Protocol of the Session on October 9, 2008

Jetzt haben wir die Zahlen und können feststellen, dass sich Niedersachsen, was die Fallzahlen für Ablehnungen und Genehmigungen nach den Regelungen angeht, völlig im normalen Schnitt aller anderen Bundesländer bewegt. Das bedeutet, dass die Vorwürfe, die von den Grünen und den Linken immer erhoben worden sind, hier werde ein

besonders harter Kurs zulasten weniger Menschen gefahren, schlicht und ergreifend nicht wahr sind.

Wir haben gesehen, dass es durchaus richtig ist, zu schauen, ob in den einzelnen Ausländerbehörden tatsächlich gleich gewertet und mit den Anträgen auch gleich umgegangen wird. Hier gibt es Abstimmungsbedarf, weil die Kommunen personell durchaus unterschiedlich ausgestattet sind. Von daher begrüße ich es sehr, dass das Innenministerium sofort, nachdem die Regelungen zunächst über die IMK und dann per Gesetz eingeführt worden sind, in Dienstbesprechungen mit allen Ausländerbehörden die Regelungen erläutert hat und man ein gemeinsames Vorgehen in der Bewertung vereinbart hat.

Die Zahlen, die jetzt vorliegen, weisen aus, dass wir in Niedersachsen mit der gesetzlichen Regelung genau so umgehen wie alle anderen Länder auch. Das ist auch verständlich; denn es handelt sich hier um eine bundesgesetzliche Regelung, und das Bundesgesetz gilt in allen Bundesländern gleich. Das heißt, jeder, der den Rechtsanspruch umsetzen will - egal ob in Nordrhein-Westfalen, in Bayern oder in Niedersachsen -, hat die gleichen Rechte und ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen.

Ich finde es allerdings schwierig, dass von den Grünen bei dieser Thematik immer wieder versucht wird, andere Regelungen, nämlich Fragen des Asylrechts, die ja bei der Frage des Bleiberechts überhaupt nicht zur Disposition stehen - beim Bleiberecht geht es ja um eine Gruppe, die sich nicht aufgrund eines Asylanspruchs hier in Deutschland und in Niedersachsen aufhält -, hereingebracht und mit der Situation in den Heimatländern in Verbindung gebracht werden. Wir sagen ja selbst, dass es nicht zumutbar ist, dass sie dorthin zurückkehren. Ansonsten wäre die Bleiberechtsregelung ja nicht erforderlich gewesen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass auf der einen Seite die guten Menschen und auf der anderen Seite die bösen Menschen sitzen. Dieser Eindruck ist schlicht und ergreifend nicht korrekt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist auch komisch, wie sich die SPD in ihren Einlassungen darstellt. Hier kritisieren Sie, dass die Arbeitsmöglichkeiten nicht so umgesetzt werden, wie Sie selber es wollen, nämlich dass man die Möglichkeit hat, sich Arbeit zu suchen. Als aber bei der IMK versucht wurde, die Vorrangprüfung aufzuheben, sodass Menschen, die als Flüchtlinge hierher gekommen sind, viel eher eine Arbeit auf

nehmen können, war es die SPD im Bundestag, die über ihren Bundessozialminister diese Regelung kritisiert hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Herr Bachmann selbst steht bei der Zuwanderung für Hochqualifizierte immer wieder auf der Bremse. In der Tat hat der alte bzw. neue Bundesvorsitzende der SPD das zu verantworten. Ich finde, man sollte nachhaltig bei der Wahrheit bleiben. Das ist immer noch das Beste für den Wähler.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Er hat überhaupt nichts zur Sache gesagt!)

Danke schön. - Auf den Beitrag von Herrn Kollegen Bode haben sich zwei Kollegen zu einer Kurzintervention gemeldet. Zunächst Herr Bachmann von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte das ein für allemal klarstellen, Herr Bode, damit Sie das hier nicht ständig und immer wieder falsch anführen: Es gibt keine Diskrepanz zwischen unserer ganzheitlichen Integrations- und Migrationspolitik und der Position von Franz Müntefering. Franz Müntefering hat als damaliger Minister immer wieder deutlich gemacht - das sieht Olaf Scholz nicht anders -: In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit - ich habe Ihnen das schon einmal erklärt - muss es primär darum gehen, die hier lebenden Menschen in Arbeit zu bringen, bevor beispielsweise neue Zuwanderung organisiert wird. Es geht um eine Reihenfolge in der Handlung und nicht um einen gegenseitigen Ausschluss. Er hat dieses Kompromisspaket ja insgesamt mitgetragen. Die Bleiberechtsregelung in Berlin ist ja ein Kompromiss gewesen. Sie wäre optimal ausgefallen, wenn wir sie hätten alleine regeln können.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Für wen wäre sie optimal ausgefallen?)

