- Nein, das mussten die Bayern und die BadenWürttemberger machen und alle anderen genauso. Dabei sind wir uns schnell einig.
Aber ich sage Ihnen auch: Mein Enkel hat mit Sicherheit ein großes Interesse daran, weniger Zinsen und Tilgung zu bezahlen. Aber mein Enkel hat wahrscheinlich auch ein großes Interesse daran, hoch qualifiziert ausgebildet zu werden und eine Arbeit zu finden.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Dann ist er hier ge- nau richtig!)
Wer ein striktes Neuverschuldungsverbot durchsetzen will, der verzichtet damit auf Großinvestitionen wie JadeWeserPort, Y-Trasse und viele andere Projekte. Denn die Vorstellung, das „mal eben so“ zu finanzieren, ist mit Sicherheit abwegig, meine Damen und Herren.
einer der Wirtschaftsweisen, hat das wie folgt polemisch und zugespitzt formuliert: Wir wollen nicht am Ende schuldenfrei, aber dumm sein. - Das kann doch nicht unsere Antwort sein. Wir brauchen Mittel für Zukunftsinvestitionen. Das ist das zweite Standbein neben finanzpolitischer Konsolidierung.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Also Schulden! - Ulf Thiele [CDU]: Die Konstruktion können Sie niemandem erklären!)
Meine Damen und Herren, der Landtagspräsident hat gestern auf die Bedeutung von Investitionen für den Bildungssektor hingewiesen. Das sind Zukunftsinvestitionen. Wir stimmen ihm zu. Aber es geht bei Bildung nicht nur um Geld, sondern es geht auch um Konzepte. Wir haben hier fünf Jahre
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Minister Walter Hirche: Geht es denn auch auf einem sachlichen Niveau? - Karl- Heinz Klare [CDU]: Die Bürger haben Sie doch abgewählt!)
Im Nachhinein betrachtet, lag das wahrscheinlich daran, dass der bisherige Kultusminister von Haus aus Rechtspolitiker ist und sich daher fachlich nicht auskannte. Wenn diese Logik, Frau HeisterNeumann, zu Ende gedacht wird, dann werden Sie in zwei Jahren Innenministerin; denn Sie sind ja von Haus aus Stadtdirektorin. Ich hoffe nicht, dass das die Logik ist, nach der hier gearbeitet wird.
Ich weiß nicht, was Sie von Haus aus sind und wohin Sie dann wechseln müssten. Das wird ja eine spannende Debatte.
Ich würde das auch nicht so machen wie Sie und Reise nach Jerusalem spielen. Ich würde die ganze Riege ersetzen und völlig neue Minister bestimmen.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Zuruf von der CDU: Das ist doch nur ein Schattenkabinett bei Ih- nen!)
Wir haben eine Bildungspolitik erlebt, die durch Hektik und Zurufe des Ministerpräsidenten gekennzeichnet war. Und wenn es in den letzten fünf Jahren richtig ernst geworden ist, dann ist der Kultusminister an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt worden. Ob es um die Kita-Gebühren oder das Thema Gesamtschule ging - Ihre Befugnisse waren erkennbar am Ende, ohne dass Sie das vorher ahnen konnten. Aber so ist es, wenn man fachfremd ist, meine Damen und Herren.
Diese Landesregierung und diese Mehrheit haben ein ganz zentrales Problem im bildungspolitischen Bereich: Sie sind von tiefem Bekennermut, aber weigern sich einfach, die Realität zur Kenntnis zu nehmen.
Ihre Formulierung „Die Koalitionspartner bekennen sich“ - allein der Begriff des Bekennens ist bezeichnend - „daher klar zu dem begabungsgerechten, differenzierten und gegliederten Schulsystem als Regelschulsystem“ zeigt, welches Maß an Weltfremdheit inzwischen bei Ihnen vorhanden ist.
