Protocol of the Session on December 9, 2008

Tatsache, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch, dass das Ministerium für Umwelt und Klimaschutz in einer Pressemitteilung vom 10. November 2008 über die Messergebnisse im Rahmen des Castortransportes umfassend informiert hat. Die zulässigen Grenzwerte sind nach dieser Mitteilung eingehalten worden. Weitere Ergebnisse, das hat Herr Wenzel vorhin auch erwähnt, finden sich auf der Internetseite der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Dort heißt es, ich zitiere, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis:

„Aus den vorliegenden aktuellen Messwerten geht hervor, dass die

durch Gamma- und Neutronenstrahlung hervorgerufenen Dosisleistungen der angelieferten TNTM 85-Transportbehälter in einem Wertebereich liegen, die mit den Erfahrungswerten früherer Rückführungskampagnen vergleichbar sind. Die aktuellen Messwerte sind in einer Grafik dargestellt und zeigen, dass die Dosisleistungen der Transportbehälter mit wachsendem Abstand von der Außenfläche sehr rasch abfallen und in 20 m Entfernung eines Transportfahrzeuges im Größenbereich von 3 - 6 µSv/h liegen. Dies entspricht einem Strahlungspegel, dem Reisende in gängigen Flughöhen durch die kosmische Strahlung ausgesetzt sind.“

Ich halte, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, die von Ihnen begonnene Debatte für mehr als scheinheilig. Da turnen lebensmüde Demonstranten auf Transportbehältern herum, und Sie schüren die Angst vor Strahlung. Da werden im Wendland Strohballen angezündet, und Sie debattieren über Feinstaubbelastung.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Da müssen über 10 000 Polizisten aus allen Teilen Deutschlands mit entsprechenden Fahrzeugen nach Gorleben gebracht werden, und Sie wollen uns erzählen, wie man hier im Land etwas für den Klimaschutz tun kann?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Wenzel, das ist scheinheilig. Der Höhepunkt Ihrer Scheinheiligkeit ist dann Ihre Pressemitteilung,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Gehen Sie doch nicht so fahrlässig mit dem Scheinheiligkeitsbegriff um!)

in der es heißt - Sie haben es eben formuliert -, Sie haben die Sorge, dass die armen Polizisten bei dem Transport gefährdet werden können. Herr Wenzel, machen Sie doch einmal einen Vorschlag, wie man dafür sorgen kann, dass man mit deutlich weniger Polizei auskommt! Dazu habe ich von Ihnen hier noch nichts gehört.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Wenzel, ich habe das Gefühl, dass man mit Ihnen ernsthaft nicht einmal über den Transport reden kann. Ich glaube, über Endlagerung braucht man das auch nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Schröder-Ehlers von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Atomenergie - das macht auch die heutige Debatte wieder deutlich - ist keine preiswerte Ökoenergie. Atomenergie ist teuer und gefährlich. Atomenergie ist ein Irrweg des letzten Jahrhunderts. Atomenergie wird nur wenige Jahre verfügbar sein, schafft aber Entsorgungsprobleme für die nächsten Jahrtausende. Deshalb darf es keine Verlängerung von Laufzeiten geben, und deshalb muss es beim vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der letzte Castortransport ins Wendland liegt gerade einmal vier Wochen zurück. Ich weiß nicht, was Sie am Montag vor vier Wochen gemacht haben. Ich selber kann mich noch sehr genau erinnern, wie ich mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion an der Umladestation in Dannenberg stand. Wir haben beobachtet, wie die Castorbehälter von der Bahn auf die Lkws umgeladen worden sind, und wir haben auch die Menschen gesehen, die direkt an der Station eingesetzt waren. Wir hatten dabei auch Gelegenheit, mit dem Experten von Greenpeace zu sprechen, der die Messungen dort an der Umladestation vorgenommen hat. Wir hatten Gelegenheit, mit den Journalisten zu sprechen, die nur wenige Meter von der Umladestation entfernt ihr Pressedorf hatten. Und wir haben mit den Einsatzkräften gesprochen, mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die sich direkt im Bereich der Umladestation aufgehalten haben.