- Es wäre eine bessere Bleiberechtsregelung im Sinne von humanitären Lösungen gewesen, wie es eben die Kollegin Lesemann erläutert hat.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt also keinen Widerspruch. Sie haben ihn nur konstruiert. Hier geht es um die richtige Reihenfol

ge und um Gerechtigkeit und Humanität. Hören Sie auf mit Ihren nicht zutreffenden Vorwürfen und diesem ewig falschen Konstrukt!

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls für anderthalb Minuten hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Adler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bode, Sie haben eine gleichmäßige Regelung der Bleiberechtsregelung gefordert. Ich will Ihnen sagen, in welchem Bereich es zurzeit keine gleichmäßige Regelung gibt, und auch die Gründe dafür nennen. Schauen Sie sich einmal den Absatz 3 an, der die SippenhaftRegelung enthält. Er regelt, dass jemand, der diese Bleiberechtsregelung in Anspruch nehmen will und sich in einem bestimmten Maße strafbar gemacht hat, nicht in den Genuss dieser Regelung kommt. Weiter heißt es dort, dass dies auch für die Familienangehörigen gilt. Im Kommentar zum Bleiberechtsgesetz steht, dass es bei minderjährigen Kindern Sinn hat, das Aufenthaltsrecht bei Kindern und Eltern nur einheitlich zu regeln. Nach dem Gesetz gilt das aber auch für erwachsene Kinder. Nun frage ich Sie: Kann man von Illegalen reden, wenn man nur aufgrund der Verwandtschaft in die Haftung genommen und von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen wird?

(Editha Lorberg [CDU]: Illegale sind etwas ganz anderes!)

Bei dieser Frage ist die Praxis gegenwärtig völlig uneinheitlich, weil sich einige Ausländerbehörden schämen, dieses Gesetz anzuwenden. Man müsste doch darüber nachdenken, ob an dieser Stelle nicht eine Korrektur notwendig wäre!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Bode möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bachmann, man kann die geschichtlichen Ereignisse, auch wenn es sich um die jüngere Vergangenheit handelt, nicht durch noch so viele Kurzinterventionen oder Redebeiträge hier im Plenum ändern.

In der Tat ist es geschichtlich belegt und Fakt, dass der Innenminister des Landes Niedersachsen gemeinsam mit dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen auf der IMK versucht hat, Erleichterungen für die Arbeitsaufnahme durchzusetzen. Er ist allerdings am damaligen Bundessozialminister, Ihrem Freund Franz Müntefering, gescheitert. Von daher ist es völlig unverständlich, dass man auf der einen Seite den Menschen nicht die Möglichkeit gegeben hat, sich schneller und besser in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren, auf der anderen Seite aber hier solche Sonntagsreden hält.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: So ist es!)

Der zweite Punkt: Wir reden immer von der Zuwanderung von Hochqualifizierten in den Arbeitsmarkt und auch davon, dass Stellen nicht besetzt sind und dass wir die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in unserem Land ungenutzt verstreichen lassen, weil Innovationen und Wertschöpfung in den Betrieben nicht möglich sind. Dann muss man aber schon die Frage stellen, ob es immer reicht zu sagen: „Lasst uns die Qualifizierung, die man in dieser Zeit gar nicht so schnell erreichen kann, woanders nachholen“ oder ob man eine höhere Wirtschaftskraft durch die Zuwanderung von Qualifizierten ermöglicht, die wir hier dringend brauchen. Da sollten Sie Ihre Position wirklich noch einmal überdenken; denn das lehnen Sie derzeit noch immer ab.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion der Grünen hat sich noch einmal Frau Kollegin Polat zu Wort gemeldet. Sie haben noch vier Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Punkte klarstellen und auf Frau Lorberg sowie Herrn Bode eingehen.

Ich meiner Rede habe ich versucht darzustellen, welche Gemengelage es bezüglich einer gesetzlichen Altfallregelung gegeben hat. Sie können nicht widersprechen, dass unser Innenminister bis zuletzt versucht hat, eine gesetzliche Altfallregelung - dies hat er hier auch bestätigt - zu verhindern. Herr Bode, falls Sie sich nicht mehr daran erinnern, zitiere ich es noch einmal: „FDP geht bei Bleiberecht auf Distanz.“ Am 13. Juli 2006 war in der Nordwest-Zeitung zu lesen:

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Jün- gere Geschichte!)

