Protocol of the Session on February 27, 2008

Hätte ich so eine Aussage gebracht, hätten Sie gesagt, der Jüttner zieht wieder irgendetwas aus der Tasche. Aber das Zitat stammt von einem derjenigen, die in Niedersachsen Verantwortung in der Wirtschaft haben, meine Damen und Herren. Die gucken Ihnen auf die Finger und stellen fest, dass sie von Ihnen von vorn bis hinten veralbert werden. Das ist die Realität.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist schon spannend, was in dem wirtschaftspolitischen Teil steht bzw. nicht steht.

Kein Wort zu Investitionsbedarfen, obwohl doch jeder weiß, welche regionale Beschäftigung daran hängt. Niedersachsen ist bundesweit Schlusslicht bei der Investitionsquote. Sie sehen augenscheinlich keine Veranlassung, in diesem Punkt neue Akzente zu setzen.

Kein Wort zum Thema Substanzverlust beim Landesvermögen Straße. Im Jahr 2007 ist Ihnen vom Landesrechnungshof ins Stammbuch geschrieben worden, dass durch Sie Vermögensverzehr veranlasst wird. Meine Damen und Herren, nichts steht dazu in Ihrer Koalitionsvereinbarung!

Kein Wort zur Zukunft des Vergaberechts, wo das Land deutlich machen könnte, dass es Vorreiter ist, wenn es darum geht, Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Kein Wort findet sich in Ihrer Regierungserklärung zum Thema Förderung der Frauenerwerbsarbeit oder auch zum Thema Frauen in Führungsfunktionen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Haben Sie nicht zugehört? Hat er doch gesagt!)

Kein Wort dazu in der Koalitionsvereinbarung. Dafür finden wir dort aber deutliche Hinweise auf die Notwendigkeit einer Deregulierung. Arbeitnehmerrechte werden von dieser Mehrheit und von dieser Landesregierung auch in den nächsten fünf Jahren mit Sicherheit mit Füßen getreten werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: So ein Unfug!)

Ich habe gesagt, wir arbeiten für Niedersachsen. Das heißt, wir kritisieren, wo Sie Fehler machen. Das heißt aber auch: Wo die Regierung vernünftige Anregungen und vernünftige Pläne hat, unterstützen wir dies.

Herr Hirche, dies gilt beispielsweise bei dem, was Sie zum Thema Verkehrsinfrastruktur ausgeführt haben. Sie haben gesagt, dass der Norden der Gewinner der Globalisierung ist. Sie haben absolut recht. Das muss in der nationalen Politik und damit bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans Konsequenzen haben. Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir das gemeinsam auf die Hörner nehmen und gemeinsam Druck in Berlin machen, werden wir es schaffen, die Mittel aus dem Süden in den Norden zu verlagern. Das ist überfällig und dringend geboten, für die gesamte nationale Wirtschaft, nicht nur für den Norden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Sagen Sie das doch Tiefensee! Das ist doch Ihr Genosse!)

- Ich habe doch gerade gesagt - - -

(David McAllister [CDU]: Dann tun Sie doch einmal etwas!)

- Natürlich, mache ich doch.

(Zurufe von der CDU)

- Nein, ich würde die Rede in Berlin genauso halten. Wir können gern Details dazu verabreden, wie wir diesen Druck aufbauen wollen. Das ist überhaupt kein Problem für mich.

Ich erwarte mit der gleichen Konsequenz, meine Damen und Herren, dass Sie bei den Infrastrukturmaßnahmen, die dringend geboten sind, Ihre Halbherzigkeit abschütteln. Ich rede über den JadeWeserPort, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

In Ihrer Mittelfristigen Planung aus dem Jahr 2004 kann man nachlesen, dass der Planfeststellungsbescheid für 2005 angesagt ist. Dort sind Sie nicht Subjekt des Verfahrens; das weiß ich auch. Weiter heißt es dort: Wenn der Bescheid da ist, fangen wir an, weil wir auch den Sofortvollzug beantragt haben.

Dieser Planfeststellungsbescheid ist lange erteilt, und der Sofortvollzug ist bestätigt worden. Meine

Damen und Herren, ich verlange von Ihnen: Fangen Sie endlich an mit der Baumaßnahme in Wilhelmshaven! Dies ist dringend überfällig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Wie war das noch beim Sperrwerk?)