Ich kann Ihnen sagen: Alle, die dort eingesetzt waren, hatten ein wirklich mulmiges Gefühl in der Magengegend; denn allen war bewusst, welch gefährliche Fracht dort direkt vor ihren Augen umgeladen worden ist. Allen war bewusst, wie giftig dieser Abfall in den Castorbehältern ist.

Besonders erinnere ich mich an ein Gespräch mit einem jungen Bundespolizeibeamten. Dieser Beamte war in der Nacht direkt an der Absperrung der Umladestation eingesetzt, und er hat in der

Nacht ein Flirren dieser Castorbehälter beobachtet. Er hat gesehen, dass von den Behältern eine Strahlung ausging. Das war ihm unheimlich, und ich kann verstehen, dass er sich große Sorgen um seine Gesundheit gemacht hat. Er hat uns aber auch erzählt, dass er natürlich darauf vertraut, dass die Messungen ordnungsgemäß durchgeführt worden sind und dass mit der auferlegten zeitlichen Beschränkung - nicht länger als 3,5 Stunden durfte man sich im direkten Bereich des Castors aufhalten - alles getan wird, um seine Gesundheit auch wirklich zu schützen. Aber auch ihm war klar, dass wissenschaftliche Erkenntnisse sich ändern werden, dass das, was heute als sicher gilt, morgen wohl nicht mehr der Stand der Wissenschaft sein wird.

Das von Frau Harms und von den Grünen beauftragte Büro Intac stellt in seinem Gutachten fest, dass die von Greenpeace gemessenen Werte mit den vorhandenen offiziellen Messwerten übereinstimmen und dass die Strahlenbelastung der begleitenden Polizeibeamten erheblich war, sich aber nach diesem Papier der Grünen innerhalb der Strahlenschutzverordnung bewegt hat.

Auf einen Punkt möchte ich noch hinweisen, weil er mir auch sehr wichtig ist: Dieses Papier geht davon aus, dass die biologische Wirkung der Neutronenstrahlung, die in der Diskussion ist, beachtet werden muss. Auch das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Punkt, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zwei Castortransporte mit diesem ganz besonders gefährlichen Material aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague stehen noch an. Die beiden Transporte werden nach Gorleben gehen, und die Behälter werden noch Jahrzehnte in der Lagerhalle von Gorleben stehen; denn - wir haben es ja schon diskutiert - eine schnelle Einlagerung ist weder tatsächlich wegen der hohen Temperaturen noch rechtlich wegen des noch ausstehenden Verfahrens möglich.

Wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Schutz der Menschen in Gorleben, mit dem Schutz der Menschen, die an der Transportstrecke leben, mit dem Schutz der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, dann müssen wir alles tun, um aus dieser Atomenergie auszusteigen, dann müssen wir alles dafür tun, die Menge des noch zu erzeugenden Atommülls drastisch zu reduzieren. Ich wünsche mir sehr, von diesem Hause ginge ein

Signal in diese Richtung aus, dass wir hier in Niedersachsen uns wirklich dafür einsetzen, dass es beim Ausstieg aus der Atomenergie bleibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat sich Herr Bode zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Wenzel, was Sie hier abgeliefert haben, war mal wieder ein Stück aus dem grünen Tollhaus. Ich habe ja nichts gegen eine Auseinandersetzung, auch nichts gegen eine streitige Auseinandersetzung zum Thema Kernenergie. Wir können auch über Castortransporte diskutieren, die allerdings aufgrund verbindlicher internationaler, völkerrechtlich abgesicherter Verträge erfolgen müssen und in der Vergangenheit erfolgen mussten. Eines geht aber nicht: Man kann hier nicht mit Unwahrheiten und unbewiesenen Anschuldigungen, für die es keine Belege gibt, um sich werfen, bloß weil einem die eigenen Argumente ausgegangen sind.

(Zustimmung bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Hat er überhaupt nicht gemacht!)