„Schünemann gerät in seiner Partei weiter unter Druck.“ - Auch die CDU-eigenen Reihen haben Druck auf ihren Innenminister ausgeübt. Ich könnte noch aus vielen anderen Artikeln zitieren.

Frau Lorberg, um Gutmensch oder Bösmensch geht es hier nicht. Vielmehr geht es darum, die betroffenen 20 000 Menschen - jetzt sind es nur noch 18 600 Geduldete - in Niedersachsen in ein Bleiberecht zu bekommen. Uns geht es um die gesetzliche Altfallregelung, die allerdings auch nicht optimal ist. Wir haben sie auf Bundesebene kritisiert.

Herr Bode, ich muss Sie korrigieren: Die niedersächsischen Anwendungshinweise haben natürlich erheblichen Einfluss darauf, ob Menschen aus dem Bleiberecht ausgeschlossen werden. Dies sehen wir tagtäglich, wenn wir von Ausländerbehörde zu Ausländerbehörde reisen. Ich kritisiere nicht die Ausländerbehörden, sondern ich bin im Gespräch mit Ausländerbehörden. Es gibt sehr viele Ausländerbehörden, die sagen, ihr Spielraum werde durch den niedersächsischen Innenminister eingeschränkt.

Ich möchte noch etwas zitieren, aus dem deutlich wird, dass wir mit dieser Meinung nicht alleine in der Gesellschaft stehen. So hat das Katholische Büro Niedersachsen im Zusammenhang mit der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz betont:

„Im Vollzug des Gesetzes folgen die Behörden der Bundesländer jedoch den sehr restriktiven Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums zur Auslegung der Ermessensspielräume und nutzen diese fast ausnahmslos zugunsten der Betroffenen. Nur sehr wenige Bundesländer haben ihre Behörden angewiesen, die Spielräume grundsätzlich zugunsten der Ausländer zu nutzen. Im Ergebnis wird überwiegend die Praxis der Kettenduldung entgegen der Intention des Gesetzgebers weiterhin fortgeführt.“

Meine Damen und Herren, ich glaube, damit ist alles gesagt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Innenminister Schünemann zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch Wiederholungen wird es wirklich nicht besser. Die Zahlen sprechen ja eine eindeutige Sprache: Wir haben in Niedersachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht weniger Bleiberechtsfälle. Wir müssen dies ins Verhältnis setzen zu den Asylbewerbern, die uns zugeteilt werden, und auch zu denjenigen, die bei uns geduldet sind. Es gibt also überhaupt keinen Anlass für diese Darstellung des Katholischen Büros.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die Katholiken sind Lügner! Halten wir das einmal fest!)

Das ist nicht die Praxis, die wir vor Ort haben. Das ist nicht richtig.

Ich will aber durchaus zugestehen, Frau Polat, dass ich mit der gesetzlichen Bleiberechtsregelung meine Probleme gehabt habe und dass ich sie noch immer kritisch sehe. Wir haben auf der Innenministerkonferenz eine sehr gute Regelung getroffen, mit der wir, entgegen anderer Bleiberechtsregelungen, im Nachhinein einen Spielraum gegeben haben, nämlich dass man seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können muss. Dies ist auf einen Tatbestand ausgedehnt worden, den es bisher nie gegeben hat, nämlich auf ein Aufenthaltsrecht auf Probe. Wir werden sehen, ob dies wirklich sinnvoll ist.

Ich habe es vorhin schon gesagt und möchte es noch einmal deutlich machen: Das, was uns hier immer wieder bewegt, ist, dass viele Familien hierher kommen und leider Gottes nicht daran mitwirken, dass Pässe und Ausreisedokumente vorhanden sind. Sie nehmen in Kauf, dass ihre Kinder noch über einen längeren Zeitraum hier sind und dass es immer schwieriger wird, wieder in ihr Herkunftsland zurückzugehen. Dies ist aber eine Situation, die sie selbst zu verantworten haben. Die Behörden stehen anschließend vor der schwierigen Situation, solche Aktionen durchzuführen, wie sie geschildert worden sind, was schwierig ist. Wir können nicht akzeptieren, dass wir das allein des

wegen, weil Pässe weggeschmissen und Identitäten verschleiert werden, im Nachhinein honorieren. Das können wir nicht machen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ja, ja, das machen alle 18 000!)