend nicht ausreichend frequentiert wird. Ich möchte nicht, dass ein solcher Spielplatz dennoch gebaut werden muss, weil es nun einmal so im Gesetz steht. Ich möchte keine Kommune zwingen, Geld in einen solchen Spielplatz zu investieren, das dann möglicherweise an anderer Stelle, an der es sinnvoller eingesetzt wäre, fehlt.

Das Niedersächsische Gesetz über Spielplätze war sinnvoll - zu seiner Zeit, Anfang der 70erJahre. Es war sinnvoll zu einer Zeit, in der schnell viel Wohnraum entstand und die Nachfrage ohnehin vorhanden war. Heute hingegen, in Zeiten des demografischen Wandels, stehen die Kommunen in einer Konkurrenzsituation um Einwohnerinnen und Einwohner. Es wäre ja mit dem sprichwörtlichen Klammerbeutel gepudert, wer in dieser Lage seine Spielplätze verlottern lässt oder erst gar keine vorhält. Zugleich vergibt sich das Land mit der derzeitigen Regelung überhaupt nichts. Schließlich werden wir im Zuge der neuen NBauO ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten haben. Wir können dann gegebenenfalls ganzheitlich handeln, anstatt hier und jetzt Teilaspekte in kleinteiligen Vorschriften abzuhandeln.

(Beifall bei der CDU)

Frau Staudte, Sie haben eigentlich die beste Begründung dafür geliefert, dass wir auf dem richtigen Weg sind; denn bis Dezember letzten Jahres galt das niedersächsische Spielplatzgesetz. Trotz dieses Spielplatzgesetzes, das bislang dazu geführt hat, dass Alibispielplätze an Wohnanlagen

gebaut worden sind, sind die Symptome aufgetreten, die Sie dargestellt haben: Bewegungsmangel bei Kindern usw. Dem gilt es entgegenzuwirken. Wir freuen uns schon mit Ihnen gemeinsam auf die Diskussion zur neuen NBauO, um diesbezüglich die richtigen Regelungen zu treffen.

Meine Damen und Herren, im Land Niedersachsen gibt es viele starke Orte mit vielen engagierten Kommunalpolitikerinnen und -politikern, die wissen, was bei Ihnen zu Hause zu tun ist, und die ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber dafür unmittelbar verantwortlich sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin sicher, dass wir diesen Menschen auch die Kinder- und Familienfreundlichkeit ihrer Wohnorte guten Gewissens anvertrauen dürfen und dass wir dafür keine neuen Paragrafen und Verordnungen brauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön!

Mit Verlaub, Herr Lammerskitten, aufgrund Ihrer Argumentation müssten wir eigentlich auch den Sportunterricht abschaffen;

(Astrid Vockert [CDU]: Das ist völliger Blödsinn!)

denn trotz des Sportunterrichts gibt es eine Tendenz hin zum Bewegungsmangel.

(Widerspruch bei der CDU)

- Doch, genauso hat er argumentiert. Er hat darauf hingewiesen, dass trotz der Vorschrift zu den Spielplätzen, die es gegeben hat, Bewegungsmangel festzustellen ist. Das ist genau dieselbe Logik.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Nein!)