Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte - dies ist schon angesprochen worden -, sind die Sozialrichterstellen. Dazu hat es in unserem Ausschuss eine deutliche Stellungnahme der jeweiligen Interessenvertreter, der Verbände gegeben. Im Grunde genommen muss man Folgendes sagen: Den Murks, der bundesweit mit den Hartz-IVGesetzen angerichtet worden ist, baden natürlich in erster Linie die Betroffenen aus.
Das ist klar; sie muss man an erster Stelle nennen. Diese Gesetze, die völlig daneben sind, sind von CDU, SPD, FDP und Grünen, also im Bundesmaßstab, gemacht worden. Aber im Lande müssen wir mit den Folgen dieses „Murks-Gesetzes“ leben, und diese baden gegenwärtig die Sozialrichter aus. Ich möchte Ihnen nur eine Zahl nennen, die von den Sozialrichtern genannt worden ist: 50 % der Bescheide der ARGEn sind rechtlich falsch und werden deshalb von den Betroffenen zu Recht angefochten.
Wenn sich wirklich jeder wehren würde - dies tut ja nicht jeder -, dann wäre die Fehlerquote wahrscheinlich noch höher.
Die Sozialrichter schieben einen Berg unerledigter Altfälle vor sich her. Die Situation ist so, dass die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Vorrang haben. Die Normalverfahren werden immer nach hinten gelegt. Dieser Berg der Normalverfahren wächst an, er wird nicht abgebaut. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, zusätzlich 18 Sozialrichterstellen einzurichten. Was die Regierungskoalition mit fünf Sozialrichtern macht, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein und wird den wirklichen Problemen nicht gerecht.
Ich sage Ihnen noch eines, was uns die Sozialrichter gesagt haben. Sie haben nämlich - dies kann man am Tag der Menschenrechte ruhig einmal ansprechen - auf Artikel 8 der Europäischen Men
schenrechtskonvention hingewiesen. Darin steht, dass jeder Betroffene einen Anspruch auf ein faires Verfahren hat. Ein faires Verfahren bedeutet aber auch, dass es in angemessener Zeit erledigt werden muss. Die Richter haben gesagt, sie sind inzwischen in einer Situation, die nach ihrer Auffassung diesem Artikel der Menschenrechtskonvention nicht mehr entspreche. Sollte dies so sein, wäre es ein Organisationsverschulden des Justizministers bzw. der Mehrheit des Parlaments, weil nicht die erforderlichen Richterstellen in den Haushalt eingestellt werden. Deshalb hoffe ich, dass wenigstens diese mahnenden Worte der Sozialrichter Sie noch einmal zum Nachdenken bringen. Sorgen Sie dafür, dass unsere Sozialgerichtsbarkeit so aufgestellt ist, dass sie die Menschenrechte einhalten kann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten in der bisherigen Debatte zum Justizhaushalt wieder einmal einige Traditionen der Politik beobachten. Herr Dr. Biester hat für die Regierungsfraktionen den eigenen Haushalt als das in dieser Situation erreichbare Optimum über alle Maßen gelobt, und die Oppositionsfraktionen haben teilweise massive Kritik geübt. Die Wirklichkeit ist etwas differenzierter, und ich will versuchen, dies in dieser Rede deutlich zu machen.
Zunächst allgemein zum Haushaltsplan: Wenn wir ehrlich sind, haben wir als Justizpolitikerinnen und Justizpolitiker bei den Haushaltsbeschlüssen einen relativ geringen Handlungsspielraum. Gehälter für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Justizbedienstete müssen bezahlt werden und müssen logischerweise im Haushalt ihren Niederschlag finden. Es muss JVAs und Gerichte geben, was völlig unbestritten ist. Auch dies ist haushaltsrelevant. Aber es gibt auch Gestaltungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang komme ich zu den positiven Seiten dieses Haushaltsplans.