- Bei dem Sperrwerk hat die damalige Landesregierung von dem Sofortvollzug Gebrauch gemacht.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was hat es ge- bracht?)

Das hat, wenn ich es richtig einschätze, zu Zusatzkosten von 18 Millionen Euro geführt. Die heute schon erkennbaren Zusatzkosten infolge des Verzichts auf den Sofortvollzug liegen bei über 100 Millionen Euro, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich war bei Beteiligungen des Landes, beim Beteiligungsbericht 2007 des Finanzministeriums. Es ist ganz spannend zu lesen, wie dort mitgeteilt wird, welche strukturbestimmende Bedeutung Unternehmen wie Volkswagen und die Salzgitter AG haben. Wir sind der CDU dafür dankbar, dass sie die FDP an dieser Stelle niedergekämpft hat und es so bleibt, wie das auch unseres Erachtens richtig ist.

Aber in dem Beteiligungsbericht stehen auch Bemerkungen über die strukturbestimmende Bedeutung beispielsweise der NORD/LB, des Flughafens in Hannover und der Messe AG. Wer mal eben so behauptet - wie es nicht nur in der Koalitionsvereinbarung niedergeschrieben wurde, sondern auch durch Bemerkungen des Ministerpräsidenten öffentlich suggeriert wird -, man könnte diese strukturbestimmenden Unternehmen auf einen Markt bringen, also Dritte beteiligen, der verkennt die langfristigen fatalen Folgen, die beispielsweise die Beteiligung Dritter an der Messe AG für die Messe, für die Landeshauptstadt und für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Niedersachsen hätte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hirche, Sie sind dort Aufsichtsratsvorsitzender. Sie wissen doch im Detail, was es bedeuten würde, wenn man dort Dritte beteiligen würde. Wer steigt da ein? - Beispielsweise andere Messestandorte; denn es gibt kaum eine Branche, in der ein so knallharter Wettbewerb herrscht wie zwischen den Messestandorten. Die Beteiligung Dritter an der Deutschen Messe AG Hannover wäre ein schwerwiegender wirtschaftspolitischer Fehler. Das ist das Problem. Aber das interessiert die FDP

natürlich nicht; sie kann ja vor lauter Ideologie nicht mehr aus den Augen gucken. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Kreszen- tia Flauger [LINKE])

Neben einer Übereinstimmung bei vielen Details in der Politik - damit können wir problemlos leben - besteht ein grundsätzlicher Unterschied darin, wie wir uns staatliches Agieren vorstellen.

(Zuruf von der CDU: Harzwasserwer- ke!)

Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die der Meinung sind: Am besten den Staat aus allem herausnehmen, Private können das besser. - Das ist Ihre Vorstellung. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die der Meinung sind, dass es so etwas wie öffentliche Verantwortung gibt, eine öffentliche Verantwortung, die sich auch in der Gewährleistung von Chancen und von einem sozialen Interessenausgleich niederschlägt. Das ist der kleine Unterschied in der Politik, an dem wir mit Sicherheit festhalten wollen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Dieser Unterschied bezieht sich beispielsweise auch auf das Thema: Wie gehen wir mit den Finanzen um?

(Heinz Rolfes [CDU]: Mut zur Lücke!)

- Ja, Mut zur Lücke kommt jetzt. - Das, was Sie im Zusammenhang mit dem Begriff „striktes Neuverschuldungsverbot“ formulieren - auch heute in der Regierungserklärung haben Sie das getan -,

(Zurufe von der CDU: Ja, genau!)

klingt für Nichtkenner auf den ersten Blick sehr plausibel. Wenn Sie das so durchsetzen würden, wäre das aber eine ganz große Fahrlässigkeit. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie suggerieren, Sie hätten die Enkelgeneration vor Augen.

(Zurufe von der CDU: Jawohl! Haben wir auch! Ernsthaft!)

- Ja, ja, ernsthaft.

Wir sind uns sicherlich schnell darüber einig, dass es notwendig ist, finanzpolitisch zu konsolidieren, und dass es unangemessen war, aufgrund des

Wegfalls der öffentlichen Einnahmen die Nettoneuverschuldung so zu erhöhen, wie es alle Bundesländer Anfang dieses Jahrzehnts machen mussten.

(Widerspruch bei der CDU)