Protocol of the Session on November 14, 2008

Ich rufe die Eingabe 173 betr. Vogelschutz, hier: Ausweitung der Bejagung von Wildgänsen, auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen vor. Er lautet auf „Berücksichtigung“.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es war eine deutliche Mehrheit dagegen. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Sie lautet auf „Sach- und Rechtslage“. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Mit deutlicher Mehrheit ist so beschlossen worden.

Wir kommen zu Eingabe 349 betr. Auszahlung für geleistete Mehrarbeit im Rahmen des verpflichtenden Arbeitszeitkontos. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Er lautet auf „Berücksichtigung“.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Zweite war

die Mehrheit. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Sie lautet auf „Sach- und Rechtslage“. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Das ist so beschlossen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 21:

Erste Beratung: Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung und Dokumentation der NS-Vergangenheit niedersächsischer Landtagsabgeordneter - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/593

Zur Einbringung des Antrages hat sich Herr Adler gemeldet. Herr Adler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Althusmann, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Ich muss Ihnen einen Satz vorlesen, den Sie in der 7. Plenarsitzung am 9. Mai hier geäußert haben.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Davon habe ich nichts zurückzunehmen!)

Sie sagten damals:

„Meine Damen und Herren, die CDU hat ihre geistigen und politischen Wurzeln im christlich motivierten Widerstand gegen den Terror des Nationalsozialismus. Das ist die Wahrheit.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben Ihnen das damals nicht so richtig glauben können und deshalb eine Untersuchung in Auftrag gegeben.

(Ulf Thiele [CDU]: Eine Woche!)

Das, was wir geahnt hatten, hat sich erschreckend deutlich, noch viel deutlicher, als wir es geahnt hatten, bewahrheitet.

(Heinz Rolfes [CDU]: Geschichtsklitte- rung!)

Es besteht eine personelle Kontinuität von früheren Abgeordneten der CDU, der FDP und der DP - diese Partei ist ja in der CDU aufgegangen -

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wäre schön!)

zur NSDAP. Immerhin 71 Abgeordnete des Landtages waren Mitglieder der NSDAP, davon zwölf in der sogenannten Kampfzeit. Das ist die Zeit vor der sogenannten „Machtergreifung“ Hitlers.

Dabei muss man davon ausgehen, dass die Daten, die uns vorliegen, noch nicht einmal vollständig sind, weil die überlieferte NSDAP-Mitgliedskartei nur noch zu 80 % vorhanden ist. Wahrscheinlich sind es sogar noch viel mehr Abgeordnete gewesen. In die Untersuchung, die wir in Auftrag gegeben haben, sind auch nicht die Parteien BHE, Deutsche Reichspartei und diese rechtsradikalen Parteien einbezogen. Da wird es natürlich noch weitere Abgeordnete gegeben haben. Vielleicht hat es auch noch den einen oder anderen bei der SPD gegeben. Das haben wir nicht untersucht. Das wird aber mit Sicherheit unbedeutend gewesen sein.

(Ulf Thiele [CDU]: Habt ihr das eigent- lich mal für die SED untersucht?)

- SED-Abgeordnete, Herr Kollege, gab es im Niedersächsischen Landtag nicht.

(Ulf Thiele [CDU]: Ich meine nicht im Niedersächsischen Landtag, sondern in den neuen Ländern!)

Es gab höchstens Abgeordnete der KPD. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir da eine solche Kontinuität nicht vorfinden würden. Außerdem bin ich der Meinung, liebe Kollegen von der CDU, bei dem Thema sollten Sie besser keine Zwischenrufe machen, sondern ganz peinlich nach unten schauen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE] - Ulf Thiele [CDU]: Frechheit! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was wollen Sie uns denn jetzt sagen?)

Der Präsident des Niedersächsischen Landtages, Herr Dinkla, hat in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung am 8. November 2008 gesagt, nicht jeder, der sich der Nazipartei angeschlossen hatte, könne deshalb heute verurteilt werden. Das kann ich vielleicht sogar noch mit Einschränkung teilen. Dann sagt er weiter, man müsse sehr genau schauen, welche Rolle die Betroffenen zwischen 1933 und 1945 gehabt hätten.

Da gebe ich ihm recht: Man muss sehr genau schauen. Deshalb nenne ich Ihnen jetzt einmal vier Beispiele. Der Abgeordnete Dr. Strickrodt war so

gar Finanzminister. Mitglied der NSDAP war er nach unseren Recherchen nicht; jedenfalls können wir es ihm nicht nachweisen. Er war aber maßgeblich an der Vertragsgestaltung des KZ Neuengamme beteiligt und dafür zuständig. Die Bestimmungen sollten, so seine schriftlichen Äußerungen von damals, in dem Sinne ausgelegt werden, dass eine höchstmögliche Arbeitsleistung aus den Gefangenen herausgepresst wird.

Der Abgeordnete Freiherr von Fircks, SS-Obersturmbannführer, hat am 31. Oktober 1940 über die Situation im besetzten Polen geschrieben:

„Mit der Evakuierung geht es dort sehr gut vorwärts. Bis zum 12. Februar wird mit der Heraussetzung der Juden Schluss sein. Dann kommen die Polen an die Reihe.“

Der Abgeordnete von Fircks wurde später Vertriebenenfunktionär. Man muss sagen: Von Vertreibung verstand er einiges.