Sie, die Fraktionen von CDU und FDP, haben die Gelder für die Anlaufstellen für Straffälligenhilfe deutlich heraufgesetzt. Dies begrüße ich ausdrücklich; denn damit wird die wirklich gute Arbeit der niedersächsischen Anlaufstellen gewürdigt und
anerkannt, dass es sinnvoll ist, in Projekte zu investieren, die Straftaten vermeiden, statt immer nur in neue Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsprojekte zu investieren.
Nun zur Situation an den Sozialgerichten: Es sind sich alle Beteiligten hier einig, dass die Situation wirklich schlecht, ja, dramatisch ist; das hat auch Herr Dr. Biester nicht bestritten. Aber richtig ist doch auch - an diesem Punkt gebe ich Ihnen recht, Herr Dr. Biester -, dass wir in erster Linie darüber nachdenken müssen, wie wir die Qualität der Bescheide an den Argen verbessern können, um zu verhindern, dass sich immer neue Bescheide an Gerichten stapeln. Hier wird zum Teil vorgeschlagen, neue Sozialrichterstellen zu schaffen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist letztendlich doch nur ein Stopfen von Löchern, die an anderer Stelle entstehen. Darum müssen wir uns Maßnahmen überlegen, um die Qualität der Arbeit an den Argen vor Ort so zu verbessern, dass die Eingangszahlen heruntergehen. - Das ist der erste Aspekt.
Der zweite Aspekt: Es tut mir ein bisschen leid, dass ich als jüngster Abgeordneter die Auswirkungen neuer Gesetze auf die Rechtsprechung hier fast akademisch darstellen muss. Ein neues Gesetz beinhaltet in aller Regel am Anfang relativ viele Unsicherheiten - dies ist auch bei den HartzIV-Gesetzen der Fall -, die eine relativ umfangreiche Rechtsprechung nach sich ziehen. Im Laufe der Jahre, wenn erst einmal Grundsatzentscheidungen gefällt worden sind, die zu stärkerer Klarheit führen, kommt es zu weniger neuer Rechtsprechung. Deshalb sollte man jetzt nicht 20, 30 oder 40 neue Richterstellen verlangen. In einigen Jahren, wenn die Fallzahlen hoffentlich gesunken sein werden, hätten wir im Hinblick auf die verbeamteten Richter eine ähnliche Situation wie an den Verwaltungsgerichten, und dann könnten auch die Sozialrichter um 15 Uhr nach Hause gehen. Das kann doch nicht die Konsequenz daraus sein.
- Herr Adler, hier nutze ich die Gelegenheit, auf Sie einzugehen: Die Forderung der Linkspartei nach Abschaffung von Hartz IV ist den Betroffenen gegenüber aus verschiedenen Gründen infam. Der wichtigste Grund ist für mich: Wenn Sie Hartz IV abschaffen, bekommen die Betroffenen nach Ihrer Logik überhaupt kein Geld mehr. Das kann in die
sem Sozialstaat nicht möglich sein. Es ist schon wichtig, dass wir eine Grundsicherung für die Leute haben.
(Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei der LINKEN - Hans-Henning Adler [LINKE]: Peinlicher geht es nicht!)
Zurück zu den Sozialgerichten: Wir haben 5 neue Stellen von insgesamt 23 neuen Richterstellen. Angesichts der knappen Haushaltslage ist das im Moment auch in Ordnung. Aber es ist für uns alle - nicht nur für die Opposition, sondern auch für die Regierungsfraktionen und vor allem für die Landesregierung - die Aufgabe, in den kommenden Jahren sehr genau zu beobachten, wie sich die Situation an den Sozialgerichten und am Landessozialgericht entwickelt, und dann gegebenenfalls schnell nachzujustieren, etwa Verwaltungsrichter anzufordern. Wir haben dies alles im Ausschuss diskutiert. Das wird eine Daueraufgabe bleiben. Aber, wie gesagt, für den Moment ist die Situation in Ordnung.