Sie laufen einem alten Leitbild hinterher, das sich hinreichend blamiert hat. Der Altphilologe Heinrich Weinstock hat das 1955 wie folgt beschrieben - und das ist genau die Bildungstheorie, der Sie heute anhängen;
- Ihre ist nach hinten gewandt; das, was er beschrieben hat, ist die Grundlage für Ihre Bildungstheorie -:
„Dreierlei Menschen braucht die Maschine: den, der sie bedient und in Gang hält, den, der sie repariert und verbessert, schließlich den, der sie erfindet und konstruiert.“
Drei Begabungen brauchte vielleicht die Arbeitsgesellschaft des 19. Jahrhunderts - aber selbst das ist strittig. Die Wissensgesellschaft von heute kann darüber nicht einmal mehr lachen, meine Damen und Herren.
Diese Bildungstheorie zur Grundlage von Bildungspolitik zu machen, ist Ignoranz gegenüber der gesamten wissenschaftlichen Forschung, ist eine Provokation hinsichtlich des Anspruchs auf Chancengleichheit und ist nicht zuletzt wider alle ökonomische Vernunft.
Wir haben kein Kenntnisdefizit, sondern wir haben ein Handlungsdefizit in der Bildungspolitik. Und bei der Mehrheit dieses Hauses haben wir das Problem hochgradiger Ignoranz.
Dabei haben Sie, Herr Hirche, in Ihrer Regierungserklärung heute Morgen doch gesagt, dass die Herkunft nicht über Bildungschancen entscheiden darf. Genau das gewährleisten Sie aber durch Ihre Art von praktischer Bildungspolitik und im Zweifel auch dadurch, dass der Elternwille massiv brüskiert wird. An dieser Stelle ist Ihnen nichts heilig. Dabei kennt doch heute eigentlich jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, die Bedeutung frühkindlicher Bildung, die Bedeutung von Ganztagspädagogik und auch den Stellenwert von individueller Förderung.
Was bieten Sie für die nächsten fünf Jahre an, meine Damen und Herren? - Wir sind leider Schlusslicht bei Krippenplätzen in Niedersachsen. Selbst Bayern hat uns vorletztes Jahr überholt. Was machen Sie? - Sie reichen die Berliner Verabredung durch, packen nichts zusätzlich drauf und erwecken den Eindruck, das würde alles bedarfsgerecht durch Sie bereitgestellt. Ihr Beitrag bei diesem Thema ist in der Nähe von Null. Das ist die Situation.
Wenn man sich den Text zum Thema „Frühkindliche Bildung“ richtig ansieht, kann man den Eindruck gewinnen, dass die inhaltliche Position von Frau von der Leyen, die das Betreuungsgeld für absoluten Unfug hält, inzwischen in Niedersachsen nicht mehr mehrheitsfähig ist. Denn wenn ich das richtig lese, sind Sie inzwischen auch dafür, das Betreuungsgeld einzuführen und damit frühkindliche Bildung massiv zu beschädigen. Wir halten das für falsch.
Vielleicht lese ich das nur nicht ganz richtig. Ihr Text lässt auf jeden Fall genau diese Wahrnehmung zu. Sie waren schon einmal weiter, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie sind ungefähr fünf Jahre zurück!)
Mipla 2007 steht, dass behutsam Stellen aus dem Bildungssektor herausgenommen werden sollen, weil das ja vertretbar sei. In der Koalitionsvereinbarung steht, sie bleiben im System. Es wäre in Ordnung, wenn Letzteres stimmt. Aber, meine Damen und Herren, eine Frage bleibt immer noch offen: Wo ist Ihre Antwort zum Thema Arbeitszeitkonto? Sie haben die nächsten fünf Jahre Regierungspolitik in Niedersachsen zu bestimmen. Das ist eine offene Flanke, und Sie werden sich damit auseinandersetzen müssen, wenn das Thema Unterrichtsversorgung wieder hoch kocht, weil Sie weit davon entfernt sind, hier eine vollständige Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.
(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wir geben doch die Arbeitszeit zurück! Das läuft doch schon! - Unru- he)
Vielleicht sollten wir zunächst einmal - das richtet sich an alle hier im Hause - insgesamt zur Kultur des Zuhörens zurückkommen. Die CDU-Fraktion hat noch eine Redezeit von 100 Minuten, die Sie sich entsprechend aufteilen können. - Herr Jüttner, Sie haben das Wort.