Sie behaupten, Herr Wenzel, bei dem Transport in diesem Jahr habe es einen Wirrwarr um die Messwerte gegeben. Wenn hier ein Wirrwarr entstanden ist, dann nur, weil Sie immer diese Behauptungen in den Raum gestellt, aber keinerlei Belege für Ihre Verdächtigungen nachgeliefert haben,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Verweigern Sie sich denn Kontrollmessungen, Herr Bode?)

bloß weil Sie Ängste bei den Menschen schüren wollten, bei den Menschen, die dort wohnen, aber auch bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die den Transport begleitet haben, und zwar unbegründete Ängste. Es ist unanständig, wie Sie mit den Menschen vor Ort und auch mit den Polizeibeamten umgehen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Fragen Sie mal die Polizeibeamten, ob sie das so empfinden! - Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Lassen Sie Kontrollmessungen zu, Herr Bode!)

Richtig ist vielmehr, dass ordnungsgemäß nach Recht und Gesetz gemessen wurde.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die schüren ja nicht, die stellen fest!)

Das war übrigens damals, als der Bundesumweltminister Jürgen Trittin hieß und von Ihnen kam, genauso. Auch da wurden alle Grenzwerte unterschritten. Das ist auch Ihnen bekannt. Es ist sogar belegt. Es steht ja sogar im Internet für jeden abrufbar, und es stimmt auch mit den Messungen von Greenpeace überein. Diese Ergebnisse waren, um es noch einmal zu sagen, alle unterhalb der Grenzwerte, und sie waren auch genauso erwartet worden.

Herr Wenzel, eigentlich war es doch so: Als die Grünen in der Bundesregierung waren und Jürgen Trittin Bundesumweltminister war, da waren die Transporte erforderlich und gut.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Da haben wir auch protestiert, Herr Bode! Irr- tum!)

Seitdem die Grünen nicht mehr in der Bundesregierung sind, sind die Transporte auf einmal schlecht. Für Sie gibt es scheinbar gute und schlechte Transporte und gute und schlechte Messungen, je nachdem, wer gerade den Bundesumweltminister stellt. Das ist ja immer so.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wenig glaubwürdig, die Grünen!)

In Hamburg gibt es ein Kohlekraftwerk. Das war im Wahlkampf, als Sie noch nicht an der Regierung waren, schlecht. Jetzt sind Sie an der Regierung, da ist es gut. Sie müssen es umsetzen. Genauso war es bei Garzweiler II mit Frau Höhn. Und es ist schon komisch, dass Sie als Grüne hier gegen die Elbvertiefung sind und in Hamburg die Elbvertiefung durchsetzen wollen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Und das sagt die FDP!)

Meine Damen und Herren, bei den Grünen war auch in diesem Jahr eher Folgendes zu erleben: Früher war man in Gorleben und hat sich auf die Straße gesetzt. Dann war man sieben Jahre in der Bundesregierung und hat sich in den Dienstwagen gesetzt. Jetzt will man sich wieder zu den Demonstranten auf die Straße setzen. Herr Wenzel, das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, den letzten Coup von Herrn Wenzel, den er heute auch vorgetragen hat, haben wir gestern in der taz lesen können, wo er unter der Überschrift „Verschollen im Gorlebener Salz?“ erklärt hat, dass er das Verschwinden eines Mitarbeiter mit dem von ihm selbst ausgelösten Messwertewirrwarr in Verbindung bringen und nachprüfen will. Heute hat er gesagt, er möchte wissen, welche Funktion der Mitarbeiter hatte. Gestern hat er in der taz noch erklärt, er kenne die Funktion.

Von daher muss ich ganz ehrlich sagen: Lieber Herr Kommissar Stefan Lindholm-Wenzel, der NDR-„Tatort“ ist ein Fernsehkrimi. Das ist etwas, was sich jemand ausgedacht hat. Der NDR hat es hervorragend und sehr spannend verfilmt. Ich habe den Krimi selber gesehen. Es handelt sich nicht um eine Dokumentation oder einen Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht.

(Kurt Herzog [LINKE]: Und die Fak- ten?)

Genauso ist es auch mit der Folge „Salzleiche“ gewesen.