Der Abgeordnete Kostorz, NSDAP-Ortsgruppenleiter, war verantwortlich für Waffenlieferungen an das Freikorps Ebbinghaus, das die Vorwände für den Angriff der deutschen Truppen auf Polen am 1. September 1939 lieferte. Das hat ihm damals während der Nazizeit viel Ruhm und Ehre eingebracht. Er war sich übrigens auch nicht zu schade, sich am Besitztum des Juden Zimmermann zu bereichern. Er wurde nämlich als dessen Treuhänder eingesetzt.

Der Abgeordnete Conring, Beauftragter des Reichskommissariats in dem besetzten Gebiet Groningen, hatte sich wie folgt hervorgetan - ich zitiere aus einer Schrift von ihm aus dem Jahre 1942 -:

„Für die Provinz Groningen wäre es sehr wünschenswert, wenn die Juden möglichst bald aus der Nachbarschaft des Küstenplatzes Delfzijl, insbesondere aus Appingedam und Windschoten … bevorzugt verschwänden.“

So weit zu diesem kurzen Blick auf das, was wir vorgefunden haben, wobei wir der Meinung sind, dass es sicherlich noch nicht einmal vollständig ist. Bei diesem Befund, der meiner Ansicht nach eindeutig ist, kommt bei uns gar nicht so sehr ein Gefühl des Triumphs oder das Gefühl „Jetzt haben wir es denen mal gezeigt!“ auf, sondern eher ein Gefühl der Beklommenheit.

Die Frage drängt sich auf: Wie konnte das möglich sein? Nicht, dass es diese Verbrechen gegeben hat und diese Abgeordneten damals in der NSDAP engagiert waren. Die Frage ist eher: Wie konnte es möglich sein, dass das alles in den 1950er- und 1960er-Jahren, als diese Abgeordneten hier in diesem Hause saßen, nie thematisiert worden ist?

Vielleicht kann man in Folgendem eine Erklärung dafür finden. Der Historiker Norbert Frei hat in seinem Buch „Vergangenheitspolitik“ dazu Folgendes geschrieben:

„Mitte der 50er-Jahre hatte sich ein öffentliches Bewusstsein durchgesetzt, das die Verantwortung für die Schandtaten des Dritten Reiches allein Hitler und einer kleinen Gruppe von Hauptkriegsverbrechern zuschob, während es den Deutschen in ihrer Gesamtheit den Status von politisch Verführten zubilligte.“

An anderer Stelle steht:

„Das teils bewusste, teils unbewusste Bedürfnis, sich der kollektiven Erinnerung zu entziehen, war allgegenwärtig. Es bedurfte noch weitergehender Generationsverschiebungen, ehe es im Zuge der Studentenbewegung 1968 zu einem grundlegenden Wandel kam.“

Der zweite Grund, den man in diesem Zusammenhang anführen kann, ist wohl, dass die Bestände, die wir durchgesehen haben, während der damaligen Zeit im Berlin Document Center lagen - also in den Händen der amerikanischen Besatzungsmacht - und offenbar damals auch nicht vollständig bekannt wurden. Welche Motive die amerikanischen Stellen hatten, diese Bestände nicht bekannt werden zu lassen, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter erörtern. Da kann man sich natürlich einiges denken.

Ein dritter Grund, den man zur Erklärung heranziehen kann, ist sicherlich folgender: Spätestens mit Beginn des Koreakrieges wurde die Thematik OstWest-Auseinandersetzung und Kalter Krieg so dominant und hat das politische Klima in Deutschland so beherrscht, dass sie die Vergangenheitsaufbereitung überlagert und teilweise auch verhindert hat. Deshalb ist es jetzt - nach Beendigung des Kalten Krieges - Zeit, sich mit der Aufarbeitung zu beschäftigen. Wir haben dazu den Vorschlag gemacht, eine Kommission des Landtages zu bil

den, die wiederum Aufträge an Wissenschaftler erteilen und Wege finden soll, wie man mit dem Thema umgeht. Unsere Studie ist ja nur ein erstes Schlaglicht. Das soll im Grunde weitergeführt werden. Weitere Untersuchungen sind sicherlich notwendig.

Ich gehe noch einmal auf das ein, was vom Landtagspräsidium in diesem Zusammenhang gesagt worden ist: Diese wissenschaftliche Aufarbeitung sollte politisch begleitet werden. Der Landtag ist selbst in der Pflicht. - Deshalb haben wir den Vorschlag gemacht, eine Kommission zu bilden, die dem Parlament wiederum Vorschläge machen soll, wie mit diesem Thema umzugehen ist. Der Landtagspräsident hätte diese Vorschläge dann umzusetzen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist Herr Dinkla von der CDUFraktion. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Adler, der 70. Jahrestag der Reichspogromnacht, der wir am Mittwoch im Plenum gedacht haben, hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine aktive und auch kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist. Dabei ist es von elementarer Bedeutung, ein umfassendes und auch differenziertes Bild der Vergangenheit zu zeichnen.