Nun komme ich zu den Schwächen und Unzulänglichkeiten des Haushalts. Zuerst zur Unterstützung der freien Träger zur Durchführung des TäterOpfer-Ausgleichs: Die Summe haben Sie seit fünf Jahren in gleicher Höhe belassen. Was bedeutet dies für die betroffenen Vereine und Verbände vor Ort? - Faktisch wirkt sich dies angesichts steigender Personal- und Materialkosten sowie angesichts steigender Mieten wie eine kontinuierliche Kürzung aus, obwohl im Ausschuss die Arbeit der freien Träger verbal immer wieder ausdrücklich gelobt wird. Es reicht doch nicht aus, im Rechtsausschuss zu sagen, man finde den Täter-OpferAusgleich gut, die freien Träger leisteten eine tolle Arbeit, aber dann, wenn es an die Haushaltsbeschlüsse geht, das Ganze nicht mit Leben zu füllen. Deswegen beantragen wir eine deutliche Erhöhung der Förderung der freien Träger im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs.
Herr Haase hat bereits angesprochen - dem kann ich nur zustimmen -, dass die freien Träger auf den Täter-Opfer-Ausgleich spezialisiert sind und eine gute Arbeit leisten. Darum ist es auch nicht zielführend, wenn Sie auf die Gerichtshilfe verweisen. Natürlich kann auch die Gerichtshilfe einen TäterOpfer-Ausgleich vornehmen, und natürlich habe ich Respekt vor der Arbeit der Gerichtshilfe. Aber Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten, dass es etwas anderes ist, wenn ein auf Täter-OpferAusgleich spezialisierter Verein diesen Ausgleich durchführt, als wenn es die Gerichtshilfe macht, die
dies neben vielen anderen Aufgaben auch noch leisten muss. Deswegen halte ich hier eine deutliche Erhöhung für angemessen, um die Arbeit der freien Träger entsprechend zu würdigen.
Ein zweiter wichtiger Punkt, der bereits von Herrn Haase und von Herrn Adler zu Recht angesprochen worden ist, betrifft ein Lieblingsprojekt der Landesregierung: die private Justizvollzugsanstalt in Bremervörde. Diese Landesregierung scheut nicht davor zurück, selbst Kernbereiche staatlicher Hoheitsaufgaben wie den Justizvollzug in die Hände Privater zu legen. Für die Ausschreibung haben Sie bereits Geld im Haushalt bereitgestellt. Dieses Geld wäre an vielen Stellen gut aufgehoben, aber auf keinen Fall ist es richtig, damit eine private Justizvollzugsanstalt zu bauen.
Bedauerlich daran ist für mich vor allem, dass Sie aus den Fehlern, die in der Vergangenheit in anderen Ländern gemacht worden sind, nichts, aber auch gar nichts lernen wollen. Ihre CDU-Kolleginnen und -Kollegen aus Hessen haben es in Hünfeld bereits mit einer privaten JVA versucht. Das Ergebnis: Die private Anstalt war teurer als die staatlich betriebene. Nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis! Kommen Sie mir jetzt nicht, wie zum Teil schon im Ausschuss geschehen, mit Pseudodifferenzierungen! Ich weiß so gut wie Sie, dass es Unterschiede zwischen Hünfeld und Bremervörde gibt. Aber das Kernproblem ist doch, dass auch für Hünfeld im Vorfeld Gutachten vorlagen, die bestätigten, dass die privatisierte Anstalt kostengünstiger als die staatliche sei. Anschließend ist das Gegenteil herausgekommen. Woher nehmen Sie eigentlich die Gewissheit, Herr Dr. Biester, dass bei Ihrem Gutachten alles ganz anders sein wird und sich dieses Gutachten als wahr herausstellen wird?
Nun noch zur Frage des hoheitlichen Handelns: Sie verlagern schleichend immer mehr hoheitliche Aufgaben auf Private. Die Probleme der Abgrenzung von privaten und hoheitlichen Aufgaben, die Sie durch die Teilprivatisierung schaffen, werden letztendlich bei den Bediensteten und den Häftlingen hängenbleiben. Diese werden im JVA-Alltag ausbaden müssen, was Sie hier beschließen.
An dieser Stelle weise ich ganz scharf die massive Kritik zurück, die CDU und FDP hier faktisch an Bediensteten in niedersächsischen JVAs üben.
Wenn Sie sagen, dass private Betreiber den Justizvollzug qualitativ besser - das hat Herr Dr. Biester gesagt - als staatliche Bedienstete absolvieren könnten, dann sagen Sie damit den Bediensteten doch nichts anderes als Folgendes: Liebe Leute, ihr seid nicht in der Lage, die Küche optimal zu betreiben und den Facility-Bereich optimal zu managen; das können Private besser.
Da wir über den Justizhaushalt reden, frage ich Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Haben Sie eigentlich am letzten Freitag dem Staatsgerichtshof in Bückeburg genau zugehört? - Er hat Ihnen nämlich ganz deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass die Privatisierung so, wie Sie sie im Maßregelvollzug betrieben haben, gegen das Demokratieprinzip verstößt. Jetzt fordere ich Sie auf, endlich einmal Konsequenzen aus Gerichtsurteilen zu ziehen. Sie sind nun zum siebten Mal vor einem Verfassungsgericht gescheitert. Das muss doch einmal Konsequenzen für die Zukunft haben. Stoppen Sie das Projekt in Bremervörde! Das Geld können wir woanders wahrlich besser gebrauchen.
Herr Limburg, was Sie eben hier gesagt haben, halte ich für unglaublich. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben immer wieder betont, wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Beamten im niedersächsischen Justizvollzugsdienst ist.
Dass diese Arbeit unter schwierigen Bedingungen erfolgt, hat zu unserem Beschluss beigetragen, dass wir uns regelmäßig und auch noch im nächsten Jahr viele Anstalten ansehen und mit den Betroffenen sprechen. Wie eben von Herrn Adler vorgetragen worden ist, waren wir mehrere Stunden in der JVA Hannover. Genau das Gegenteil dessen, was gesagt wurde, ist der Fall. Wir haben in den letzten Jahren - da waren Sie noch nicht hier im Parlament - und auch jetzt immer wieder betont, wie wichtig diese Arbeit ist und dass wir sie anerkennen. Das kommt letztlich auch durch die geplanten Stellenhebungen im mittleren Dienst zum Ausdruck, für die auch Frau Ministerin Heister-Neumann in der letzten Legislaturperiode eingetreten ist. Wir reden nicht nur, wir handeln auch.
Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Konrath, ich muss mich offenbar mittlerweile daran gewöhnen, dass das sachliche Niveau, das wir im Rechtsausschuss haben, abnimmt und dass von Ihrer Seite mit Diffamierungen, Unterstellungen und Falschdarstellungen gearbeitet wird. Daran muss ich mich gewöhnen.
Was ich nicht akzeptieren kann, ist, dass Sie anders handeln, als Sie reden. Sie haben völlig recht, Frau Konrath - das habe ich auch bestätigt -: Verbal betonen Sie immer wieder die gute Arbeit der Bediensteten. Aber ich habe kritisiert, dass Sie dann, wenn es darauf ankommt, Haushaltspläne aufzustellen und praktische Politik zu machen, faktisch sagen, eine private JVA sei qualitativ besser als eine staatliche; das ist hier in der Debatte gesagt worden. Damit sagen Sie den Bediensteten der staatlichen JVAs doch nichts anderes als das: Liebe Leute, ihr könnt das nicht so gut wie die Privaten, und deswegen müssen wir privatisieren.
Diese hohe Kunst der Dialektik, Frau Konrath, dass Sie auf der einen Seite verbal betonen, die Bediensteten machten eine tolle Arbeit, aber die Privaten könnten es noch besser, das - tut mir leid - müssen Sie versuchen, den Bediensteten zu erklären. Das nimmt Ihnen von der Opposition niemand ab. Es reicht nicht aus, immer wieder vollmundige verbale Bekundungen zu machen. Es kommt auf die Taten an. An ihren Taten sollt ihr sie messen! Das werden wir tun, deswegen stellen wir entsprechende Änderungsanträge zum Haushalt.